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    The Mother Of Tears
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    The Mother Of Tears
    Von Martin Thoma

    Was ist eigentlich trauriger: Wenn ein schlechter Regisseur, der es einfach nicht besser kann, unaufhörlich schlechte Filme fabriziert, oder wenn ein Regisseur, der früher hervorragende Arbeit leistete, seit Jahren nur noch Mist dreht? Dario Argento konnte es mal richtig gut. Mit Filmen wie „Rosso – Farbe des Todes“ (1975), Suspiria (1977), „Inferno“ (1980) und „Tenebre“ (1982) schuf der Italiener solitäre Meisterwerke des Horror/Slasher-Genres. Nebenbei schrieb er auch an den Drehbüchern zu den Klassikern Spiel mir das Lied vom Tod und Zombie - Dawn Of The Dead mit. Mit „The Mother Of Tears” führt Argento nun seine 1977 mit „Suspiria“ herausragend begonnene Hexen-Trilogie zu einem grauenhaften Ende. „Grauenhaft“ leider in Bezug auf die Qualität des Films. In den vergangenen Jahrzehnten durchaus leidgeprüften Argento-Fans, die immerhin 30 Jahre auf den Abschluss der Trilogie gewartet haben, dürfte diese Mutter der Tränen selbige in die Augen treiben.

    Die Handlung spielt erwartungsgemäß keine allzu große Rolle: In Rom gerät eine mysteriöse, mit dicken Ketten gesicherte Urne in die Hände unvorsichtiger Wissenschaftler, die sie öffnen und damit Böses freisetzen: nämlich die Mater Lacrimarum, letzte der drei Hexenmütter, inklusive ihrem Anhang in Gestalt eines kleinen, aber gemeinen Äffchens sowie drei äußerst gewaltbereiten Dämonen. Die Archäologiestudentin Sarah Mandy (Asia Argento) wird fortan von den buckligen Monstern gejagt. Währenddessen feiert die Mater im Keller ihres Hexenhauses kannibalische Sado-Maso-Orgien, zu denen sie ihr Gefolge aus aller Welt zusammenruft, was in den Straßen Roms eine Art Apokalypse auslöst. Auf ihrer Flucht erfährt Sarah drei Dinge: 1. Jeder, mit dem sie redet, wird kurz darauf von ihren dämonischen Verfolgern bestialisch ermordet, nur sie selbst schafft es immer wieder, diesem Schicksal zu entgehen. 2. Ihre Eltern sind gar nicht, wie bisher angenommen, bei einem Autounfall, sondern im Kampf mit Hexe Nummer 1 ums Leben gekommen. 3. Sarah selbst ist mütterlicherseits mit den Gaben einer weißen Hexe ausgestattet und somit auserwählt, der Mutter der Tränen entgegenzutreten…

    Die Story ist blöd, aber gerade bei Argento sagt das erfahrungsgemäß noch nichts über die Qualität des Films aus. Alle seine Werke sind in erster Linie sadistisch und voyeuristisch. Um komplexe Charaktere und Geschichten geht es selten, eher um nackte Brüste und brutale Morde, die nicht realistisch, sondern grell und bunt in Szene gesetzt werden. Obwohl eine recht verbreitete Ansicht, stimmt es nicht, dass Argento seit jeher nur auf das coole Aussehen seiner Filme geachtet und deren Inhalt dabei völlig vernachlässigt hat. Bis in die 80er Jahre hinein hat Argento Filme gemacht, die zwar wenig Wert auf eine äußere Handlungslogik legten, deren innere Logik aber dafür umso mehr befriedigte. So treibt zum Beispiel „Tenebre“ ein ironisches, parodistisches und durchaus provokatives Spiel mit den Zuschauern. Die allzu triviale Lösung, die der Film auf der oberflächlichen Handlungsebene anstrebt, widerlegt er mit seiner Tiefenstruktur. Im Fall von „The Mother Of Tears“ fehlt hingegen jeglicher Zusammenhang auf jeder Ebene.

    Doch selbst, wer schon immer fand, dass über die oberflächliche Trivialität der Handlung in Argento-Filmen kein Hinwegkommen wäre, musste selbst die schwächeren seiner Werke für ihre Ästhetik bewundern. Es ist traurig, dass Argento, der große Stilist, offensichtlich auch auf diesem Gebiet nichts Außergewöhnliches mehr zu bieten hat.

