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    Riding Alone For Thousands Of Miles
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Riding Alone For Thousands Of Miles
    Von Björn Becher

    Nachdem Zhang Yimou mit Hero sowie House Of Flying Daggers zwei große Martial-Arts-Epen und internationale Erfolge abgeliefert hat, besinnt er sich mit „Rinding Alone For Thousands Of Miles“ wieder auf seine Wurzeln. Weg von der pompösen Pracht seiner letzten beiden Filme geht er zurück zum Stil von Frühwerken wie Rote Laterne, Happy Times oder Heimweg und liefert ein ruhiges, sehr schönes und einfühlsames Drama ab, das gleichzeitig Huldigung an chinesische Kultur sowie einen der größten japanischen Charakterdarsteller ist, wie auch ein Film über die unterschiedlichen Sitten in Asien.

    Takada (Ken Takakura) lebt zurückgezogen als Fischer an der japanischen Küste bis ihn ein Anruf seiner Schwiegertochter Rie (Shinobu Terajima) erreicht. Takadas Sohn Ken-ichi ist schwer krank und liegt in Tokio im Krankenhaus. Vater und Sohn haben sich nach dem Tod der Mutter zerstritten und seitdem kein Wort mehr miteinander gewechselt. Auf Bitten von Rie reist Takada nach Tokio, um sich mit seinem Sohn zu versöhnen. Doch der will ihn nicht einmal sehen, zu schwer wiegen die Lasten der Vergangenheit. Durch Rie erfährt Takada mehr über das für ihn völlig fremde Leben seines Sohnes. Der hat Dokumentationen über chinesische Opern gedreht und dabei noch einen Traum. Er wollte den chinesischen Sänger Jiamin Li (Jiamin Li) filmen, wie dieser die Oper „Riding Alone For Thousands Of Miles“ aufführt. Die wahrscheinlich todbringende Krankheit macht ihm dies unmöglich. Kurzerhand organisiert Takada für sich einen Trip nach China, um dort Li zu finden und für seinen Sohn zu filmen. Doch dort angekommen, stellt sich schnell ein Problem. Der Sänger sitzt im Gefängnis und scheint damit unerreichbar. Als der Vertrag mit der verpflichteten Übersetzerin Jasmine (Jiang Wen) nach drei Tagen ausläuft und aufgrund anderer Buchungen auch nicht mehr verlängerbar ist, befindet sich Takada plötzlich inmitten eines Landes, dessen Sprache und Kultur er nicht versteht, trotzdem fest entschlossen, entgegen aller Widerstände die Oper mit Li zu filmen.

    Mit „Riding Alone For Thousands Of Miles“ liefert Zhang Yimou einen erstklassigen Beweis dafür ab, wie viel man selbst auch aus einer einfachen Story herausholen kann. Von Anfang an wird der Zuschauer emotional involviert und fühlt mit dem Hauptcharakter auf dessen langer und irgendwie einsamer Reise mit. Einen großen Anteil daran hat der japanische Schauspieler Ken Takakura. Der in westlichen Artikeln wechselweise als der „japanische Clint Eastwood“ oder der „japanische Sean Connery“ bezeichnete Akteur, versteht es trotz bzw. gerade wegen seiner recht stoischen Mimik, die Gefühle des Publikums zu berühren. „Riding Alone For Thousands Of Miles“ wurde von Yimou voll auf ihn zugeschnitten und ist daher auch ein Denkmal für diesen großen Darsteller, um den es in den letzten Jahren eher ruhig geworden ist. In den Siebzigern (Hauptrolle in Sidney Pollacks „Yakuza“) sowie Ende der Achtziger, Anfang der Neunziger (große Rolle in Ridley Scotts „Black Rain“ sowie Nebenrolle in „Mr. Baseball“) bewies Takakura auch in Hollywood-Produktionen sein großes Talent.

    Die Erzählweise weist einen geschickten Kniff auf, der mit ursächlich für die Klasse des Films ist. Obwohl der Protagonist begleitet wird und man die Geschehnisse größtenteils aus seiner Sicht wahrnimmt, wird trotzdem auf den personalen Erzähler verzichtet. Stattdessen bekommt der Zuschauer durch die komplette Untertitelung einen Wissensvorsprung. Denn im Gegensatz zu Takada versteht er so dessen chinesische „Gesprächspartner“. In klassischer Weise wird dabei aus der Schwierigkeit der Verständigung und dabei auftretenden Missverständnissen eine Menge Witz gezogen. Vor allem der Charakter des Chinesen Lingo (Lin Qiu), der - passend zu seinem Namen - Takada schließlich als Dolmetscher begleitet, aber entgegen eigener Aussage kaum ein Wort Japanisch kann, wird dabei immer wieder als Running Gag benutzt. Der Humor hält sich dabei aber vortrefflich im Rahmen des Gesamtkonzeptes, rutscht also niemals ins Banale oder in den Klamauk ab, sondern kommt angenehm ruhig daher.

    Man kann dem einfühlsamen Drama sicher vorwerfen, dass es in einigen Momenten recht plakativ ist. Dies schadet ihm aber kaum. Natürlich ist „Riding Alone For Thousands of Miles“ ein offenes Plädoyer für menschliche Güte, Miteinander und ein Beitrag zur Chinesisch-Japanischen Völkerverständigung, der – vielleicht gegenüber der Realität etwas zu positiv verklärt – zeigt, dass die beiden unterschiedlichen Kulturen miteinander auskommen können sowie dass es Hilfsbereitschaft untereinander gibt. Dass dieses Anliegen so offen kommuniziert wird, mag man aber gar nicht als Vorwurf formulieren. Denn es wird mit exzellent fotografierten Bildern und in einer berührenden Weise vorgetragen, ist zudem inhaltlich natürlich voll unterstützenswert, und auch nie zu aufdringlich, inszeniert.

    Genauso wenig schadet, dass die Geschichte sich aus altbekannten Komponenten zusammensetzt. Die Road-Movie-ähnliche Reise eines alten Sturkopfs kennt man z.B. aus Lynchs The Straight Story und das amüsante letzte Drittel, in dem Takada eher unfreiwillig ein Kind als Begleiter hat, ähnelt in einigen Momenten frappierend Takeshi Kitanos Kikujiros Sommer. Da es Zhang Yimou aber gelingt, diese bekannten Einzelteile zu einem runden neuen Gesamtwerk zusammen zu bauen, hat man nie den Eindruck ein Plagiat zu sehen, sondern freut sich über einen weiteren exzellenten Film des Regisseurs. Nur bei Sony scheint man dahingehend noch etwas skeptisch zu sein. Der Verleih, welcher den Weltvertrieb für den Film übernommen hat, bescherte ihm in den meisten Ländern schon eine Kinoauswertung. In Deutschland ist eine solche noch immer fraglich, trotz der großen Erfolge der vorangegangenen Werke. Man scheint davon auszugehen, dass das deutsche Publikum von Zhang Yimou mittlerweile nur noch Martial-Arts sehen will und mit viel Pech wird man so bis zu dessen nächstem Werk Curse Of The Golden Flower warten müssen, wenn man Yimou abseits von Festivals auf der großen Leinwand erleben will. Das ist wieder ein Martial-Arts-Epos und damit ein sicherer Kandidat für eine Kinoauswertung.

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