Un petit baiser – in der französischen Romantik-Komödie „Küss mich bitte!“ dreht sich alles um einen eigentlich harmlosen kleinen Kuss unter Freunden. Der Regisseur und Hauptdarsteller Emmanuel Mouret hat eine bittersüße Geschichte um Liebe, Freundschaft und einen Kuss, der ungeahnte Konsequenzen birgt, auf die Kinoleinwand gezaubert und demonstriert so eindrücklich, dass die einfühlsamsten Liebeskomödien noch immer aus Frankreich kommen.
Zufällig begegnen sich Emilie (Julie Gayet) und Gabriel (Michaël Cohen) eines Abends im französischen Nantes. Obwohl beide in glücklichen Beziehungen stecken, fühlen sie sich zueinander hingezogen. Nach einem gemeinsamen Abendessen möchte sich Gabriel mit einem harmlosen Kuss bei Emilie für den wundervollen Abend bedanken und sich auf diese Weise von ihr verabschieden. Ist ja nichts dabei, schließlich werden sich die beiden ohnehin nie wieder sehen. Doch Emilie verwehrt ihm den Kuss – die Erinnerung an eine Frau und ihren besten Freund, deren gesamtes Leben durch einen einfachen Kuss auf den Kopf gestellt wurde, hindert sie daran, der Versuchung nachzugeben…
Die Handlung von „Küss mich bitte!“ wäre damit weitgehend erschöpft, hätte Mouret nicht die brillante Idee gehabt, seine Aufmerksamkeit der Geschichte in der Geschichte zu widmen. Sie handelt von Julie (Virginie Ledoyen) und Nicolas (Regisseur Emmanuel Mouret), die seit vielen Jahren eng miteinander befreundet sind. Als Nicolas’ Beziehung scheitert, lassen ihn sein Verlangen nach Vertrautheit und körperlicher Nähe bald einen irrwitzigen Entschluss fassen: Weil Prostituierte nicht küssen, Nicolas sich aber so sehr nach einem Kuss sehnt, soll ausgerechnet seine beste Freundin Julie ihm dabei helfen, sein Verlangen zu stillen. Diese willigt ein und die beiden schlafen sogar miteinander. Nicolas ist zunächst einmal geheilt, er verliebt sich in die blonde Câline (Frédérique Bel), alles scheint perfekt. Zumindest solange, bis sich Julie und Nicolas wiedersehen. Die Erinnerung an den Kuss lässt beide nicht mehr los. Doch es gibt zwei Probleme: Câline und Claudio (Stefano Accorsi), Julies Ehemann. Keiner soll durch diese verworrene Beziehungskiste verletzt werden. Deshalb wollen Julie und Nicolas mit einer ausgefeilten Verkupplungsaktion nun Câline und Claudio zusammenbringen. So könnte am Ende jeder glücklich sein…
Emmanuel Mouret bettet die Erzählung um Julie und Nicolas geschickt in die Rahmenhandlung ein. In regelmäßigen Abständen serviert er kleine Häppchen der Geschehnisse in Nantes. Spät in der Nacht lädt Emilie ihre Bekanntschaft Gabriel in ihr Appartement ein, wo den gespannten Zuschauer nur noch eine Frage beschäftigt: Küssen sie sich nun oder nicht? Dieser Spannungsgenerator funktioniert zwar, nur reißt die Rahmenhandlung den Zuschauer immer wieder aus der turbulenten Erzählung um Julie und Nicolas heraus. Die Störungen durch die regelmäßigen Unterbrechungen sind erträglich, wären angesichts der hervorragenden Geschichte in der Geschichte aber nicht unbedingt nötig gewesen. Die entzückend chaotische Beziehung zwischen Julie und Nicolas weiß auch für sich zu fesseln. So gelingt es dem Regisseur, die Sinnlichkeit einer französischen Romanze kongenial mit der Situationskomik amerikanischer Teenager-Komödien zu vereinen. Ein Beispiel: Julie hat Nicolas ihre Hilfe angeboten, beide sitzen nebeneinander auf dem Bett. Allerdings hat die langjährige Freundschaft eine derartige körperliche Distanz zwischen ihnen geschaffen, dass Julie und Nicolas einander mit der Unbeholfenheit pubertierender Jugendlicher annähern: „Darf ich deine Brust streicheln?“, fragt er Julie. „Wenn du willst“, entgegnet sie. Er will, antwortet aber: „Ich will, was du willst.“ Und so geht das ewig weiter. Lacher sind garantiert.
