„Deutschland, das sind wir selber.“ Der gute Herr Heinrich Heine war mit dieser Erkenntnis sicher einigen Leuten voraus. Und so wie es im Moment aussieht, geht es Deutschland - und somit uns - zurzeit nicht besonders gut: Massenarbeitslosigkeit, ein wackelndes Gesundheitssystem und steigende Lebenshaltungskosten- da stecken viele gleich den Kopf in den Sand und warten, dass die Welt um sie herum von selbst wie Phönix aus der Asche aufersteht. Doch wenn sich wirklich was tun soll, dann bedeutet das Anpacken und die Welt Stück für Stück zu einem besseren Ort machen. „Weltverbesserungsmaßnahmen“ hält der Gesellschaft in acht kurzen Episoden den Satire-Spiegel vor. Frei nach dem Motto: „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg“ erzählt das Regisseur-Duo Jörn Hintzer und Jakob Hüfner acht nette Geschichten von Eigenbrötlern, die mit ihren absurden Ideen die Welt zu einem besseren Ort machen wollen. Leider bleibt der Film satirisch an der Oberfläche und teilt nur sachte ein paar Seitenhiebe aus. Komisch sind die Geschichten aber trotzdem. Zwar ist aus „Weltverbesserungsmaßnahmen“ keine bitterböse Satire geworden, aber als kurzweilige Unterhaltung für eine laue Sommernacht eignet sich der Film allemal.
Deutschland geht es schlecht- wirtschaftlich, sozial und politisch sind wir am Boden und das Volk sieht einfach dabei zu. Doch halt, nicht alle schwimmen mit dem Strom und warten auf bessere Zeiten. Ein paar einsame Querdenker verbessern die Welt mit ihren ganz eigenen Mitteln. Wie wäre es zum Beispiel, wenn endlich der gesamte Rushhour-Stress ein Ende hätte? Für einen stressfreien Straßenverkehr steht die Initiative Ampel e.V., die mit Selbsterkenntnis vermitteln möchte, dass die Autoschlangen im Vorabendverkehr in sich einen lebenden Organismus darstellen. Wer sich lieber zu Fuß fortbewegt, für den gäbe es die „gelebte Demokratie“ in der die gesamte Bevölkerung mithilfe von Plateauschuhen auf die Optimalgröße von 1,90 Meter gestreckt wird. Auch an die Ästheten unter uns ist gedacht. Wer will, der kann sich Götz Bechstein (Christoph Bach) anschließen und die Autos auf öffentlichen Parkplätzen nach Farben sortieren. Das schmeichelt dem Harmoniebedürfnis. Für die Hobbyärzte gäbe es wahlweise die erste „aktive Versicherung“, in der die Versicherten, egal ob Automechaniker oder Koch, sich gegenseitig behandeln, notfalls auch mit Schere und Skalpell. Gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlägt die Leihgeschwister-Initiative. Erstes Problem: Die Geburtenrate sinkt stetig, immer mehr Einzelkinder verkommen zu arroganten Raufbolden, denn sie haben nie gelernt zu teilen. Zweites Problem: Die Arbeitslosenzahl nimmt weiter zu und viele schwer vermittelbare Fälle landen auf der Straße. Der 35-jährige Martin (Jan Schütte) ist einer von diesen schwierigen Langzeitarbeitslosen und macht kurzerhand bei einer Umschulung zum „Leihbruder“ mit. Als neuer Bruder des kleinen Jonas (Alban Hansen), eines dieser verzogenen Einzelkindern, bringt er neuen Wind in die Familie und Jonas lernt endlich brüderlich zu teilen. Siehe da, schon sind zwei Probleme auf einmal gelöst: Die Arbeitslosen arbeiten als Leihgeschwister, die Einzelkinder werden gut erzogen. Was lernen wir daraus: Wenn man ein wenig nachdenkt und sich zu radikalen Veränderungen entschließt, dann kann aus unserer Welt doch noch ein besserer Ort werden.
