Rennsportfilme sind vor allem wegen jener Action sehenswert, die allein die Duelle der schnellen Flitzer mit sich bringen. Wenn der Regisseur diese stimmig und gekonnt inszeniert, ist das meist schon die halbe Miete. Doch es ist nicht die ganze, was „Indianapolis“ mit Superstar Paul Newman in der Hauptrolle schmerzlich aufzeigt. Dort muss der Zuschauer – abgesehen von einigen kleinen Anheizern - bis zum Finale, in dem sich Newman nach den genretypischen Gesetzen aus aussichtsloser Lage daran macht, doch noch das Rennen zu gewinnen, darauf warten, dass der richtig Spaß los geht. Davor gelingt es Regisseur James Goldstone und seinem Autor Howard Rodman nur vereinzelt, Begeisterung zu entfachen. Stattdessen langweiligen sie mit einer seichten Beziehungskiste, deren Niveau nur selten über dem einer durchschnittlichen TV-Soap liegt.
Frank Capua (Paul Newman) ist der unangefochtene Star im Rennzirkus. Er eilt von Sieg zu Sieg und begeistert die Massen. Als er die allein erziehende Mutter Elora (Joanne Woodward) kennen lernt, begleitet das sportliche nun auch das private Glück. Auf die Liebe folgen die Hochzeit und eine traumhafte gemeinsame Zeit. Doch plötzlich muss sich Capua auf der Rennstrecke immer öfter seinem Freund und Teamkollegen Lou Erding (Robert Wagner) geschlagen geben und mit dem zweiten Platz vorlieb nehmen. Capua zieht sich zurück, tüftelt am Wagen und vernachlässigt seine Frau. Die Rechnung folgt auf dem Fuße: Er erwischt sie mit einem anderen Mann im Bett, der sich ausgerechnet als Capuas Erzkonkurrent Erding herausstellt. Dabei steht gerade das bedeutendste Rennen der Saison, die 500 Meilen von Indianapolis, vor der Tür...
Dass Goldstone und Rodman ihre Wurzeln im TV-Geschäft haben, glaubt man sofort, doch wo genau sie ihre Erfahrungen gesammelt haben, überrascht dann schon. Würde man die beiden nach „Indianapolis“ eher bei irgendwelchen Eifersuchts- und Intrigensoaps im Stile von „Dallas“ oder „Denver-Clan“ einordnen, haben sie in Wirklichkeit eher im Thrillerbereich gearbeitet. So hat Goldstone zum Beispiel zahlreiche Episoden der Serien „Perry Mason“ und des Straßenfegers „Auf der Flucht“ inszeniert. Sein bekanntester Kino-Hit ist der Katastrophen-Thriller „Achterbahn“, der 1977 auch die deutschen Kinos erfolgreich heimsuchte. Rodmans bekannteste Werke sind drei Zusammenarbeiten mit Action-Thriller-Spezialist Don „Dirty Harry“ Siegel: „Nur noch 72 Stunden“, das Clint-Eastwood-Vehikel „Coogans großer Bluff“ und das Genre-Meisterwerk „Der große Coup“, die sich alle durch hohe Spannung und – von Abstrichen abgesehen – einer für das Genre sehr intelligenten Charakterzeichnung auszeichnen. Obwohl „Indianapolis“ - genau wie zwei der drei genannten Thriller - Ende der Sechziger entstand, geht ihm ausgerechnet das Spannungselement teilweise völlig ab.
Gerade in der ersten Stunde plätschert der Film nur so vor sich hin. Das Kennenlernen von Capua und Elora wird noch ganz nett erzählt, aber schon danach gleitet der Film schnell in drögen Genre-Einheitsbrei ab. Die unvermeidlichen Krisen, beruflich und privat, sich gegenseitig bedingend und verstärkend, werden nur heruntergespult. Vernünftige Einblicke in die Charaktere erhält man nur selten. Die rühmliche Ausnahme bildet die von Joanne Woodward („Eva mit den drei Gesichtern“) hervorragend gespielte Elora, die in einem ihrer verzweifelten Momente (der besten Nicht-Racing-Szene des Films) versucht, den fernen Gatten zum Telefonsex zu bringen, was dieser jedoch schlichtweg ignoriert. Dieser kurze Moment ist ein einsames Aufblitzen von erzählerischer Dichte, der Rest bleibt überwiegend konturlos.
Paul Newman (Haie der Großstadt, Zwei Banditen, Der Clou) kann mit seiner Klasse und seinem Charisma der Figur des absteigenden Rennchamps wenigstens noch ein wenig Profil verleihen und schafft es, die Sympathie des Zuschauers auf seine Seite zu ziehen. Robert Wagner (Wild Things, Austin Powers in Goldständer) steht dem gegenüber völlig auf verlorenem Posten, was weniger an seinen Fähigkeiten liegt, als am Drehbuch. Er ist einfach nur der für den Triumphzug des Helden nötige Konkurrent, eigene Motivationen darf er keine haben und der Umstand, dass die beruflichen und privaten Rivalen eigentlich Freunde sind, ignoriert der Film oft schlichtweg.
Allerdings stimmt die Rennsport-Action. Wenn das berühmte „Gentlemen! Start Your Engine“ ertönt und die 500 Meilen von Indianapolis ihren Lauf nehmen, gibt es urplötzlich Action und Spannung satt. Auch wenn der Ausgang natürlich den Regeln des Genres gehorcht, bleibt er realistisch und ist nicht völlig überzogen. Die Inszenierung des Rennens ist erstklassig und auch hier wird Realismus groß geschrieben. Dabei werden Szenen eines realen Indianapolis-Rennens gekonnt mit fiktiven Szenen gemischt. Paul Newman verzichtete auf einen Stuntman und fuhr selbst. Er entwickelte eine so große Begeisterung für den Sport, dass er hernach selbst eine Karriere als Hobbyrennfahrer und Teambesitzer einschlug. Cameos von bekannten Rennsportgrößen, allen voran der Legende Bobby Unser, runden diesen starken Part des Films ab.
Für Genrefans gehört „Indianapolis“ trotz der zahlreichen und deutlichen Schwächen zum Pflichtprogramm. Neben den beiden Hauptdarstellern Newman und Woodward verdankt der Film dies aber einzig und allein der exzellenten Darstellung des finalen Rennens.