Der Volksmund und Werbeanzeigen für Brautmoden bezeichnen den Tag der Heirat noch immer als „schönsten Tag im Leben einer Frau“. Dass es aber ganz anders kommen kann, zeigen immer wieder Kinofilme, die Hochzeitsfestivitäten gerne auch mal in einer Aneinanderreihung von kleinen und größeren Katastrophen münden lassen. Doch so abgründig wie in der polnischen Tragikomödie „Eine Hochzeit und andere Kuriositäten“ ist eine Leinwandtrauung bisher wohl nur selten verlaufen: Regisseur und Drehbuchautor Wojtek Smarzowski tritt 109 Minuten lang ohne Rücksicht auf Verluste und mit solcher Wucht auf „seine“ Hochzeitsgäste ein, dass man ihm ein schweres Kindheitstrauma unterstellen möchte. Weil sich die Fehlschläge im Verlauf des Films jedoch kaum steigern, sondern auf dem gleichen Schadenfreudeniveau vor sich hinplätschern, geht den Gemeinheiten irgendwann die Luft aus.
Wojner (Marian Dziedziel) ist ein wohlhabender Unternehmer aus der polnischen Provinz. Als seine Tochter Kaska (Tamara Arciuch-Szyc) heiratet, lässt es sich der Brautvater daher nicht nehmen, ein stattliches Hochzeitsfest auszurichten. Zum einen plant Wojner, den zahlreichen Gästen so seinen Wohlstand unter die Nase reiben, zum anderen will sich der Knauserer die Nummer aber auch möglichst wenig kosten lassen. Daher wurde der Wodka billig importiert und das Hochzeitsgeschenk, ein brandneuer Audi TT, ist Hehlerware aus Deutschland. Irgendwann entwickeln die Mauscheleien jedoch ein fatales Eigenleben – Polizisten, die Gesundheitsbehörde und eine Schlägertruppe bringen Wojner von einer Bredouille in die nächste. Unterdessen erkennt Kaska in dem Kameramann, der für das Hochzeitsvideo zuständig ist, ihren Ex-Freund Mateusz (Maciej Stuhr) wieder. Der Schnaps fließt in Strömen, schon weit vor Mitternacht kann sich keiner der Gäste mehr gerade auf den Beinen halten, die Führerscheine werden gleich dutzendweise eingezogen und im Kontrabasskoffer rottet eine Leiche vor sich hin…
„Wodka ist zum saufen und nicht zum gut schmecken!“ – In „Eine Hochzeit und andere Kuriositäten“ ist dieser Trinkspruch Programm: Selten wurde in einem einzigen Film soviel Hochprozentiges weggekippt. Doch dies ist nicht das einzige Vorurteil gegenüber der polnischen Mittelschicht, das Smarzowski für seine Hochzeitsvendetta hemmungslos ausschlachtet. Auch das pathologische Gemauschel, das man unseren östlichen Nachbarn so häufig nachsagt, wird pointiert entlarvt – für jeden winzigen Gefallen fließt gleich Kohle, selbst der Pfarrer verlangt für Kleinigkeiten eine Spende. Im Vordergrund stehen ganz offensichtlich das Saufen und das Geradebiegen der vielen krummen Geschäfte, gefeiert wird nur nebenbei. Am Ende der chaotischen Nacht gibt es keine wirklichen Gewinner: Ehen sind zerbrochen, Familienbande zersprengt, Schädel eingeschlagen – die Folge ist ein Kater, der sich kaum mit ein paar eingelegten Heringen vertreiben lassen wird.
So weit, so gut – Smarzowski bietet einen ungeschönten, dunkelschwarzen, zynischen Blick auf die polnische Saufprovinz. Dennoch will das Konzept schlussendlich nicht vollends aufgehen. Um richtig auf das Hochzeitsmassaker anzuspringen, fehlt dem Zuschauer bei all dem elendigen Gesaufe, Gefluche und Rumgemache einfach eine erträgliche Identifikationsfigur. Positive Charaktere sucht man vergebens und selbst die weniger abgefuckten Persönlichkeiten würde man wohl nur ungerne zu seiner eigenen Trauung einladen. Auch der Spannungsbogen offenbart Schwächen: Bereits nach der Hälfte der Spielzeit ist ein Finger abgeschossen, sitzt auf der verdreckten Toilette ein Toter und die verlogene Partygesellschaft ist durchschaut. Was soll da noch kommen, fragt sich das Publikum? Die Antwort bleibt der Film leider schuldig: Am Schluss macht sich das Gefühl breit, dass die boshaften Offenbarungen im zweiten Abschnitt weit weniger „heftig“ als die in der ersten Hälfte der Spielzeit waren. Die dringend nötige Steigerung der Katastrophen bleibt aus.
Fazit: Mit Durchschlagskraft und Ausdauer zerlegt Wojtek Smorzowski die rissige Fassade der großbürgerlichen Hochzeitsgesellschaft in klitzekleine Teile, um sie dann mit einem letzten Rest Wut schließlich zu Staub zu zermahlen. Dabei fehlen „Eine Hochzeit und andere Kuriositäten“ aber eine Identifikationsfigur und eine anständige Fallhöhe – so bleiben Längen und Wiederholungen leider nicht aus.