Innerhalb der Erkenntnistheorie, einem der Grundpfeiler der Philosophie, gibt es die Position des Fallibilismus, die besagt, dass bei jeder Überzeugung - und sei sie noch so gerechtfertigt - ein möglicher Irrtum nicht ausschlossen werden kann. Dieses Infragestellen aller angenommenen Wahrheiten (und die Traktate Wittgensteins) stehen im Mittelpunkt einer Rede des Mathematikprofessors Arthur Seldom, die den Kriminalfilm „The Oxford Murders“ eröffnet. Ein erstaunlicher Einstieg - gilt doch gerade in diesem Genre die Regel, dass es eigentlich immer eine „richtige“ Auflösung des dargestellten kriminalistischen Falles geben muss. Wie in der literarischen Vorlage „Die Pythagoras-Morde“ von Guillermo Martinez spielen auch in der Verfilmung von Regisseur Álex de la Iglesia philosophische und mathematische Theoriediskussionen eine große Rolle und drängen die eigentliche Krimistory bisweilen in den Hintergrund. Doch trotz der ansprechenden Verquickung von Theoremen und Kriminalversatzstücken hinterlässt die Verfilmung vor allem aufgrund der teils unglücklichen Schauspielerauswahl nur einen durchwachsenen Eindruck.
Der amerikanische Student Martin (Elijah Wood) ist gerade in Oxford eingetroffen, um sein Auslandssemester zu beginnen. Untergebracht ist er im Haus von Mrs. Eagleton (Anna Massey), einer alten Freundin des Mathematikprofessors Arthur Seldom (John Hurt), der die Theorie vertritt, dass keine endgültige Wahrheit existiert. Als Martin zusammen mit der Mathematikkoryphäe, die er sehr verehrt und zu gerne als Doktorvater gewinnen würde, die Leiche von Mrs. Eagleton auffindet, beginnt für die beiden Mathematiker die Entschlüsselung einer Symbolreihe (Dan Browns The Da Vinci Code – Sakrileg lässt grüßen), welche mit dem Mord in direktem Zusammenhang steht. Tötet der Mörder am Ende nur, um Seldoms Intellekt herauszufordern?
Regisseur Álex de la Iglesia („El Dia De La Bestia“, „Allein unter Nachbarn“, „Ein ferpektes Verbrechen“, 800 Bullets) hält sich bei seiner Verfilmung eng an den Roman von Guillermo Martinez, der selbst einen Teil seiner Doktorandenzeit in Oxford verbrachte. Wer sich ohnehin etwas in der Mathematik auskennt und für den Wittgesteins Theorien, Gödels Unvollständigkeitstheorem sowie die Fibonacciformel keine böhmischen Dörfer sind, wird die sich immer wieder in den Vordergrund drängenden philosophischen Diskussionen wohl eher zum Gähnen finden. Für alle anderen - ein Quäntchen Interesse vorausgesetzt - stellen sie hingegen einen durchaus unterhaltsam gestalteten, leicht verdaulichen Einblick in die Welt der alles beherrschenden Zahlen und Theoreme und eine nette Ablenkung von der recht traditionell ausfallenden Krimihandlung dar. Zumal sich der Spannungsfaktor der eigentlichen Geschichte um eine Mordserie ansonsten in überschaubaren Dimensionen bewegt.
Es erweist sich als Glücksfall, dass an Originalschauplätzen in Oxford gedreht wurde, einer einfach fantastischen Kulisse für ein Kriminalstück in der Tradition Agatha Christies. Auch was die Kameraführung angeht, bleibt nichts zu bemängeln, alles läuft in sehr routinierten Bahnen ab. Wirklich gelungen ist eine Szene, in der alle für die Handlung relevanten Personen nacheinander von einer scheinbar fliegenden Kamera verfolgt werden. Leider bleibt es dann aber auch bei diesem einen visuell-verspielten Glanzpunkt.
Was die schauspielerischen Leistungen angeht, hinterlässt „The Oxford Murders“ ein überaus uneinheitliches Bild. John Hurt (Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels, Contact) passt perfekt in seine Rolle und gibt einen ebenso charismatischen wie egozentrischen Professor ab. Elijah Wood (Herr der Ringe, Hooligans) ist hingegen eine Fehlbesetzung. Zwar gelingt es ihm, die Sympathien des Publikums zu gewinnen, schafft es aber dennoch nicht, die Rolle des umschwärmten, zielstrebigen Mathematikstudenten glaubhaft zu verkörpern. Gerade in den zahlreichen Zwiegesprächen der beiden zentralen Figuren wird deutlich, dass Wood im direkten Vergleich mit dem routiniert aufspielenden Hurt regelmäßig den Kürzeren zieht. Während Leonor Watling (La Mala Education, Sprich mit ihr) als resolute Krankenschwester und Krimifanatikerin Lorna noch einen ordentlichen Eindruck hinterlässt, verfallen Julie Cox (Almost Heaven) als Beth, der Tochter von Mrs. Eagleton, sowie Burn Goman (Die Gebrüder Weihnachtsmann), der in seiner Rolle als russischer Austauschstudent Podorov zu einer reinen Witzfigur verkommt, hemmungslosem Overacting.
Das größte Problem sind aber die beiden Liebesbeziehungen, die einfach nicht funktionieren wollen und schließlich gar in lächerlichen Bettszenen münden. Zum einen nimmt man Wood den Womanizer nur schwerlich ab, so dass es unverständlich bleibt, wieso sich sowohl Lorna als auch Beth um ihn reißen. Zum anderen stimmt die Chemie zwischen Lorna-Aktrice Leonor Watling und Elijah Wood überhaupt nicht. Nebenbei erscheint es auch unsinnig, Beth, die in der literarischen Vorlage noch die Enkelin von Mrs. Eagleton und damit im gleichen Alter wie Martin war, nun zur Tochter des ersten Mordopfers zu machen und damit auch noch eine Alterskluft zwischen ihr und dem Protagonisten aufzubauen.
Fazit: „The Oxford Murders“ ist ein konventioneller Krimi, der optisch einwandfrei daherkommt und mit leichtverdaulichen philosophischen und mathematischen Theoriediskussionen aufgewertet wird. Allerdings trüben teilweise enttäusche Darstellerleistungen den Gesamteindruck.