Der gebürtige Lübecker Rötger Feldmann, besser bekannt unter seinem Künstlernamen „Brösel", schuf in den späten 70er Jahren eine der bis heute populärsten deutschen Comicfiguren: „Werner". Musste sich der Zeichner anfangs noch mit vereinzelten Veröffentlichungen in der norddeutschen Regionalpresse begnügen, setzte in den 80er Jahren mit den ersten Werner-Büchern ein regelrechter Hype um den sympathischen Installateurslehrling mit Vorliebe für Bikes und Bölkstoff ein. Brösel verarbeitete in den autobiografisch geprägten Comicstrips neben seiner Leidenschaft für Motorräder auch die Lehrjahre seines Bruders Andi Feldmann. Es dauerte nicht lange, bis Bernd Eichinger, der Mann mit dem Näschen für Kassenerfolge, zuschlug und 1990 mit „Werner – Beinhart!" die erste Leinwandadaption der vielversprechenden Comicvorlagen initiierte. Unter Regie von Niki List, Gerhard Hahn und Michael Schaack produzierte Constantin Film einen der erfolgreichsten deutschen Filme überhaupt: Der Zeichentrickspaß lockte rund fünf Millionen Zuschauer ins Kino und genießt bei seinen zahlreichen Fans auch heute noch Kultstatus.
„Dick und Doof sind tot. Balduin, der Ferienschreck – tot. Heinz Erhardt, auch tot. Karl Valentin tot. Buster Keaton tot. Na? Merkt er was?"
Brösel (Rötger Feldmann) steckt ganz schön in der Klemme. Der skrupellose Filmproduzent Gerd Geldhai (I Stangl), der dem Comiczeichner im Traum als König Griesgram der Grobe erscheint, setzt ihm die Pistole auf die Brust. Brösel muss umgehend eine taugliche Vorlage für den ersten Werner-Film liefern, ansonsten erginge es ihm schlecht. Dem nach Inspiration suchenden Künstler kommt unverhofft eine gute Fee zu Hilfe, die ihm einen magischen Zeichenstift überlässt und als Gegenleistung nur die spätere Erfüllung eines einzigen Wunsches fordert. Brösel, dem das Wasser bis zum Hals steht, willigt ein, und bringt postwendend einen witzigen Werner-Comic nach dem nächsten zu Papier. Leider landet seine erste Geschichte statt auf dem Schreibtisch von Gerd Geldhai durch einen Postirrtum in Sibirien, und das zweite Skript verbrennt bei einem Motorradunfall auf der Landstraße. Erst im dritten Anlauf liefert der Zeichner die gewünschte Vorlage ab und feiert damit einen riesigen Erfolg. Doch da ist ja noch die Fee mit ihrem Wunsch...
Nein, es sind nicht die fast peinlich schwachen Darsteller und die stümperhafte Setbeleuchtung der Realfilmsequenzen, die „Werner – Beinhart!" zu einem der deutschen Kultfilme der 90er Jahre werden ließen. Die trashige Geschichte um König Griesgram alias Gerd Geldhai, in den Nebenrollen mit allerlei deutschen B-Schauspielern (Ausnahme: Ludger Pistor als Pastor Amen) besetzt, bildet lediglich die stupide Rahmenhandlung. Sie bringt die weitaus sehenswerteren Zeichentrickepisoden in lockeren Zusammenhang und vermeidet so über weite Strecken den Eindruck willkürlicher Aneinanderreihung. Der regelmäßige Wechsel zwischen Realfilm und Zeichentrick führt jedoch auch zu einem willkommenen Nebeneffekt: Den Comic-Protagonisten Werner, Eckat und Röhrich bleibt dank der regelmäßigen Unterbrechungen das Schicksal populärer Kunstfiguren wie „Horst Schlämmer" (vorerst) erspart. Denn Werner & Co. sind zwar putzig anzuschauen, nutzen sich aber relativ schnell ab und tragen ohne entsprechendes Plotfundament nur schwer einen ganzen Spielfilm. Erscheinen nach einer Zeichentricksequenz wieder Menschen aus Fleisch und Blut auf der Bildfläche, darf der Zuschauer also die Gelegenheit nutzen, sich ein kühles Bügelpils aus dem Kühlschrank zu holen und sich auf die nächste Comic-Episode freuen. Verpassen tut er beim Gang in die Küche nichts – die banale Handlung um Brösel, Geldhai und Konsorten ist dermaßen bescheuert, dass man sie getrost ignorieren kann.
