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    Der Fischer und seine Frau
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Der Fischer und seine Frau
    Von Björn Helbig

    In der Tragikomödie „Der Fischer und seine Frau“ widmet sich die Regisseurin Doris Dörrie wieder einmal dem Thema Mann und Frau. Sie hinterfragt das reibungslose Funktionieren von Liebesbeziehungen und zeigt Probleme auf, die das Resultat unterschiedlicher Bedürfnisse, Wünsche und Anforderungen sind, die Paare an ihr gemeinsames Leben stellen.

    Grimm sind „in“. Nach Terry Gilliams Brothers Grimm kommt nun Dörries „Der Fischer und seine Frau“ in die Kinos. Hierbei handelt es sich um eine sehr freie, in die heutige Zeit verlegte Interpretation des gleichnamigen Märchens („Vom Fischer und seiner Frau“, 1857) der Brüder Jakob Ludwig Karl (1785-1863) und Wilhelm Karl (1786-1859) Grimm. Das Original handelt von einem Fischer, der mit seiner Frau in einem „alten Topfe“ wohnt und der eines Tages einen sprechenden Fisch fängt, diesen aber aus Barmherzigkeit wieder frei lässt. Des Fischers Frau ist mit dieser Entscheidung unzufrieden und findet, ihr Mann hätte von dem Zauberfisch für dessen Freilassung etwas verlangen können. So geht der Fischer ein ums andere Mal zu dem Fisch. Mit den Worten „Manntje, Manntje, Timpe Te, Buttje, Buttje in der See, myne Fru, de Ilsebill, will nich so, as ik wol will“ leitet er stets die Bitten ein, die seine Frau ihm aufgetragen hat, und stets erfüllt der Fisch die Wünsche. Bis sich die Frau irgendwann wünscht, Gott zu sein.

    Dörries Film und die Grimm’sche Vorlage unterscheiden sich stark im Detail und in der Intention, stimmen aber in der Grobstruktur überein. Die Regisseurin über ihren Film: „Die Liebe droht uns abhanden zu kommen, wenn wir Frauen zu schnell, und die Männer zu langsam werden. Und da einen Rhythmus für unsere unterschiedlichen Geschwindigkeiten, für Aktivität und Passivität zu finden - davon handelt meine Geschichte.“ Genauer: Otto (Christian Ulmen) und sein Freund und Partner Leo (Simon Verhoeven), Edelfischverkäufer, treffen in Japan die Rucksacktouristin und Modedesignerin Ida (Alexandra Maria Lara). Ida verliebt sich in Otto und Otto in Ida. Holterdiepolter heiraten beide, unwissend, welch schwere Bewährungsproben noch auf sie warten. Denn zurück in Deutschland werden beide mit ihren unterschiedlichen Lebensentwürfen konfrontiert: Otto ist zufrieden, wenn er Ida hat; Ida hingegen hat Ambitionen, will eine Familie, will beruflichen Erfolg. Wie es der Zufall will, gehen Idas Wünsche tatsächlich in Erfüllung, und die Konflikte zwischen den beiden beginnen…

    Es ist nicht abzustreiten, dass die Film- und Opernregisseurin, Autorin und Produzentin Doris Dörrie („Männer“, „Keiner liebt mich“, Nackt) seit nunmehr gut zwanzig Jahren eine wichtige Rolle im deutschen Kino spielt. Die Reaktionen auf ihre Filme, so auch auf ihre aktuelle Grimm-Adaption, fallen indes ziemlich gemischt aus. Tiefgründigkeit und ein hohes Maß an Unterhaltsamkeit wird ihrem neuen Kinofilm „Der Fischer und seiner Frau“ bisweilen von den Wohlwollenden nachgesagt und sicherlich: Tief im Untergrund rumort eine intellektuelle Idee, eine gesellschaftliche Schieflage, ein Psychogramm der Geschlechter, die durchaus Tiefgang und das Potenzial für Kurzweil in sich trägt. Auf der Oberfläche muss sich der Zuschauer allerdings mit einer leidlich lustigen Geschichte abfinden, die nur stellenweise ihrer Konfliktkonstellation zwischen Mann und Frau gerecht wird.

