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    Fräulein Smillas Gespür für Schnee
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Fräulein Smillas Gespür für Schnee
    Von Stefan Ludwig

    Die ewige Diskussion um Sinn und Unsinn von Romanverfilmungen wird vermutlich nie ein Ende nehmen. Denn Bücher funktionieren einfach anders als Filme. Zumeist muss der Handlungsverlauf einer Romanstory für einen Film gestrafft werden. Details, in die sich der Leser verliebt hat, bleiben dabei häufig auf der Strecke. Die Leinwandversion von „Fräulein Smillas Gespür für Schnee“ ist ein Thriller, an dem viele Zuschauer die Individualität der Vorlage vermissen. Der dänische Regisseur Bille August arbeitete hierfür nach „Das Geisterhaus“ erneut mit dem deutschen Produzenten Bernd Eichinger zusammen. Beachtliche 1,7 Millionen deutsche Besucher sahen sich den Film an, der 1997 die Berlinale eröffnete. Obgleich das Werk spannend und stringent erzählt ist, fehlt den Charakteren die nötige Tiefe.

    Smilla Jasperson (Julia Ormond) freundet sich mit dem Inuit-Jungen Jesaja (Clipper Miano) an. Eines Tages fällt Jesaja vom Dach des Hauses, in dem beide in Kopenhagen leben. Die Polizei glaubt an einen Unfall, doch Smilla ist skeptisch. Sie erinnert sich an Jesajas Höhenangst und ist außerdem von den Spuren im Schnee irritiert, die geradewegs zur Absturzstelle führen. Sie beginnt, auf eigene Faust Ermittlungen anzustellen, und stößt dabei auf die dubios anmutende Firma Grönland Mining, die offenbar nicht ganz koschere Untersuchungen an Jesaja vorgenommen hat…

    Die Geschichte beginnt als handelsüblicher Thriller und wandelt sich dann später zu einem Actiondrama. Während die ersten zwei Drittel des Films fesseln, da mittels Rückblenden viel Spannung erzeugt wird und sich die Charaktere hier noch stimmig entwickeln, hinterlässt „Fräulein Smillas Gespür für Schnee“ am Ende doch einen faden Nachgeschmack. Das Finale ist gleich ein paar Gänge zu actionreich geraten. Wie Smilla plötzlich zur Actionheldin mutiert, ist zu keinem Zeitpunkt glaubhaft.

    Bille August ist zweifelsohne ein begnadeter Regisseur. Wer mit zwei Goldenen Palme der Filmfestspiele in Cannes („Pelle, der Eroberer“, „Die besten Absichten“) ausgezeichnet wird, muss einfach Talent haben. Der auf Grönland, im schwedischen Kiruna und in Kopenhagen gedrehte „Fräulein Smillas Gespür für Schnee“ stellt die Zeichen zunächst auf einen gediegenen Thriller. Als er dann jedoch unvermittelt ins Actionfach umschwenkt, lässt er logische Stringenz und seine zuvor ruhige Erzählstruktur links liegen. Während der Film zuvor größtenteils von seinen Dialogen und überraschenden Storywendungen lebte, steht nun plötzlich Smillas handfester Kampf gegen die Verbrecher im Vordergrund. Gewiss bleibt der Film etwas Besonderes, weil er – gänzlich unkonventionell - eine toughe und resolute Frau in den Mittelpunkt der Handlung stellt. Die hübsche Julia Ormond verkörpert Smilla mit herbem Charme - dennoch kann auch sie Smillas Mutation zu einer Actionheroin nicht glaubhafter machen.

    Dass „Fräulein Smillas Gespür für Schnee“ sich mit fortlaufender Spieldauer immer seltener Zeit für seine Charaktere nimmt, schlägt sich auch in der Entwicklung der Protagonistin nieder. Während Smillas Charakter zumindest zu Beginn noch relativ stimmig in Szene gesetzt wird, bleibt die Riege der sonstigen Darsteller farb- und konturlos. Dabei sind die übrigen Schauspieler – zumindest nach der Papierform - recht hochkarätig, wie ein Blick auf die Besetzungsliste verrät: Jürgen Vogel, Mario Adorf und Gabriel Byrne können zwar allesamt darstellerisch überzeugen, doch bleiben ihnen nur relativ unbedeutende Nebenrollen, die ihrem Talent nicht gerecht werden. Während Vogel einen nervösen Junkie mimt, spielt Byrne den besorgten Nachbarn, dessen wahren Absichten lange im Unklaren bleiben.

    Peter Høeg schrieb „Fräulein Smillas Gespür für Schnee“ 1992. Die mehr als 500 Romanseiten komprimiert das Drehbuch von Ann Biderman auf weniger als zwei Stunden. Natürlich blieben dabei zahlreiche Details auf der Strecke, ganze Nebenhandlungen fallen weg. Zwar hat Regisseur Bille August eine halbwegs stringent ansteigende Spannungskurve geschaffen. Doch dann übertreibt er maßlos, als es schließlich mit der Forschungsexpedition in den Schnee geht. Das wirkt fast wie eine späte Rechtfertigung für den Titel, der im Englischen übrigens wesentlich klangvoller ist: „Smilla’s Sense Of Snow“.

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