In acht Schritten zu einer besseren Welt- das klingt zu gut, um wahr zu sein. Mit ihren kleinen Geschichten gelingt dies dem Regie-Duo Hüfner/Hintzer leider nur bedingt. Zwar sind einige der acht Episoden wirklich ordentliche Satiren, doch leider bleibt der Rest des Films dabei auf der Strecke. Die Ideen hätten einen 20-Minuten-Kurzfilm meisterhaft gefüllt, reichen aber nicht für eine Satire in Spielfilmlänge. Während einige Episoden, wie zum Beispiel „Der sorbische Euro“, unnötig in die Länge gezogen werden, bleiben andere als bloße Lückenfüller nur im Hauch angedacht. Mit einem Augenzwinkern weißt der Film auf unser allgegenwärtige wirtschaftliche und soziale Misere hin, hat aber nicht genügend Biss, um als Satire zu wirken. Bei der diesjährigen Berlinale fielen dem entsprechend die Meinungen ziemlich geteilt aus. Sicher hat „Weltverbesserungsmaßnahmen“ die ein oder andere gelungene Szene und die Grundidee des Films begeistert auf Anhieb, doch wie schon so oft liegen Idee und Umsetzung meilenweit auseinander. Anstatt viel Experimentierfreude zu zeigen, halten sich Regieneulinge Jakob Hüfner und Jörn Hintzer an die mehr oder weniger festen Dogmen der Pseudo-Dokumentation. Ein paar „Expertenmeinungen“, verwackeltet Bilder, unscharfe und lange Aufnahmen - die Stilmittel kennt das Kinopublikum schon zur Genüge. Nach den ersten zwei Episoden ist klar, dass die Filmchen im Film immer dem selben Muster folgen und Langeweile macht sich breit. Einzige Ausnahme bleibt die letzte Geschichte. Das „Outdoor-Büro“ zeigt, dass die beiden Regisseure doch einiges mehr gekonnt hätten. Ganz im Stil eines Fotoromans geschossen, ist die Schluss-Episode ästhetisch gesehen die beste. Wer seine Ansprüche etwas herunterschraubt, wird aber trotzdem gut unterhalten, denn einige Episoden nehmen unsere Gesellschaft köstlich aufs Korn, auch wenn die Satire dabei etwas zu kurz kommt.
Bei der Besetzung griffen Hüfner und Hintzer sowohl auf Laiendarsteller als auch auf Profis zurück. So erzielten sie eine gelungene Mischung aus neuen und alten Gesichtern, die durch die Bank weg solide Leistungen abliefern. Peter Berning ist als Experte Johannes Schleede in allen Episoden mit von der Partie, der Rest der Truppe wechselt in jeder Geschichte. Samuel Finzi, bekannt aus „Tatort“ und „Bella Block“, und Harald Schrott („Tatort“, „Donna Leon“, „Schimanski“) gehören zu den etwas berühmteren Gesichtern des Films. Obwohl die meisten Schauspieler Amateure sind, haben Hüfner und Hintzer die eher unerfahrene Truppe zu ordentlichen Leistungen animiert. Das sollten ihnen gutgeschrieben werden. Die Idee zu „Weltverbesserungsmaßnahmen“ ist aus dem Internet-Experiment „Datenstrudel“ entstanden. Das digitale Produktionsprojekt wurde im November 2000 von experimentierfreudigen Künstlern, Filmemachern, Fotografen und Autoren (darunter auch Jörn Hintzer und Jakob Hüfner) ins Leben gerufen und verstand sich als Plattform für eine monatliche Live-Streaming-Show im Netz, die künstlerische Möglichkeiten neu ausloten sollte. Neben diesen Videos gab es auch die Rubrik „WVM“ (Weltverbesserungsmaßnahmen), in der zunächst alle künstlerischen Aktivitäten gesammelt wurden, die eben nicht im Internet, sondern in der realen Welt zu verwirklichen wären. Unter dem Label „Datenstrudel“ entstanden auch Arbeiten für das ehemalige „Jetzt“-Magazin der Süddeutschen Zeitung. Diese medienübergreifende Arbeit führte letztendlich zur Idee aus „WVM“ einen Kinofilm zu machen.
„Weltverbesserungsmaßnahmen“ ist ein junges, freches, innovatives Filmprojekt, dem es trotz guter Ideen am nötigen Biss mangelt. Etwas in die Länge gezogen bietet der Film aber dennoch kurzweilig-spaßige Unterhaltung, die zwar die heutigen Missstände nicht satirisch anprangert, allerdings mit einem Augenzwinkern betrachtet. Schade nur, dass die Umsetzung teilweise nicht überzeugen kann. Auch wenn der Film die Welt nicht verbessern wird, für ein paar unterhaltsame Stunden wird er trotzdem sorgen. Und für alle wahren Weltverbesserer noch ein Tipp: Die Homepage des Films (http://www.weltverbesserungsmassnahmen.de) ist mindest genauso unterhaltsam wie der Film selbst. Hier darf jeder seinen ganz persönlichen Vorschlag für eine bessere Welt posten und dann von anderen bewerten lassen. Hoffen wir, dass auch unsere Politiker mal auf dieser Seite vorbeischauen! In diesem Sinne: Viel Spaß beim Weltverbessern!
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