In der zweiten Hälfte schlägt „Küss mich bitte!“ etwas ernsthaftere Töne an. Julie und Nicolas begreifen, welche Folgen ihr vermeintlich harmloser Kuss nach sich zieht. Mouret platziert seine Witze sparsamer und rückt die moralische Zerrissenheit der Protagonisten in den Mittelpunkt. Julie und Nicolas stellen sich ihren Gefühlen und der Tatsache, dass sie einander lieben. Zugleich quält sie die Angst, ihre Partner könnten an der bevorstehenden Trennung zu Grunde gehen. Insbesondere Julie ist nicht in der Lage, sich von ihrem Claudio zu lösen. Ohne den moralischen Holzhammer rauszuholen, wirft Mouret so eine elementare Frage auf: Ist es wirklich vernünftig, das eigene Wohl und damit die Erfüllung eigener Sehnsüchte vor das eines anderen, geliebten Menschen zu stellen? Eine Antwort liefert Mouret nicht, wohl aber erbringt er den Beweis, dass ein Kuss niemals unschuldig sein kann.
Emmanuel Mouret liefert mit „Küss mich bitte!“ seine vierte Regiearbeit und zugleich seinen bisher längsten Film ab. Wie schon in seinen früheren Werken „Vénus Et Fleur“ und „Changement D’ Adresse“, die bisher in Deutschland nicht erschienen sind, übernahm er nicht nur die Rolle des Regisseurs, sondern tritt auch als Schauspieler vor die Kamera. Zudem stammt das Drehbuch ebenfalls aus seiner Feder. Mouret mimt den tollpatschigen Nicolas und spielt sich mit seinem schelmenhaften Charme direkt in die Herzen der Zuschauer. An seiner Seite ist die bezaubernde Virginie Ledoyen (The Beach, 8 Frauen) in der Rolle seiner besten Freundin Julie zu sehen. Ihr gelingt es auf beeindruckende Weise, ihre Figur in einem Moment entzückend naiv und im nächsten sexy und sinnlich wirken zu lassen. Mouret und Ledoyen brillieren auch im Zusammenspiel und positionieren ihr Liebespaar irgendwo zwischen kindlicher Naivität und reifer Begierde. Unterstützung erhalten sie von Julie Gayet (Mein bester Freund) als Emilie und Michaël Cohen ( Them) in der Rolle des Gabriel. Die beiden bilden einen starken Kontrast zu den Hauptfiguren: Julie Gayet tritt als selbstbewusste Karrierefrau im Hosenanzug auf und Michaël Cohen wirkt viel lässiger als der unbeholfene Nicolas. Im Grunde ist diese Kontrastierung aber überflüssig, da Gayet und Cohen als Rahmenfiguren blass und austauschbar bleiben. Das liegt keineswegs an ihren schauspielerischen Leistungen. Vielmehr gesteht ihnen das Drehbuch einfach nicht mehr zu, als die Rahmenhandlung voranzutreiben.
Fazit: „Küss mich bitte!“ entpuppt sich als liebenswerte Beziehungskomödie, die mit viel Humor und Leidenschaft aufwartet und sich damit angenehm von den schwülstigen Kitsch-Komödien Hollywoods abhebt. Nur die Rahmenhandlung wirkt stellenweise unnötig und zum Ende hin etwas konstruiert. Wer sich aber voll auf die geistreiche Geschichte um Julie und Nicolas mit ihren witzigen Dialogen einlässt, bekommt ein charmantes, äußerst kurzweiliges Filmvergnügen serviert.