1999 haben Daniel Myrick und Eduardo Sánchez mit ihrem Blair Witch Project den Stein ins Rollen gebracht. Der dokumentarisch angehauchte Horrorfilm war geboren. Es folgten lose von realen Geschehnissen inspirierte Streifen wie Open Water, Open Water 2, Black Water oder die erste Dreiviertelstunde von Wolf Creek. Nun springt Jonathan Hensleigh mit seinem „Cannibals – Welcome To The Jungle“ auf diesen Zug auf – auch wenn seine Story nicht auf wahren Ereignissen basiert. Dabei haben alle diese Filme gemeinsam, dass die Protagonisten in extremen Situationen anfangen, nervigen Mist zu labern. Was diese Genre-üblichen Passagen angeht, versucht Hensleigh (The Punisher) nun neue, satirisch angereicherte Wege zu beschreiten. Allerdings kommt der Horror dabei insgesamt reichlich kurz.
„Menschen verschwinden jeden Tag. Aber nicht der Sohn des Vizepräsidenten der Vereinigten Staaten. Und nicht in Kannibalen-Territorium.“
1961 verschwindet Michael Rockefeller, der Sohn des US-Vizepräsidenten, im Dschungel Neuguineas. Es beginnt eine der größten Suchaktionen der Geschichte. Die berühmte Familie setzt eine hohe Belohnung aus. In den folgenden Jahren wurde der Verschollene angeblich immer wieder gesichtet. Die Gerüchte, Rockefeller lebe noch immer im Dschungel, brodeln auch heute noch in regelmäßigen Abständen hoch. Als zwei auf Fidschi urlaubende Paare von der Sache Wind bekommen, beschließen sie, sich auf die Suche zu machen. Während Colby (Callard Harris) und Mandi (Sandy Gardiner) sich voll in das Projekt reinknien, begreifen Mikey (Nick Richey) und Bijou (Veronica Sywak) die Reise als harmlose Freizeitgestaltung – sie lassen sich die Hucke volllaufen und machen die Nächte durch. Schnell hinkt die Truppe der ursprünglichen Planung einige Tage hinterher. Schließlich kommt es zur Spaltung. Und dann tauchen am Ufer gespenstisch angepinselte Gestalten auf...
Das Konzept ist in etwa das Gleiche wie beim Blair Witch Project. Der Zuschauer bekommt jene Kameraaufnahmen vorgesetzt, die die Protagonisten während ihrer fatalen Dschungel-Safari angeblich selbst gemacht haben. Dabei verzichtet Hensleigh allerdings nicht komplett auf eine Inszenierung. Zu Beginn sind die Dialoge durchaus in Schnitt-Gegenschnitt-Manier editiert, der komplett nachbearbeitungsfreie Stil setzt erst später im Dschungel ein, wo er geschickt dazu benutzt wird, gewisse (blutrünstige) Geschehnisse im Dunkeln zu belassen. Der größte Fortschritt im Vergleich zur 1999er Hexenjagd ist die Auflösung der Handkameras. Wo die Bilder damals noch Erinnerungen an billige Home-Videos weckten, sehen die Aufnahmen Neuguineas nun richtig gut aus und sorgen nicht mehr für Migräne-Attacken.
„Wir sollten nicht so arrogant sein und die Intelligenz der Einheimischen unterschätzen!“, wirft Bijou in einer Diskussion ein. Die anderen lachen.
Zu Beginn wirkt „Cannibals“ ein wenig wie eine MTV-Reality-Dating-Show. Gutaussehende Sportlertypen sinnieren vor der Kamera über Sex, Hintern und Rollenspiele. Diese „hippe“ US-Generation zieht Hensleigh in den folgenden 40 Minuten genüsslich durch den Kakao. Sind die vier Hipsters nämlich erst einmal ihrer gewohnten Party-Umgebung verlustig gegangen und in Neuguinea gelandet, werden sie recht schnell als arrogante Naivlinge entlarvt, die vor nichts Respekt, aber auch von nichts eine Ahnung haben. Gerade haben sie in einem Reiseführer eine Warnung gelesen, dass Banditen häufig Kinder auf der Straße platzieren, um die stoppenden Touristen zu überfallen, prompt sitzt vor ihnen ein kleines Kind mit seiner Mutter mitten auf der Straße. Die folgende kurze Diskussion, ob man nun anhalten sollte oder nicht – immerhin steht im Führer ja nichts von einer dabeisitzenden Mutter -, ist wunderbar bissig. Auch in der ersten Nacht ergibt sich ein amüsantes Aufeinandertreffen. Während sich die Tweens in der abgeschiedenen Jungle-Einsamkeit wähnen, treten plötzlich aus dem Gebüsch zwei Missionare an sie heran. Und die Abenteuer-Kids haben nichts besseres zu tun, als zu versuchen, das Christen-Pärchen zum Gruppensex zu überreden.
„Dies ist der gefährlichste Ort in der Welt – außerhalb des Irak.“ – Mandi
Sobald sich die vier Abenteurer dann alleine durch den Dschungel schlagen, setzen die üblichen gruppendynamischen Prozesse ein. Machtspiele und Streitereien stehen fortan auf der Tagesordnung. Dies ist nicht annähernd so bissig wie das zuvor Gesehene, erweist sich sogar als eher nervig. Erst gute 20 Minuten vor dem Ende tritt der erste Wilde auf den Plan. Langsam trotten die „Kannibalen“ neben dem Floß am Ufer her – bis es zur ersten blutigen Konfrontation kommt. Auch wenn Hansleigh dabei einige splattrige Effekte präsentiert, resultiert die Spannung in erster Linie aus dem, was man nicht zu sehen bekommt. Konsequent wird der Überlebenskampf der Protagonisten immer wieder aus dem Fokus der Kamera verdrängt, stattdessen werden dem Publikum nichtssagende Sträucher oder verwackelte Aufnahmen des Bodens vorgesetzt. Allerdings dürfte dieses geschickt mit Erwartungen spielende Vorgehen und das abrupte Rollen des Abspanns ein Großteil der Zuschauer, die „Cannibals“ in der Hoffnung auf einen Horrorfilm der etwas härteren Gangart in den DVD-Player gelegt haben, unbefriedigt zurücklassen.
Fazit: „Cannibals – Welcome To The Jungle“ ist als Blair Witch Project-meets-„Cannibal Holocaust“-Projekt mit satirischem Touch durchaus interessant. Auf Grund der langen Einführung und dem im Vergleich kurzen Finale ist der Film für den typischen Horror-DVD-Abend jedoch nur sehr bedingt empfehlenswert.