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    Sabah
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Sabah
    Von Christoph Petersen

    Heute, wo Emigration zu einer immer größeren Herausforderung wird, auf der anderen Seite für westliche Nationen in Zeiten von Geburtenrückgang und Überalterung aber auch eine absolute Notwendigkeit ist, hat nahezu jedes Land seine eigenen inter-kulturellen Differenzen. Und seit dem überragenden Erfolg von My Big Fat Greek Wedding erfahren diese Culture Clashs auch immer häufiger eine filmische Umsetzung: So zum Beispiel in Mambo Italiano um schwule Italiener in den USA oder als Trash-TV-Version in ProSiebens „Meine verrückte türkische Hochzeit“. Auch „Sabah“, dessen Thema das Leben von Muslimen in Toronto ist, fährt auf dieser Schiene, begnügt sich aber nicht mit überzeichneten Karikaturen, sondern geht sein Sujet trotz vordergründiger Unterhaltung mit einer großen Ernsthaftigkeit an – das macht ihn aber nur noch sympathischer.

    Sabah (Arsinée Khanian), eine vierzigjährige, unverheiratete Muslimin, lebt mit ihren beiden Schwestern und ihrer kranken Mutter Um Mohammed (Setta Keshishian) alleine in Toronto. Unter den strengen Blicken ihres konservativen Bruders Majid (Jeff Seymour, The Dark Hours) ist es ihr kaum möglich, ein Leben außerhalb der Familie zu führen. Als Sabah zum Geburtstag ein Foto geschenkt bekommt, auf dem sie beim Schwimmen mit ihrem Vater zu sehen ist, traut sie sich am nächsten Tag in eine Badeanstalt. Dort begegnet sie dem geschiedenen Stephen (Shawn Doyle, Frequency), der sie schnell zu einem Kaffee einlädt. Aber desto näher sich die beiden kommen, desto größer werden die Probleme. Sabah kann sich nicht vorstellen, ihrer Familie einen Christen als Freund zu präsentieren und Stephen kann mit der ständigen Geheimniskrämerei nicht umgehen. Ihre Liebe droht zu zerbrechen…

    Allein mit der Besetzung von Arsinée Khanian (Wahre Luegen), der Ehefrau des erfolgreichen kanadischen Regisseurs Atom Egoyan, als Sabah hat der Film eigentlich schon gewonnen. So glaubhaft verliebt wie sie, die als Vierzigjährige noch genauso unkontrollierte Kicheranfälle wie ein schwärmender Teenager über sich ergehen lassen muss, hat man lange niemanden mehr auf der Leinwand gesehen – unglaublich süß und unendlich sympathisch. Trotzdem bringt sie auch die Angst und Zerrissenheit so gut rüber, dass ihr Charakter eine für eine Komödie ungewöhnliche Tiefe und Glaubwürdigkeit erlangt – Nia Vardalos wirkt dagegen in My Big Fat Greek Wedding platt wie ein Pfannkuchen.

    Der einzige größere Kritikpunkt, den man gegen „Sabah“ vorbringen muss, ist seine zu eindimensionale Zeichnung der Nebencharaktere. So wird Sabahs Bruder Majid mit seiner strikt konservativen Lebensweise als verblendeter Bösewicht präsentiert, der am Schluss aber, um das Happy End möglich zu machen, viel zu schnell umkippt und eine kaum nachvollziehbare 180-Grad-Wende hinlegt. Und bei Stephen ist die weibliche Phantasie von Regisseurin Ruba Nadda, die auch das Drehbuch selbst verfasst hat, endgültig durchgegangen. Der Schreiner, der gleichzeitig selbstbewusst und einfühlsam, intellektuell und sportlich ist, dabei künstlerische Arbeit mit seinen Händen verrichtet und auf Opernmusik steht, scheint in seiner Perfektion direkt aus einem feuchten Traum entsprungen - ist für den Anspruch, den der Film an sich selbst hat, einfach zuviel des Guten.

    Aus einem anderen Blickwinkel betrachtet, kann man dem Film die Figur des Gutmenschen Stephen aber auch positiv anrechnen: So ist in einem kanadischen Film über syrische Emigranten doch tatsächlich ein Kanadier der klischeehafteste Charakter. Auf die typischen muslimischen Stereotypen weiß „Sabah“ nämlich überraschend konsequent zu verzichten. So lassen sich konservative und progressive, kopftuchtragende und in die Disco gehende, rebellische und sich fügende Musliminnen in der bunten Mischung, die einer Versteifung auf bestimmte Vorurteile geschickt aus dem Wege geht, finden. In diesen differenzierten Umgang mit den Kulturen passt auch wunderbar die Geschichte von Sabahs eher westlich eingestellter Schwester Souhaire: Als ihre Eltern ihr einen Hochzeitskandidaten vorstellen, weiß sie ihn in einer äußerst amüsanten Szene durch gespieltes hardcore-korantreues Verhalten abzuwimmeln – trotzdem verliebt sie sich später in einem Club genau in diesen Freier. So stellt sich der Film klar gegen die fremdbestimmte Ehe, aber nicht, weil die Entscheidungen der Eltern unbedingt falsch seien müssen, sondern weil die Partnerwahl einfach Sache der Kinder sein muss – eine gleichzeitig interessante, aber auch feinfühlige Variante, kritisch mit dem Thema umzugehen.

    Nach einer recht ernstgehaltenen, dafür aber auch nicht allzu langen Einführung der Figuren, fängt der Film zunächst vorsichtig lustig an. Mit der Zeit werden die Lacher immer lauter, bis man sich zuletzt in wirklich jeder Szene mit den Charakteren freut. „Sabah“ ist trotz allem Anspruch in erster Linie ein Feel-Good-Movie und versteckt dies auch nicht. So bleibt er trotz seines überhasteten Endes und der nur selten über Fernsehniveau liegenden Inszenierung, die das Kinovergnügen bei dieser Art von Film aber nur minimal schmälert, auf jeden Fall sehenswert.

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