Mit seinem exzellenten Regiedebüt „Bungalow“ hat sich Ulrich Köhler als präziser Beobachter leiser Momente und kleiner Gesten erwiesen. Sein Film über einen eher orientierungslosen und zufälligen Ausbruch eines jungen Mannes aus dem Bundeswehrdienst, und damit aus dem geregelten Leben, erweist sich - ähnlich stark wie Christoph Hochhäuslers Falscher Bekenner - als punktgenaues Porträt einer ziellosen und undynamischen jungen Generation. Mit dem Drama „Montag kommen die Fenster“ knüpft Köhler an seinen Erstling an, lässt wieder ruhige Bilder, lange Einstellungen und wenige Worte dominieren, geht aber inhaltlich eine Altersklasse nach oben. Der Ausbruch einer 30-Jährigen aus dem tristen Alltag ist nun der Aufhänger für eine erneut sehr präzise Zustandsbeobachtung.
Von Berlin ist die Ärztin Nina (Isabelle Menke) ins beschauliche Kassel gezogen. Ein gemeinsames Haus baut sie dort mit ihrem Mann Frieder (Hans-Jochen Wagner). Doch während er stundenlang darüber grübelt, wie die Kacheln im Flur angerichtet werden sollen, ob die Farbtöne stimmen und sich darauf freut, dass Montag endlich die Fenster kommen, haut sie einfach ab. Statt die gemeinsame Tochter (Amber Bomgart) abzuholen, fährt sie zur elterlichen Waldhütte, wo ihr Bruder Christoph (Trystan Wyn Pütter) gerade bei einem Joint versucht, sich mit Freundin Nathalie (Elisa Seydel) zu versöhnen. Was erst nach einer Neuauflage der ähnlichen Dreierkonstellation aus „Bungalow“ aussieht, ändert schnell wieder seine Richtung. Als Christoph den Verrat begeht und Ehemann Frieder zur Hütte einlädt, geht Nina in den Wald. Inmitten der Natur steht wie ein unwirkliches Ufo ein Luxushotel, welches gerade Einweihung feiert und dazu einen gealterten Tennisstar (der vom gealterten Tennisstar Ilie Nastase gespielt wird) als Entertainer verpflichtet hat. Unbemerkt von denen sich an ihrem dekadenten Fest berauschenden Gästen und vom Hotelpersonal bezieht Nina ein Zimmer.
Erneut im Bürgertum angesiedelt, ist „Montag kommen die Fenster“ wie schon „Bungalow“ ein Film, dessen Hauptfigur eher ziellos und größtenteils motivationslos handelt. Warum Nina flieht, bleibt dem Interpretationsspielraum des Zuschauers überlassen. Ob es die Möglichkeit einer erneuten Schwangerschaft oder die Endgültigkeit, die gerade Linie, welche ihr Leben mit dem Hausbau zu bekommen droht, ist, wird nie ganz klar. Es ist wohl ein Zusammenwirken all dieser Faktoren, die sich als kleine Erschütterung in ihrem Leben auswirken, die aber ausreicht, es zu hinterfragen. Funktioniert die Beziehung noch? Auf diese Frage ihres Bruders, antwortet sie mit „Wir ficken noch“, was sie kurz darauf aber wieder einschränkt.
Das Hinterfragen der Beziehung ist ein Thema, welches konstant in „Montag kommen die Fenster“ auftaucht. Ein Seitensprung bahnt sich an, als sie sich dem Tennisstar als Hure andient, sich schließlich vor ihm entblößt. Dabei ist der selbst die Hure, die sich für ein paar Neureiche zum Clown macht, aber die treffende Beschreibung äußert „You live in a country where people eat well, drink well, fuck well and take tennis too serious“. In diesen Momenten im Hotel zeigt Köhler die ganze Stärke des neuen deutschen Kinos. Ohne jede Effekthascherei werden intime Momente porträtiert, die einen mit Protagonisten mitfühlen lassen, obwohl diese bisweilen völlig irreal handeln. Doch diese Irrealität ist Wirklichkeit, was Köhler durch den einsam mitten im Wald stehenden, monströsen und abstrakt wirkenden Hotelkomplex verdeutlicht. Gerade an jenem Ort treffen zwei Menschen aufeinander, die auch irgendwie irreal sind, aber gerade deswegen die einzig realen Menschen zu sein scheinen.
Ulrich Köhler zählt zu jener Gruppe von Filmemachern, die vom Filmkritiker Rainer Gansera (Süddeutsche Zeitung) unter dem Begriff der „Berliner Schule“ zusammengefasst wurden. Es ist ein neues deutsches Kino, dialogarm, unaufgeregt und doch präzise in der Beleuchtung der Figuren. In Frankreich sprach man schnell von der „Nouvelle Vague Allemande“ (der, zudem schon vorher geäußerte, Begriff ist aber weiter gefasst) und empfing die Erben von Fassbinder und Herzog mit Begeisterung. In der Heimat tun sich die „Propheten“ noch schwer. Sie müssen sich bisher mit viel Lob der einheimischen Filmkritik, Applaus auf Festivals und ein paar wenigen Kopien, die durch die kleinen Programmkinos tingeln, zufrieden geben. Man kann es ein Stück weit verstehen. Auch „Montag kommen die Fenster“ ist bisweilen anstrengend. Der Film hat Momente von quälendem Stillstand, in welchem man am liebsten in die Leinwand springen würde, um die Leute anzustoßen. Doch genau in jenem Moment, wo es für einen Moment einen Tick dynamischer wird, vermisst man den Moment zuvor. Denn obwohl es manchmal so anmutet, „Montag kommen die Fenster“ steht nie wirklich still. Die erstklassige Kameraarbeit vermeidet nur fast jegliche Rasanz, gibt dem Zuschauer aber die Möglichkeit zu beobachten. Das scheint das Credo aller Regisseure der Berliner Schule zu sein. Die Charakterisierung der Protagonisten erfolgt nicht über die Dialoge. Die sind zweitrangig. Der Zuschauer muss sich mit den eigenen Beobachtungen ein Bild machen.
Das gelingt nur deswegen so gut, weil Köhler und Kollegen die Schauspieler dazu haben. Isabelle Menke und Hans-Jochen Wagner sind großartig als leicht gegensätzliches Paar, welches nur in wenigen Augenblicken richtig Gefühle zeigen kann. In einer kleinen Nebenrolle spielt der großartige Devid Striesow (Lichter, Yella) mit. Er ist so etwas wie das Gesicht dieser neuen deutschen Filmemacherriege, scheint er doch in jedem zweiten ihrer Filme mitzuspielen. Im Gegensatz zu „Bungalow“ hat er hier nur einen kleinen Auftritt. Er bringt die Fenster, wie verabredet am Montag. Es sind die falschen, doch das stört in diesem Moment keinen mehr so richtig.