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    Die Blaue Grenze
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Die Blaue Grenze
    Von Björn Helbig

    Das Leben, der Tod, die Liebe und die Einsamkeit sind die großen Themen, derer sich Regisseur Till Franzen in seinem Kinodebüt „Die blaue Grenze“ in aller Bescheidenheit annimmt. Das Ergebnis ist ein poetischer, stimmungsvoller und mystischer Film, der mit viel Liebe zu seinen Figuren und nordischem Humor das Kino liefert, das Deutschland braucht.

    Als Momme Biefs (Antoine Monot jr.) seinen Vater tot in der Küche findet, macht er sich auf nach Flensburg, um seinem Großvater (Joost Siedhoff) die traurige Nachricht zu überbringen. Zu einem Gespräch mit diesem kommt es aber nicht, da der alte Mann noch immer zu sehr unter dem Tod seiner Ehefrau leidet. Momme bringt es nicht übers Herz. Während sein Großvater nach Dänemark flieht, um dort beim Angeln Vergessen zu finden, lernt Momme auf einer seltsamen Party die schöne Dänin Lene (Beate Bille) kennen. Auch Lene hat Angehörige verloren, so dass die beiden sich sofort verbunden fühlen. Die Nacht verbringen sie miteinander – auf der Polizeiwache. Nachdem sie dort vom kauzigen, an eben diesem Tag beurlaubten Kommissar Poulsen (Dominique Horwitz) verhört, morgens aber wieder freigelassen werden (als sich der Irrtum ihrer Verhaftung herausstellt), trennen sich Lenes und Mommes Wege. Denn Lene muss zurück nach Dänemark. Während Momme versucht, ihr nachzureisen, sitzt sein Großvater just vor dem Haus, wo Lene mit ihrer kranken Großmutter lebt, und angelt. Auch der einsame Kommissar Poulsen, der sein Glück beinahe nicht erkennt, das in Gestalt einer geheimnisvollen Nachbarin Frau Marx an seine Tür klopft, spielt eine Rolle im weiteren Geschehen. Wie mit einem unsichtbaren Faden sind die Schicksale der Menschen aus Franzens Film verwoben.

    Regisseur Till Franzen, geboren 1973 in Flensburg an der dänischen Grenze, liefert mit „Die blaue Grenze“ seinen ersten abendfüllenden Spielfilm ab. Für Franzen ist „Die blaue Grenze“ nicht nur die Flensburger Förde, die Meerzunge, welche Deutschland von Dänemark trennt, sondern ebenfalls Sinnbild für die Grenze zwischen Traum und Wirklichkeit, zwischen Rationalem und Irrationalem, zwischen Leben und Tod. Dass Franzen, der mit diesem Film auch seine Heimat filmisch erkundet und die Erinnerungen an seine Kindheit einfließen lässt, die Gegend kennt, von der er erzählt, merkt man den atmosphärischen Landschaftsaufnahmen an. „Als Kind vermutet man unter jedem Stein und jeder Hecke ein Geheimnis. Alles ist irgendwie magisch“, erzählt der Regisseur und spricht damit eine Stärke des Films an, die beinahe als Wiederentdeckung des Heimatfilms bezeichnet werden kann. Franzens Schleswig-Holstein hat Ambiente, und zusätzlich hat er etwas zu erzählen, das fern von den bekannten Metropolen-Movies und Vergangenheitsbewältigungs-Dramen liegt: eine Geschichte, nicht ganz im Diesseits, deren Zauber den einen oder anderen Zuschauer in ihren Bann ziehen könnte.

    Franzen nimmt sich viel Zeit und erzählt seinen Film in langen Einstellungen. Das verhilft einerseits dem „Land der Horizonte“ zu voller Pracht, auf der anderen Seite kommt der Film so etwas langatmig daher. Zuschauer, die es schneller mögen, müssen sich also hier und da gedulden. Die Ruhe des Films wird mitunter durch surreal wirkende Sequenzen gebrochen. So fühlt man sich bei der Party, auf der Momme Lene kennen lernt stellenweise nach „Twin Peaks“, ins Roadhouse versetzt. Insgesamt liegt derjenige nicht ganz falsch, der David Lynch wittert, denn die, unklaren, aber äußerst suggestiven Symboliken haben einige Gemeinsamkeiten. Aber ein paar Reminiszenzen sind ja nicht verboten. Bisweilen erweist sich Franzen in dieser Hinsicht als nicht ganz stilsicher. So sind z. B. die Raben, die hier und da mal im Film auftauchen bestimmt nicht die originellste Metapher.

    Was diesem Debüt sehr zugute kommt, ist sein ausgezeichnetes Ensemble. Antoine Monot jr. („Absolute Giganten“, Das Experiment) hatte sich schon länger eine Hauptrolle verdient und spielt Momme Bief mit einer bis an die Schmerzgrenze in sich gewandten Intensität. Ein Stolperstein des Films hätte seine Beziehung zu Beate Bille (Ur-Ur-Enkelin von Henrick Ibsen) sein können, doch sie „harmonieren“, so dass man ihnen ihre tiefe Verbundenheit abnimmt. Auch Joost Siedhoff (Beyond The Sea, Luther) macht als Mommes Großvater eine routiniert gute Figur. Besonders hervorzuheben ist die Leistung von Dominique Horwitz („Stalingrad“, „Nachtgestalten“), der dem Kommissar Poulsen gleichzeitig den lustigsten als auch traurigsten Charakter des Films abspielt. Bemerkenswert ebenfalls, dass es Franzen gelang, Hanna Schygulla (Liebe ist kälter als der Tod, Die Ehe der Maria Braun) für „Die blaue Grenze“ zu gewinnen. Sie ist damit seit über 20 Jahren wieder in einem deutschen Film zu sehen.

    „Die blaue Grenze“ ist kein perfekter aber ein sympathischer Film. Zwar hat er Längen und wirkt in seiner Symbolik stellenweise etwas aufgesetzt; doch gelingt ihm in großen Teilen eine zauberhafte Geschichte, die dem Zuschauer genug Raum für eigene Deutungen lässt. Der Film gewann den Publikumspreis beim Filmfestival in Ludwigshafen. Zur Zeit arbeitet Franzen an seinem zweiten Spielfilm „Im Tal der Träume“.

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