    Vielleicht das größte Manko des Films ist seine Vorhersehbarkeit. Auch wenn es sich bei „Der Fischer und seine Frau“ um eine sehr freie, in die Gegenwart verlegte Umsetzung des Märchens handelt, weiß man stets, wo man sich innerhalb der Originalgeschichte befindet, so dass der Eindruck entstehen könnte „auf Schienen durch den Film zu fahren“. Zudem – oder auch deswegen – wirkt der Film überaus konstruiert, wodurch er seine eigentlichen Stärken um das Verhältnis von Mann und Frau selten in ernst zu nehmendem Maße entwickeln könnte. Dabei handelt es sich bei Doris Dörries Interpretation des Stoffs doch eigentlich um einen sehr interessanten Versuch, Bekanntes neu zu deuten und Märchen im Alltag wieder aufleben zu lassen. Was sagt uns die Geschichte vom Fischer und seiner Frau heute? „Wir Frauen sind alle Ilsebills, die schon seit Generationen sagen: Ich will alles. Wir wollen Beruf und Kinder. Wir wollen Karriere und Liebe“, sagt Doris Dörrie. „Die Frau will immer mehr, weil er gar nichts will. Das bedingt sich gegenseitig und das ist die Geschichte...“

    Eine weitere Unstimmigkeit ist leider die Leid- und Liebesgeschichte zwischen Otto und Ida. Christian Ulmen (Herr Lehmann, „Verschwende deine Jugend“) gelingt es zwar, mit seiner Figur (die gar nicht so weit von „Herrn Lehmann“ entfernt ist) einen sympathischen Menschen ohne Ambitionen zu mimen und Alexandra Maria Lara (Vom Suchen und Finden der Liebe, Der Untergang, Nackt, Was nicht passt, wird passend gemacht) bringt ihre Ida mit einer gewissen Natürlichkeit rüber. Dennoch werden ihre Liebe, ihre Spontanhochzeit und die gemeinsamen Jahre zu keiner Zeit wirklich plausibel. Tom R. Schulz schrieb in „Die Welt“ über die beiden, sie seien so „falsch verbunden wie falsch erfunden“ und in der Tat leuchtet dem Zuschauer nicht wirklich ein, was Otto und Ida zusammenbringt und -hält und wie sie es einen ganzen Film über schaffen können, sich in keiner Weise zu verständigen.

    Ferner sind die digitalen Erzählerzierfische (ein verzaubertes Pärchen), aus dessen Perspektive der Zuschauer die Geschichte teilweise erlebt und die ihn mit Klischees über Männer und Frauen „versorgen“, ziemlich nervig. Glücklicherweise tauchen sie nicht allzu oft auf und werden von coolen asiatischen Winkekatzen einigermaßen kompensiert.

    Dass „Der Fischer und seine Frau“ trotzdem kein Fiasko geworden ist, hat mehrere Gründe. Zum einen können die Schauspieler zu großen Teilen überzeugen. Wenn man davon absieht, dass das gesamte Ensemble etwas unter der konstruierten Story zu leiden scheint, lassen sich aus dem guten Christian Ulmen, der weiteren Etablierung seines Loser-Charakters und seiner schön gespielten in sich ruhenden Gleichmütigkeit, einige Stärken herauslesen. Gleiches gilt für das natürlich-sympathische Schauspiel und der Energie von Alexandra Maria Lara und ihrer Fähigkeit, Ida mit ihren Wünschen und Ängsten dem Zuschauer näher zu bringen. Auch Simon Verhoeven (Das Wunder von Bern, Mädchen Mädchen 2) spielt authentisch und ergänzt den Film damit um eine gute Nebenfigur. Zum anderen ist die poppig-bunte Optik für einen deutschen Film ungewöhnlich, aber sicherlich eine Bereicherung. Die aber vielleicht größte Stärke des Films ist subtiler Art, dass er nämlich deutlich zu machen versucht, dass Märchen zeitlos sind, also auch im Kontext der heutigen Umstände betrachtet und neu verstanden werden können. Viele Geschichten haben immer noch nichts von ihrer Bedeutung eingebüßt, so dass Dörries Versuch, „Der Fischer und seine Frau“ zu aktualisieren und auf jetzige Problemlagen zu beziehen sicherlich ein interessantes Projekt darstellt.

    Wer mit Büchern von John Gray, Allan Pease und Chris Evat etwas anfangen kann, ist vielleicht auch mit diesem Film nicht schlecht „beraten“. Den einen mag er zum Nachdenken anregen, dem anderen wird er ein paar Lacher entlocken. Und nach der Vorführung kann man sich dann noch kurz zusammenhocken und ein wenig über die Unterschiedlichkeit von Mann und Frau plaudern. Möglicherweise macht das sogar mehr Spaß als die vorangegangenen 100 Minuten.

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