In den 50er Jahren gehörte Meisterregisseur Alfred Hitchcock zu jenen Visionären, die die Zukunft des Kinos im 3D-Film sahen. Man brauchte einfach ein zusätzliches Element, um sich von der neu aufkeimenden TV-Konkurrenz abzuheben. So drehte Hitchcock auch eines seiner stärksten Werke, den Thriller Bei Anruf Mord, im dreidimensionalen Format. Doch die Hochzeit des 3D-Kinos währte nur kurz, aufgrund der noch nicht ausgereiften Technik war die dritte Dimension schon einige Jahre später wieder komplett aus den Lichtspielhäusern verschwunden. In der zweiten Hälfte der 90er Jahre kam der 3D-Film mit dem vorsichtigen Aufkommen der IMAX-Kinos, vor allem in den USA, wieder aus der Verbannung zurückgekrochen. Allerdings geschah diese Rückkehr unter umgekehrten Vorzeichen. Die technischen Möglichkeiten dienten plötzlich nicht mehr dazu, eine Geschichte auf wirkungsvollere Art und Weise zu erzählen, sondern vielmehr entstanden die meisten 3D-Filme überhaupt nur, um den technischen Fortschritt vorführen zu können – Mittel und Zweck hatten die Plätze getauscht. Und in diese Entwicklung passt sich nun auch Marc Fafards (Adrenaline Rush) 3D-Abenteuer-Doku „Dinosaurier 3D – Giganten Patagoniens“ nahtlos mit ein.
„Dinosaurier 3D“ beginnt mit einer Einstellung eben jenes Kometen, der die 180 Millionen Jahre andauernde Herrschaft der Dinosaurier auf der Erde beenden sollte. Doch der Schwerpunkt des Films liegt natürlich nicht auf der Auslöschung, sondern auf dem Leben der urzeitlichen Riesenechsen. Die bisher größten gefundenen Dinoknochen stammen aus Patagonien, jenem Teil Südamerikas, der südlich der Flüsse Rio Colorado und Rio Bio Bio liegt. Wir begleiten den renommierten Paläontologen Rudolfo Coria, auf dessen Funden ein Großteil des Films basiert, bei seiner Arbeit. Doch zugleich wird auch die Geschichte zweier Saurier erzählt, die 100 Millionen Jahre in der Vergangenheit liegt: „Kraftpaket“ ist ein Baby-Argentinosaurus, die größte bisher bekannte Dinoart überhaupt. Obwohl er einmal über 40 Meter lang und bis zu 100 Tonnen schwer werden wird, ist er zu Beginn seines Lebens noch unfassbar klein. „Langzahn“ ist ein gerade geschlüpfter Giganotosaurus, eine dem T-Rex verwandte Dinoart und der wahrscheinlich größte an Land lebende Fleischfresser aller Zeiten...
Wer wirklich etwas über die Herrscher der Urzeit erfahren möchte, ist in „Dinosaurier 3D“ ganz sicher falsch aufgehoben. Harte Fakten werden – wenn überhaupt – nur bruchstückhaft zur Einleitung der nächsten Dinoszene eingestreut. Auch fehlt der Doku über weite Strecken ein roter Faden, kaum eine Szene baut direkt auf der vorherigen auf. So hat man zum Schluss ein wenig das Gefühl, dass man hier lediglich einzelne Splitter aus einem eigentlich bedeutend längeren Film gesehen hat. Ebenso störend ist der exzessive Einbau des Paläontologen Rudolfo Coria – ihm wird beinahe die gleiche Leinwandzeit wie den Dinos eingeräumt. Anstatt dann aber zumindest interessante Details über seine Arbeit preiszugeben, stürzt er sich in philosophische Plattitüden darüber, welchen Einfluss die Wissenschaft doch auf sein Leben und seine Art, die Welt zu sehen, hatte. Und in der letzten Einstellung steht er heldenhaft in der argentinischen Ebene und schaut in den entfernten 3D-Sonnenuntergang. So kommt „Dinosaurier 3D“ rein vom dokumentarischen Wert her nicht über eine TV-Reportage im Vorabendprogramm der einschlägigen Privatsender hinaus.
Doch seien wir ehrlich: Wer geht schon in einen 3D-Dinofilm, um trockene Fakten zu erfahren. Vielmehr geht es doch darum, die aufregende Welt der Dinosaurier im sicheren Dunkel des Kinosaals hautnah miterleben zu können. Und diese Erwartung – egal ob an Land, in der Luft oder sogar unter Wasser – erfüllt der Film auf allerhöchstem technischen Niveau. Zwar findet sich bei allzu schnellen Bewegungen oder Kameraschwenks doch noch die eine oder andere leicht zu verkraftende Unschärfe, aber ansonsten sind sowohl die Dino-Animationen als auch die 3D-Effekte makellos. Wenn man sich inmitten eines riesigen Fischschwarms wiederfindet, um einen herum die fleischfressenden Riesenechsen mit den gigantischen, pflanzenfressenden, aber dennoch wehrhaften Langhälsen kämpfen, oder ein überdimensionaler Flugsaurier direkt auf einen zufliegt, sieht das nicht nur brillant aus, sondern lässt den Puls auch angenehm in die Höhe schnellen. Die Art der Aufregung ist dabei zwar eher mit der einer Achterbahnfahrt als mit der eines herkömmlichen Kinobesuchs vergleichbar, aber spannend ist spannend. Schade nur, dass die Dinoszenen gerade einmal die knappe Hälfte der mit 45 Minuten eh schon kurz bemessenen Spielzeit ausmachen.
Fazit: „Dinosaurier 3D – Giganten Patagoniens“ ist ein technisches Highlight, dem aber ein wenig mehr dramaturgische und inhaltliche Substanz ganz sicher nicht geschadet hätte. So bleibt es dabei: Das moderne 3D-Kino ist noch immer mehr Rummelattraktion denn Filmvergnügen.