Interessant sind Filme immer dann, wenn sie von Kennern der Materie selbst produziert werden. „Counter Investigation“ von Franck Mancuso ist so ein Fall. 20 Jahre war Mancuso Polizist, bevor er in den Regiestuhl stieg. Da schwingt die Hoffnung mit, an lebensnahen und subtilen Darstellungen beteiligt zu werden, von dem so genannten Blick hinter die Kulissen profitieren zu können, der so vielen Regisseuren und Drehbuchautoren oftmals versperrt sein dürfte. Die Frage dabei ist jedoch immer, ob der Zuschauer nicht lieber auf den realistischen Blick zugunsten einer guten und explosiven Geschichte verzichten möchte. Und vielfach gelingt den besten Kennern und pedantischsten Autoren oft nicht das, wofür das Genie nur Gefühl und den „richtigen Riecher“ braucht: einen guten Film zu produzieren, der das Publikum auch anspricht. „Counter Investigation“ braucht sich diesbezüglich jedoch auf den ersten Blick nicht zu verstecken. Realistisch und mit einer ansprechenden Geschichte ausgestattet, erfüllt der Film die grundlegenden Erwartungen an ein gelungenes Regiedebüt. Allein, was dem Film dann letzten Endes doch fehlt, ist der angesprochene Genius und ein wenig Melodramatik, um mehr als nur vereinzelt gute Schauspielerleistungen zu bieten.
Polizei-Detektiv Richard Malinowski (Jean Dujardin) ist am Boden zerstört. Seine neunjährige Tochter wird das Opfer eines Sexualverbrechens. Der Kinderschänder ist schnell gefunden. Daniel Eckmann (Laurent Lucas) gesteht alles und wird in einem Aufsehen erregenden Gerichtsprozess trotz fehlender Indizien zu 30 Jahren Gefängnis schuldig gesprochen. Als Eckmann anfängt, in Briefen an Malinowski seine Unschuld zu beteuern, regen sich Zweifel in Malinowski. Könnte Eckmann das Opfer eines Justizirrtums geworden sein? Auf eigene Faust unternimmt er Ermittlungen, die das Urteil der Justiz unterlaufen. Die Spur verdichtet sich: Der mehrfache Kinderschänder Salinas wurde zur selben Zeit am Tatort gesehen. Gegen den Rat seiner Kollegen und hinter dem Rücken seiner Frau bringt der sich immer weiter isolierende Malinowski das Verfahren wieder ins Rollen, um sich und seiner Tochter späte Gerechtigkeit zu verschaffen.
Der Plot von „Counter Investigation“ ist wahrhaftig brisant. Der Film bedient sich einiger schwerer Thematiken, die dann auch hohe Erwartungen an den Film aufbauen. Zum einen ist es das gesellschaftlich viel diskutierte und geächtete Problem der Sexualverbrechen und Kindesschändungen, das dem Drama einen grundlegenden, nachdenklichen Unterton verleiht. Im Wesentlichen befasst sich der Film vor allem mit dem, was ein solches Verbrechen im eigenen Familien- und Verwandtenkreis auslöst. Träger dieser Inszenierung ist Richard Malinowski selbst, dessen psychische Verfassung sich stetig verschlechtert bis er schließlich nur noch getrieben von seinen bösen Geistern dem Leben keinen Funken Freude mehr abgewinnen kann. Seine Frau Claire (Agnès Blanchot) spielt den schweigsamen und leisen Gegenpart von Richard. Dabei ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Ehe der beiden unter dem unmenschlichen Druck und dem unglaublichen Leid zu bröckeln beginnt.
Während Claire alles hinnimmt und versucht, den Qualen aus dem Weg zu gehen, etwas vergessen zu machen, was eigentlich nicht vergessen werden kann, brodelt es in Malinowski weiter. Das Motiv der Rache spiegelt dabei eine weitere Thematik von „Counter Investigation“ wider und zieht sich wie ein Bogen um die ganze Geschichte. Kann es Gerechtigkeit geben? Für Malinowski ist der Fall klar. Auch wenn er konstatiert, dass er nichts mehr hat, wofür es sich zu leben lohnt, ist das Motiv der möglichen ausgleichenden Gerechtigkeit ständige Motivation und Antrieb für seinen energischen Kampf gegen den Unwillen und das Unverständnis seines ganzen privaten Umfeldes.
Die dritte Thematik des Films hängt mit der Vorstellung von ausgleichender Gerechtigkeit eng zusammen: Justizirrtümer. Hierbei lautet die treibende Frage: Wie gelingt es einem Justizsystem aufgrund aller menschlicher Erkenntnisschwächen solide, wahre und gerechte Urteile zu verhängen? Wie wird Schuld ermittelt? Der Film gibt hierauf eine doppelbödige Antwort, die dennoch eine heikle Problematik anspricht: Justizirrtümer untergraben die Legitimation des Staates, egal wie man es dreht und wendet. Wird der Schuldige frei gesprochen oder der Unschuldige schuldig gesprochen; das Dilemma bleibt. Und immer sind es Menschen, die darunter leiden müssen. Da hilft auch keine Vertröstung, dass es sich bei Schuldsprüchen um ein notwendiges Übel der menschlichen Existenz in modernen rechtsbasierten Gesellschaften handelt.
„Counter Investigation“ wartet insgesamt mit einer klugen Geschichte auf, leidet am Ende aber vor allem an oft zu hölzerner Darstellung und Inszenierung, aber vor allem, und das ist eine Besonderheit, an der Kürze der Spiellänge von 85 Minuten, die den thematischen Erwartungen rein substanziell schon nicht gerecht werden kann. Dabei ist den Schauspielern Jean Dujardin und Laurent Lucas kein Vorwurf zu machen, liefern sie sich doch bis zum Schluss ein minutiöses und intelligentes Psycho-Duell mit unvorhersehbaren Wendungen. Was letztlich fehlt, ist der Schliff und die Präzision, der Blick für Kleinigkeiten, vor allem aber die Melodramatik, von der der heutige „amerikanisierte Kinogänger“ wohl zu verwöhnt ist. James Mangolds Cop Land oder der jüngst von Martin Scorsese adaptierte Departed: Unter Feinden sind Referenzfilme, mit denen sich „Counter Investigation“ einen direkten Vergleich gefallen lassen muss, auch wenn es sich hierbei in vielen Belangen um nicht vergleichbare Filme handelt. Dabei gewinnen die großen Namen, was nicht selbstverständlich sein muss. Als Regiedebüt dürfte Mancusos „Counter Investigation“ jedoch einige Beachtung finden, zumal der Plot einiges zu bieten hat. An die „Großen“ reicht der Film jedoch bei Weitem noch nicht heran. Wahrscheinlich wollte man zuviel, jedenfalls mehr, als möglich war.