Mein Konto
    We Feed The World - Essen global
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    We Feed The World - Essen global
    Von Christoph Petersen

    „Jeden Tag wird in Wien genau so viel Brot auf den Müll geschmissen wie Graz insgesamt verbraucht.“ Wenn man dann noch bedenkt wie viele Menschen Hunger leiden müssen, stellt dieser Umstand eindrucksvoll unter Beweis, dass in unserer Welt irgendetwas schief läuft. In seiner Dokumentation „We Feed the World – Essen Global“ liefert Regisseur Erwin Wagenhofer viele solcher Fakten, die den Zuschauer gleichzeitig staunen und aufstöhnen lassen. Aber ihm gelingt es nicht, diese in einen größeren Zusammenhang zu bringen, er zeigt nur die einzelnen Auswirkungen der Globalisierung und nicht das Phänomen als Ganzes. So kommt der hochambitionierte Film nicht über die Aussagekraft einer einfachen „Pro 7“-Reportage hinaus und auch der Unterhaltungswert ist nur unmerklich höher.

    Ursprünglich hatte Wagenhofer ein Projekt im Auge, bei dem er die Lebensmittel des berühmten Wiener Naschmarktes zu ihrem Ursprungsort zurückverfolgen wollte, um herauszufinden, was wir da eigentlich essen. Als er dann bei den Recherchen zu den Tomaten auf die gigantischen, künstlich bewässerten Treibhausanlagen in Südspanien stieß, wegen den in der Region heute schon die Wasserreserven knapp werden, überlegte er es sich anders. Dass in Österreich verkaufte Tomaten zuvor einen Weg von über 3000 Kilometer zurücklegen müssen, interessierte ihn so sehr, dass er nach anderen Absurditäten in unserer zusammengerückten Welt Ausschau hielt. So kam er zum Beispiel auf den Umstand, dass europäische Nutztiere den brasilianischen Regenwald auffressen. Immerhin werden dort jedes Jahr riesige Flächen gerodet, um Sojabohnen, die dort trotz für andere Pflanzen sehr fruchtbaren Bodens nur Dank chemischen Zusätzen überhaupt wachsen können, für den europäischen Markt anzubauen.

    Neben den Episoden über unhaltbare Auswüchse der Globalisierung gibt es auch welche, in denen direkte Konzernkritik geübt wird. So begleitet Wagenhofer den Saatgut-Vertriebschef von Pioneer in Rumänien zur Erntezeit auf die Felder des Landes. Einige Bauern säen noch herkömmliches Saatgut, durch das die Früchte zwar nicht perfekt aussehen, aber gut schmecken. Die meisten haben hingegen schon auf Hybrid-Saatgut umgestellt, das sie jedes Jahr zu hohen Preisen neu einkaufen müssen und sich so von den großen Konzernen abhängig machen. Die Folge für uns ist, dass das Obst in europäischen Supermärkten zwar frischer aussehen mag, es bei weitem aber nicht so gut wie „echtes“ schmeckt. Hierzu passend auch die Anmerkung eines französischen Fischhändlers zu industriell gefangener Ware: „Also so was würde ich nicht essen. Wir sagen: es ist nicht zum Essen, sondern nur zum Verkaufen.“

    Zusammengehalten werden die einzelnen Abschnitte des Films durch ein Interview mit dem UNO-Sonderberichterstatter für das Menschenrecht auf Nahrung Jean Ziegler, dessen Sprüche im Stile von „Die Weltlandwirtschaft könnte ohne Probleme 12 Milliarden Menschen ernähren. Das heißt ein Kind, das heute an Hunger stirbt, wird ermordet.“ trotz leichter Polemik absolut treffend sind, die aber auch keinen Bogen um die einzelnen Problematiken spannen. Dem Film fehlt einfach ein Aufhänger oder Ausgangspunkt. So kann man zwar bei fast all seinen Aussagen zustimmende mit dem Kopf nicken, aber Schlüsse über die positiven und negativen Seiten der Globalisierung zu ziehen, ermöglicht er nicht.

    Störend sind auch die Versuche, zum Schluss hin spektakulärere Aufnahmen in den Film einzubauen. Nachdem das Interview mit einem hungernden Brasilianer, das natürlich nur wenig aufregende Bilder erlaubt, beendet ist, werden in einem viel zu langem Block die Verhältnisse bei der industriellen Aufzucht und Schlachtung von Hühnern gezeigt. Dort gibt es dann fließendes Blut und verschmierte Innereien in Mengen. Vielleicht stimmt es ja, dass ein 20 Zentimeter tief auf ein Förderband fallendes, süßes Kücken mehr Emotionen beim Zuschauer weckt als ein verhungernder Südamerikaner, aber ein Film mit den Ansprüchen von „We Feed the World – Essen Global“ sollte sich dieser Erkenntnis einfach nicht ergeben, sondern stattdessen auf eine weniger spekulative, weniger effekthascherische Inszenierung setzen. Seine Forderung nach qualitativ besseren und dafür auch teureren Lebensmitteln hätte Wagenhofer in Bezug auf seine Dokumentation lieber auch beachten sollen.

    Der Film endet mit einem Gespräch mit dem Nestlé-Chef Peter Brabeck. Neben der Inszenierung dieses Interviews, die zu sehr darauf bedacht ist, Brabeck den Schwarzen Peter zuzuschieben, stört vor allem die Platzierung ganz an den Schluss. Natürlich ist es für einen solch kleinen Dokumentarfilm ein riesen Erfolg, den Boss des größten Lebensmittel-Konzerns der Welt vor die Kamera zu bekommen, aber so wird Brabeck zuviel der Schuld (Mitschuld ist er natürlich auf jeden Fall) an den vorher gezeigten Problemen zugeschoben. So verlässt das Publikum das Kino eher mit Wut auf Unternehmen als mit Gedanken über den eigenen Lebenswandel – und damit macht es sich der Film bei aller berechtigter Kritik an den Mächtigen dieser Welt doch zu einfach.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top