    „Suspiria“, der erste Teil der Mütter-Trilogie, ist sicherlich das herausragende Kunstwerk unter Argentos Filmen. Einen so radikalen Trip aus wildem Sound und Technicolor-Farben hat er zwar nie wieder gedreht, doch auch später setzte er stets auf knallige Farbeffekte und genauestens durchkomponierte Einstellungen. „The Mother Of Tears“ ist immerhin noch ganz ansprechend fotografiert, aber dennoch meilenweit davon entfernt, an Argentos früheren Filme heranzureichen. Eines seiner liebsten Stilmittel, nämlich lange Kamerafahrten, setzt Argento diesmal so lustlos ein, dass man nur noch Wegsehen möchte. Auch originelle inszenatorische Einfälle, wie sie jeder seiner Filme aus den 70er und frühen 80er Jahren in Hülle und Fülle enthält, finden sich in „The Mother Of Tears“ – je nachdem wie großzügig man zählt – nur ein bis zwei Stück. Vor allem hat der Film – im krassen Gegensatz zu Argentos Meisterwerken – kein erkennbares visuelles Konzept. Es sei denn, das visuelle Konzept ist, sich auf der stilistischen ebenso konfus wie auf der inhaltlichen Ebene zu geben.

    Der extreme Einsatz von Musik in Argentos besseren Filmen (besonders herausragend: die Zusammenarbeit mit der Progressive-Rock-Band „Goblin“) macht sie einmalig. Der Score dient nicht bloß zur Untermalung, sondern ist eigenständige Bedeutungskomponente, die das Geschehen auf eine andere Ebene hebt. Der Klangteppich unter „The Mother of Tears“ ist hingegen Dutzendware. Tragischerweise hat ihn „Goblin“-Keyboarder Claudio Simonetti komponiert. Argento scheint hier nicht der einzige zu sein, der sich darum bemüht, seinen Ruf zu ruinieren.

    Jedem, der schon immer mal wissen wollte, wie sich ein komplett redundanter Dialog anhört, sei folgendes Beispiel ans Herz gelegt:

    „Oh, mein Gott! Das hier ist das Haus der Mutter der Tränen. Und das ihrer Anhänger. Gott, Hexen!“

    „Hexen? Wovon reden Sie überhaupt?“

    „Das werden Sie schon sehen.“

    „Bleiben Sie hinter mir!“

    Dass die Schlechtigkeit der Dialoge (ebenso wie die des „großen Finals“, das die Struktur eines Antiwitzes aufweist) zumindest zum Teil Absicht ist, steht außer Frage. Doch was die Absicht hinter dieser Absicht gewesen ist, bleibt rätselhaft. Sicher ist nur, dass ein gelungenes parodistisches Spiel mit Genreelementen anders aussieht. Wie man es richtig macht, haben Regisseure wie Quantin Tarantino, Takashi Miike und lange vor ihnen Argento selbst vorgemacht. Die Dialoge in „The Mother Of Tears“ sind ohne Schmerzmittel einfach kaum zu ertragen. Ähnliches gilt für das hilflose Schauspiel von Asia Argento (Land Of The Dead, Marie Antoinette). In Italien ist Darios Tochter eine der beliebtesten Schauspielerinnen. Das dürfte allerdings weniger an den Auftritten in den Filmen ihres Vaters liegen, der sie hier die ganze zweite Hälfte hindurch „Mami! Mami!“ schreiend durch die Gegend laufen lässt.

    Sarahs Mutter wird im Film übrigens von Asias realer Mutter Daria Nicoldi verkörpert, die in einigen älteren Argento-Filmen richtig coole Figuren gespielt hat - etwa an der Seite von David Hemmings (Blow Up) in „Rosso – Farbe des Todes“. In „Mother Of Tears“ taucht sie nun als handwerklich grottenschlecht vor dem Blue Screen gefilmte Geistererscheinung auf, was lächerlich, aber nie komisch wirkt.

    „The Mother Of Tears“ ist ein in jeder Hinsicht schlechter Film, den man als Abschluss einer mit „Suspiria“ großartig begonnenen Trilogie besser ignorieren sollte. Argentos Problem liegt zum Teil darin begründet, dass er seine Manierismen schon vor 20 Jahren so weit perfektioniert hatte, dass nicht einmal er selbst sie noch übertreffen könnte. David Lynch hat in einer ähnlichen Situation erst einmal den für ihn gänzlich untypischen The Straight Story gedreht. Im Gegensatz dazu wiederholt Argento immer wieder – und zwar mit zunehmender Lustlosigkeit – seine Slasher-Masche. Dabei entkleidet er sie nach und nach all der Dinge, die einmal ihren Charme ausmachten, ohne dafür etwas anderes an ihre Stelle zu setzen.

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