Sommerliches Sonnengelb oder funktionelles Grau – welcher Teufel die Telekom bei der Farbwahl ihrer neuen, unpersönlichen Telefonsäulen geritten hat, wird wohl für immer hinter den schweren Türen der Vorstand-Büros verborgen bleiben. Dass sich in „Die Quereinsteigerinnen“, einer Low-Budget-Satire der beiden Regisseure Rainer Knepperges und Christian Mrasek, nun zwei Frauen gegen diese Vergrauung des bundesdeutschen Alltags zur Wehr setzen, indem sie spontan den Telekom-Boss entführen, um die Wiedereinführung der ursprünglichen gelben Zellen zu erpressen, dürfte also auf breite Zustimmung im Kinosaal stoßen. Ob der Film selbst ebenso uneingeschränkt positive Reaktionen wie seine Forderung ernten wird, ist hingegen eher fraglich. Zwar ist er vor allem in der ersten Hälfte sympathisch, erfrischend und oft auch urkomisch, leider geht ihm mit fortschreitender Dauer aber gehörig die Luft aus.
Als Chauffeurin Barbara (Nina Poll, Antikörper) Harald Winter (Rainer Knepperges), den Chef eines deutschen Telefonkonzerns, zum Flughafen bringen soll, beschließt sie aus einer Laune heraus, gemeinsam mit ihrer besten Freundin Katja (Claudia Basrawi), den Kerl zu entführen. Ihr Ziel: Die Wiederaufstellung der alten gelben Telefonzellen! In ein einsames Ferienhaus in Schleswig-Holstein geflüchtet, versuchen sie fortan mit Hilfe von Katjas Ex Stefan (Mario Mentrup), Harald an der Flucht zu hindern, ohne dabei irgendeine Form von Gewalt anzuwenden – rein juristisch soll es sich nämlich nicht um eine Entführung handeln. Und tatsächlich, kurze Zeit später steht im nahe gelegenen Dorf eine strahlend gelbe Zelle. Aber warum berichtet die Presse nicht? Wer ist der geheimnisvolle Typ im Supermarkt (ein grandioser Kurzauftritt des Hamburger Kult-Regisseurs Klaus Lemke, „Rocker“), der Barbara Angst einzujagen versucht? Und während sich Harald und Barbara immer näher zu kommen scheinen, zieht sich die Schlinge um den Hals der Helden langsam zu…
In den ersten fünf Minuten des Films fragt man sich schon, was das Ganze eigentlich soll. Vor allem die – positiv ausgedrückt – nostalgische visuelle Ausrichtung und die – positiv ausgedrückt – unbedarften Darsteller wirken zunächst doch sehr verstörend. Aber wenn man den Stil des Films mit seiner Verweigerung gegenüber bis zum Letzten nachvollziehbarer Erklärungen und seinen charmanten Siebziger-Reminiszenzen erst einmal durchschaut hat, muss man ihm doch zumindest eine gewisse innere Stimmigkeit zugestehen. Dabei ist die beschriebene Entführung so etwas wie ein Abbild der Machart des Films. Obwohl die Vorgehensweise der Entführer auf den ersten Blick dilettantisch und amateurhaft – vielleicht sogar ein wenig zufällig – wirkt, geht der Plan im Endeffekt doch auf. Genauso funktioniert schlussendlich auch das formale Konzept „Der Quereinsteigerinnen“, obwohl man es zumindest zu Beginn noch nicht wirklich gutheißen würde.
Dass der Film nicht voll überzeugt, liegt also auf keinen Fall am niedrigen Budget und den damit verbundenen formalen Einschränkungen, sondern hat andere Gründe. Es ist immer gefährlich, einen Film zu machen, der auf einer unschlagbar eingängigen Ausgangsidee beruht. Das Problem ist, dass man als Autor seine wertvolle Idee unbedingt auf neunzig Minuten aufpusten will, auch wenn einem eigentlich nicht genug zusätzlicher Stoff auf gleichwertigem Niveau einfällt. Dass auch „Die Quereinsteigerinnen“ am besten bei einer (leider unvermarktbaren) Länge zwischen 45 Minuten und einer Stunde aufgehoben wäre, merkt man vor allem an der unterschiedlichen Qualität der satirischen Dialoge: Wenn die drei Entführer eine Diskussionsrunde über den genauen Wortlaut ihres Erpresserbriefes einläuten, an der sogar ihr motiviertes Opfer teilnimmt, ist das urkomisch und wunderbar entlarvend. Wenn aber Katja und Barbara vor dem Einschlafen noch über Duzen und Siezen sinnieren, wirkt der Dialog zu gewollt und aufgesetzt. Außerdem kommt dabei wenig Neues heraus, wodurch die beiden sich allzuschnell wiederholen und anfangen, den Zuschauer zu langweilen.
Außerdem muss man auch einen zusätzlichen Tempoverlust in Kauf nehmen, wenn der Film in der zweiten Hälfte von seiner politisch-satirischen Schiene zu einem persönlicheren Ansatz überwechselt. Das offene Ende ist bei dieser nahezu surrealen Entführung natürlich Pflicht. Es verhindert aber auch, dass die aufkeimende Liebesgeschichte zwischen Barbara und Harald sich entwickelt. So gibt es ein dauerndes Hin und Her, dass zwar zunächst noch ausgesprochen charmant daherkommt, irgendwann aber auch sehr ermüdet. Die Debüt-Regisseure Knepperges und Mrasek, die beide ihre Wurzeln in der Filmkritik haben, sind zwei außerordentlich aufregende Filmemacher mit durchaus interessanten Ideen. Und auch, wenn ihre Sparversion von Die fetten Jahre sind vorbei vorerst nur Interessierten der Kölner und Hamburger Kinoszene uneingeschränkt zu empfehlen ist, werden wir hoffentlich trotzdem noch etwas mehr von ihnen hören.