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    Vacationland
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Vacationland
    Von Christian Horn

    Todd Verow, amerikanischer Independentfilmer und Ikone des Queer Cinema, wurde auf dem ersten „Porn Film Festival Berlin“ vergangenes Jahr eine Retrospektive gewidmet. Sein letzter Film „Vacationland“ bietet zwar einige kurze pornographische Einblicke, erzählt aber in erster Linie bodenständig, ohne kontroverse Aufnahmen oder schwer verdaubare Psychogramme. Verow begibt sich mit dem Film zurück in seine eigene Jugend und transportiert viele biographische Einfärbungen in das weitgehend trostlose Beziehungsdrama. Leider gelingt es dem Film nicht, den Zuschauer über die ganze Spielzeit für sich zu gewinnen, da – erstens – der Handlungsverlauf zu konstruiert wirkt und – zweitens – sowohl die Performances der Darsteller als auch die ästhetische Umsetzung zu fad geraten sind.

    Die Geschichte spielt, angesiedelt in den 80er Jahren, im amerikanischen Bundesstaat Maine, der sich „Vacationland“ nennt und aus Romanen von Stephen King bekannt ist. Die beiden Protagonisten Joe und Andrew leben in der trostlosen Kleinstadt Bangor, in der auch Todd Verow aufgewachsen ist. Der Regisseur schildert seine Erinnerungen an die Nachbarschaft mit folgenden Worten: „Eine Frau erstickte ihr Baby, weil sie glaubte, es sei der Anti-Christ. […] Dann gab es einen Typen, der seine Wohnung abfackelte, weil seine Familie ihn im Fernsehen nicht seine liebste Weihnachtsendung sehen lassen wollte – und dann ist das natürlich die logischste Reaktion. Es gab auch eine Frau, die brachte ihren Mann um und zerlegte ihn anschließend in 15 Einzelteile – ‚nur um sicherzugehen’. […] Auf eine seltsame Weise gab mir all dies das Gefühl, dass in dieser Welt einfach alles möglich wäre.“

    Verow filmt das Leben der zwei besten Freunde Joe und Andrew, die sich an der Schwelle zum Erwachsenwerden befinden, in einer ähnlich feindlichen, beinahe morbiden Umgebung. Joe (Brad Hallowell) wird von dem Wunsch getrieben, seine langweilige und kleinbürgerliche, zudem homophobe Heimatstadt Bangor so schnell wie möglich zu verlassen, um Kunst studieren zu gehen. Und von der heimlichen Liebe zu seinem besten Freund Andrew (Greg Lucas), welcher diese Zuneigung im Verlauf des Films zu erwidern beginnt. Nachdem die beiden zögerlich zueinander gefunden haben, müssen sie sich nur noch gegen Spießer und ihre beiden Freundinnen durchsetzen.

    Mit „Vacationland“ ist Todd Verow (bedauerlicherweise) im Mainstream angekommen, obwohl er nach wie vor überaus „independent“ arbeitet, indem er Kamera, Regie und Schnitt in Personalunion übernimmt, am Buch mitschreibt und mit seiner eigenen Firma produziert. Das Insert „ein Film von Todd Verow“ zu Beginn des Films hat er sich also durch eine als solche beachtliche Leistung erworben. Das alleine macht allerdings noch keinen guten Film. Bei „Vacationland“ hapert es zum Beispiel am gewöhnungsbedürftigen Spiel der Hauptdarsteller, und – in viel höherem Maße – an seinem unstimmigen stilistischen Entwurf: Die Ästhetik ist einerseits gefällig, leicht konsumierbar also, und andererseits sehr minimalistisch und spröde. Zusammen genommen mit der Handlung pendelt „Vacationland“ zwischen Mainstream und Underground; zu sperrig für einen guten Unterhaltungsfilm, zu banal für einen gelungenen Kunstfilm. Die eben erwähnte Story gibt dem Film in diesem Zusammenhang letztlich den Rest: während Joe und Andrew sich näher kommen, erleben die (Noch-)Freundinnen der beiden jungen Männer denselben Prozess – fertig ist ein doppeltes, arg konstruiert wirkendes Coming Out.

    Klischeehafte Einfälle, wie der Umstand, dass Andrew Anführer des Footballteams und seine Freundin diejenige der Cheerleader ist, wirken ärgerlich, da sie in keiner Weise ironisch gebrochen werden. Allenfalls im Kontext der anderen Filme Verows, etwa dem gelungenen „Anonymus“, kann der Zuschauer eine gewisse Ironie in der Geschichte erahnen; für solche Hintergründigkeiten und doppelten Böden ist „Vacationland“ aber zu genügsam und fordert den Zuschauer viel zu wenig heraus. Andererseits gelingt es Verow trotzdem, den ein oder anderen starken Moment aus seinem inszenatorischen Wust heraus zu bröseln: Zwischen der gelungenen Einstiegssequenz, die sehr nah an die Figuren gelangt und Erinnerungen an Motive aus „Anonymus“ weckt, und der stimmigen, interessant fotografierten Schlusssequenz finden sich eine Handvoll ähnlich intensiver und atmosphärisch dichter Szenen, die etwas vom „alten“ Verow hervor scheinen lassen. Doch allein auf weiter Flur können auch diese Einschübe das Ruder nicht herum reißen.

    „Vacationland“ ist das subjektiv gefärbte, beiläufige Porträt einer provinziellen Kleinstadt und die erotisch aufgeladene Tragikomödie eines Coming Outs, aber nichts von beidem richtig und vor allem nichts wirklich überzeugend. Einige originelle Ideen werden von allzu gefälligen Passagen überschattet, deren Spagat zwischen Mainstream und Underground in kein harmonisches, heterogenes Gesamtbild mündet. Mit Blick auf das bisherige Werk Todd Verows ein regelrechter Tiefpunkt – nichts Halbes und nichts Ganzes.

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