Trickbetrüger und Schelme, die sich mit kleinen und großen Gaunereien über Wasser halten, sind Archetypen der Literaturgeschichte und haben auch im Filmgeschehen einen festen Platz eingenommen, in jüngster Vergangenheit etwa in Steven Spielbergs Catch Me If You Can. Auf den Zuschauer haben solche Charaktere immer wieder eine charmante Wirkung, ähnlich dem Bankräuber, dem man insgeheim alles Gute wünscht. Eine Art Robin Hood eben. Trotzdem gab es bisher keinen Dokumentarfilm, der sich mit Trickbetrügern aus dem wahren Leben auseinandersetzt, sie zu Wort kommen lässt und ihre Geschichten ohne dramaturgische Zuspitzung erzählt. Eine Lücke, die Alexander Adolph mit seinem Film „Die Hochstapler“ glänzend geschlossen hat.
In Form eines Interviewfilms stellt der Regisseur vier Männer vor, die sich dank ihrer Überzeugungskraft, ihrer Skrupellosigkeit und ihrem Ideenreichtum auf Kosten anderer bereichert haben, letztlich aber damit gescheitert sind und ihre Taten im Gefängnis sühnen mussten bzw. müssen. Torsten S., Marc Z., Peter G. und Jürgen H. erzählen - und das können sie alle hervorragend - ganz offen und ohne falsche Zurückhaltung von ihren Taten, oder besser gesagt „Clous“. Es ist an sich schon eine beachtliche Leistung von Alexander Adolph, der auch das Drehbuch zu „Die Hochstapler“ geschrieben hat, diese vier Männer dazu gebracht zu haben, ihr Handeln vor der Kamera ehrlich und selbstkritisch darzulegen. Der Regisseur hat seine Protagonisten dazu bekommen, Einsicht in deren Akten zu bekommen und die Anwälte von ihrer Schweigepflicht zu entbinden, um sich auf die mehrtägigen Interviews akribisch vorbereiten zu können. Im fertigen Film sind seine Fragen nicht zu hören, die ehemaligen Trickbetrüger erzählen in der Form eines schnörkellosen, dennoch fesselnden Kammerspiels ihre Geschichten ohne Anleitung. Und das können sie auch, nicht umsonst bezeichnen sie sich selbst als Märchenerzähler, worauf sie auch ein bisschen stolz sind. Und nur mit dieser Begabung, mit einem gewissen Funkeln in den Augen und einer packenden Mimik, war es ihnen überhaupt möglich, so vielen Menschen einen Bären aufzubinden. Plötzlich wundert es den Zuschauer gar nicht mehr so sehr, dass Jürgen H. einen Manager dazu brachte ihm Tickets für einen geplanten Mondflug zum Jahrtausendwechsel abzukaufen - eins für fünf Millionen D-Mark.
„Die Hochstapler“ beginnt recht amüsant. Es macht Spaß, den Protagonisten bei ihren Geschichten zu lauschen und bei so absurden Momenten wie der Mär vom Mondflug raunt schon mal ein herzhaftes Lachen durch den Kinosaal. Doch je mehr das Kammerspiel fortschreitet, desto tiefer werden auch die Abgründe, die sich in den jeweiligen Biografien auftun und die letztlich die Auslöser für das professionalisierte Lügen der Männer gewesen sind. Sie alle verbindet eine Suche, oder besser gesagt ein Ringen, nach Liebe und Anerkennung als Motor für ihre Betrügereien. Torsten S. zum Beispiel ist in ostdeutschen Kinderheimen aufgewachsen, aus denen er immer wieder geflohen ist. Auf der Flucht erfand er immer neue Identitäten, um bei Polizeikontrollen oder ähnlichem eine passende Ausrede parat zu haben. Diese Märchenwelten entwickelten im Lauf seines Lebens eine Eigendynamik, die ihn letztlich dazu brachte, als angeblicher amerikanischer Major eine Nato-Sicherheitskonferenz in einer Kleinstadt zu organisieren, mit allem drum und dran. Bei Jürgen H., dem wohl charmantesten der vier Männer, begann die Karriere als Profi-Lügner mit der Liebe zu einer Frau aus höheren Kreisen. Er selbst kam aus ärmlichen Verhältnissen, hielt sich für eine Null und wollte der Frau etwas bieten. Er sehnte sich nach einer Familienharmonie wie sie in der Fernsehserie „Die Waltons" vorherrscht. Also hat er seine Überzeugungskraft und sein Charisma dazu benutzt, die obersten Kreise Hamburgs um mehrere Millionen DM zu erleichtern und sich mit unermesslichem Luxus zu umgeben.
„Die Hochstapler“ ist eine gleichermaßen unterhaltsame wie nachdenklich stimmende Analyse der Mechanismen des Lügens. Für die Protagonisten sind ihre Märchenwelten immer mehr mit der Realität verschwommen, bis sie letztlich ihre eigenen Lügen glaubten und keinen Ausweg mehr aus ihren Geschichten finden konnten. Die Gefahr, die ein Projekt wie „Die Hochstapler“ leicht überflüssig werden lassen kann, nämlich das Reduzieren der spektakulären Geschichten auf reine Schauwerte, hat Alexander Adolph gekonnt umschifft. Der mehrfach ausgezeichnete Filmemacher hat vier Menschen, deren Geschichten durchaus filmreif sind, mit einem behutsamen und unaufdringlichen Blick porträtiert. Und er hat das einzig richtige getan: ihnen Platz gelassen sich zu entfalten und das zu tun, was sie am besten können - Geschichten erzählen.