Einen komplett neuen Film als „Final Cut” zu bezeichnen, führt zwangsläufig in die Irre. Regisseur Dylan Avery, der seit 2002 neben seinem Job als Kellner hauptsächlich mit seinem Verschwörungstheorie-Projekt „Loose Change“ beschäftigt ist, veröffentlichte die nun angeblich letzte Version seines Dokumentarfilms im November 2007. Sie schildert die Geschehnisse des 11. Septembers 2001 und zweifelt abermals an der offiziellen Version eines Terrorangriffs. Der weitverzweigten Theorie um einen Insider-Job der amerikanischen Regierung, die in Loose Change Second Edition noch als Maß der Dinge hingestellt wurde, stutzt die finale Edition bis auf ein paar Äste zurecht. Avery entschied sich für einen insgesamt ernsteren Tonfall, wodurch die Doku ihren Vorgängern aber zumindest in Sachen Unterhaltungswert unterlegen ist.
Für „Loose Change: Final Cut“ holte sich Avery Professor David Ray Griffin, selbst ein überzeugter Skeptiker der offiziellen Version, als Skript-Berater mit ins Boot. Die Struktur des Films ist dadurch wesentlich klarer. Nach einem kurzen Epilog, der eine Demonstration von Verschwörungsanhängern zeigt, startet der erste Akt, der sich mit den Entführern selbst beschäftigt. Darin beleuchtet Avery ausführlich eine mögliche Finanzierung der Attentäter durch die US-Regierung. Auch die Ausbildung der Terrorpiloten in US-Militärschulen findet er verdächtig.
Diesmal stellt Avery vieles nur als verdächtig dar, was der entscheidende Unterschied zu den Vorgängerfilmen ist. Während zuvor auch wenig nachvollziehbare Hinweise oder lose Zusammenhänge als Fakten verkauft wurden, gibt sich „Loose Change: Final Cut“ an dieser Stelle seriöser. Sämtliche Verweise auf Wikipedia sind herausgeschnitten, die präsentierten Fakten scheinen nun zumindest zum größten Teil aus vertrauenswürdigen Quellen zu stammen. Dylan Avery nimmt außerdem Abstand von plumpen Äußerungen, die die Bush-Regierung als Übeltäter brandmarken. Stattdessen stellt er nun meist zunächst die offizielle Version kurz dar, um anschließend auf Ungereimtheiten einzugehen. Im Gegensatz zu den Vorgängern beschränkt er sich aufs Fragenstellen und überlässt es dem Zuschauer, ob dieser die von ihm suggerierten alternativen Antworten annehmen will.
Im zweiten Akt geht „Loose Change: Final Cut“ in drei Kapiteln auf die vier Flugzeugentführungen ein. Die These aus dem „Second Edition Recut“ von der Cruise Missile, die ins Pentagon einschlug, wird nicht wiederholt. Stattdessen stellt Avery in aller Ruhe dar, warum manche Leute glauben, dass ein Flugzeug ins Pentagon flog, und warum andere Zweifel daran hegen. Hier stellt sich seine ausgewogene Darstellung jedoch selbst ein Bein: Nachdem er gezeigt hat, wie etwa zwei Meter große Trümmerteile des Flugs 77 auf dem Rasen des Pentagon liegen, behauptet er wenige Minuten später, es wären keine Flugzeugüberreste gefunden worden. Die Rücknahme der Cruise-Missile-Theorie ist nur eine von zahlreichen Revidierungen vorher getroffener Aussagen. Beispielsweise verliert er diesmal nicht ein Wort über die angeblich riesigen Goldvorräte unter dem World Trade Center, von denen er in der letzten Version noch berichtete.
Im Abschnitt über das WTC konzentriert sich Avery abermals auf eine möglicherweise kontrollierte Sprengung. Stichhaltige Beweise dafür liefert er jedoch nicht. Auf einige angebliche Hinweise aus dem „Second Edition Recut“ verzichtet er sogar – so etwa auf die Vergrößerung der Videos vom Kollaps der Gebäude, bei denen kleine Explosionen zu erkennen waren. Dafür widmet er sich diesmal intensiver dem Einsturz des WTC 7, einem Nebengebäude der beiden Haupttürme. Seiner Meinung nach hätten die Feuer in verschiedenen Stockwerken nicht für einen Kollaps ausgereicht. Bei der Bewertung der Hitze der Feuer wird zudem ein ungeschickter Fehler korrigiert: Avery hatte sich auf den Schmelzpunkt des Stahls von etwa 1200 Grad berufen, den die Feuer in den beiden Türmen gar nicht erreicht hätten. Dass der Stahl jedoch schon bei 600 Grad Celsius die Hälfte seiner Stabilität verliert, wusste er damals offenbar noch nicht.
Das Spannendste hebt sich Avery für den Schluss auf. Im dritten Akt beleuchtet er die offiziellen Ermittlungen von Kommissionen der US-Regierung, die erst 18 Monate nach dem Ereignis mit ihren Nachforschungen begannen. Er kritisiert das Budget von nur drei Millionen Dollar, obgleich die Untersuchung der Clinton-Affäre 40 Millionen Dollar gekostet haben. Damit nennt er den Kern seiner Anklage: Es wurden bei den Untersuchungen zu wenig nachgehakt und insgesamt blieben zu viele offene Fragen unbeantwortet.
Der Qualität von „Loose Change: Final Cut“ sieht man das – für eine Amateurproduktion beachtliche - 200.000-Dollar-Budget jederzeit an. Wegen der höheren Kosten ist die Dokumentation nun auch nur gegen Gebühr zu haben. Die Unterschiede zu den Vorgänger-Versionen sind formal und inhaltlich beachtenswert, im Grunde wurde hier ein komplett neuer Film auf die Beine gestellt. Dass dabei jedoch abermals Teile der Verschwörungstheorie verschwanden, spricht für sich: Offenbar ist vieles mittlerweile unhaltbar, beziehungsweise klar widerlegt.
Fazit: Im Ganzen ist „Loose Change: Final Cut“ abermals eine interessante Dokumentation über den 11. September. Die Verschwörungstheorien werden diesmal deutlich seriöser und auch weniger aufdringlich präsentiert. Der Aufbau ist zwar stringenter, aber auch deutlich unspektakulärer. So ist der „Final Cut“ die erwachsen gewordene Version von „Loose Change“, der sich damit aber einen Teil seiner eigene Faszination raubt: Nämlich seine Theorien möglichst glaubhaft und aufregend zu verkaufen. Statt spektakulär zu investigieren, dümpelt der Film nun streckenweise vor sich hin.