Brösels Markenzeichen, die liebevoll und oft obszön detailliert gezeichneten Figuren mit den langen Nasen, erweisen sich in ihrer Konstellation hingegen als äußerst fruchtbar. Dank markiger Sprüche, saufenden Hardcore-Bikern und unverblümt krakeelenden Fischköppen atmet „Werner – Beinhart!" wie kaum ein zweiter Film das Lokalkolorit der deutschen Küstenstreifen und bannt Brösels Heimatregion authentisch und selbstironisch auf Zelluloid. Die Witze sind zwar flacher als nordfriesische Radwanderwege, das ändert aber nichts daran, dass sich zahlreiche Kalauer bis heute erfolgreich im alltäglichen Sprachgebrauch halten.
„Was heißt hier Jaja? Jaja heißt: Leck mich am Arsch!"
Rötger Feldmann drückt dem Film spürbar seinen Comicstempel auf, sei es durch die ständigen Sprechblasen oder die „Kawumm"-Schriftzüge, die bei Explosionen durchs Bild flimmern. Sein Alter Ego Werner, Meister Röhrich, der kauzige Eckat, Polizist Bruno oder der cholerische Anführer der groben Rockerband – auf die amüsant und explizit skizzierten Figuren wird jedes nur denkbare Vorurteil projiziert, zugleich aber entwaffnend karikiert. Nie kann man Brösel wirklich böse sein, weil seine überdrehten Charaktere sich augenzwinkernd jeder Gesellschaftskritik enthalten und den mahnenden Zeigefinger stecken lassen. Stattdessen sorgt allein Röhrich, das urkomische Abziehbild eines abgewrackten und pfuschenden Handwerkermeisters, nicht zuletzt dank der hervorragenden Sprecherleistung von Andi Feldmann für mehr als ein Dutzend gelungener Gags und stellt durch seine bloße Präsenz die Weichen auf Schenkelklopfen. Nicht von ungefähr zählen die Rohrbruchsequenz bei Frau Hansen und die Explosion auf der Baustelle neben dem furiosen Auftaktfußballspiel („Moin moin, liebe Sportsfreunde!") zu den stärksten Passagen des Films. Leider Grund genug für die Filmemacher, sich in den zunehmend schwächeren Nachfolgern „Werner - Das muss kesseln!", „Werner - Volles Rooäää!!!" und „Werner - Gekotzt wird später!" allzu sehr auf das köstliche Gas-und-Wasser-Trio zu verlassen.
Fazit: „Werner – Beinhart!" geht stets bis an die Schmerzgrenze und oft einen Schritt weiter. Wer in Bezug auf fast schmerzenden Klamauk, leidenschaftliches Rülpsen und derben Fäkalhumor mit Berührungsängsten zu kämpfen hat, wird schnell merken, dass die Brösel-Comics nicht für jedermann gezeichnet wurden. Dass aber auch an „Werner" der Zahn der Zeit nagt, zeigt sich, wenn wieder einmal Röhrichs Genitalien durchs Bild schlackern oder sich Krankenschwestern ihre Riesen-BHs über die Nase stülpen. Was 1990 vielleicht noch dem einen oder anderen Kinogänger Schamesröte ins Gesicht trieb, hat heute längst eine dicke Staubschicht angesetzt und sorgt beim Betrachter allenfalls für Stirnrunzeln. Nichtsdestotrotz ist die „Werner"-Reihe noch lange nicht tot: Im Sommer 2011 kommt mit „Werner - Eiskalt! (Werner - Eiskalt!)" bereits die fünfte Verfilmung der populären Comicreihe in die deutschen Kinos.