Nach dem durchaus erfolgreichen und von der Kritik hoch gelobten Dokumentarfilm Workingman´s Death trieb es den immer wieder zwischen Realität und Fiktion wechselnden Österreicher Michael Glawogger mal wieder auf die Seite des fiktiven, unterhaltenden Spielfilms. Mit „Slumming“ bleibt er allerdings trotz viel Humor seinem kritischen Blick auf die immer weiter auseinanderklaffende Schere zwischen Arm und Reich treu und behält auch eine von ihm oft verwendete episodenhafte Erzählweise sowie einen fast dokumentarischen Blick auf seine Figuren bei. Gepaart mit Glawoggers Talent für starke Bilder ergibt dies trotz einiger Schwächen ein inhaltlich und vor allem darstellerisch überzeugendes Werk.
Sebastian (August Diehl) und Alex (Michael Ostrowski) sind Yuppies, wie sie im Buche stehen. Die schicke Wohnung und das dicke Auto bezahlt von Papa, gehen sie am liebsten ihrem Hobby „Slumming“ nach. Dabei ziehen sie durch von der „Unterschicht“ bevölkerte Lokale, stiften mit spendierten Rosensträuchen Verwirrung oder entwenden auch mal den Schlüssel des Kneipenbesitzers, um von außen die Tür zu versperren. Auch folgen sie mal irgendwelchen Passanten, um lautstark deren Leben zu analysieren und auf die ihnen dadurch entgegenschlagende Aggression unschuldig pikiert zu reagieren. Sebastian frönt daneben einer besonderen Art des Treffens mit Frauen aus Internetkontaktanzeigen: Während er ihr dauerndes Gelaber ignoriert, fotografiert er, was die Damen so unter dem Rock tragen. Bei einer ihr Touren durch das verschneite Wien entdecken die beiden Studenten den Säufer und Hobbypoeten Kallmann (Paulus Manker) völlig betrunken auf einer Parkbank am Wiener Bahnhof schlafend. Für Sebastian die perfekte Ausgangslage für den neuesten Streich, in den, wenn auch etwas widerwillig, Alex einwilligt. Als Kallmann aufwacht, ist der Bahnhof „gschrumpft“, denn die beiden „Slummer“ haben ihn an einen solchen in einer tschechischen Kleinstadt bugsiert, natürlich nicht ohne ihm vorher Pass und Geld abzunehmen. Während Kallmann sich nun auf eine Odyssee durch den tiefsten tschechischen Winter gen Heimat macht, trifft Sebastian in Wien bei einem seiner Blind-Dates die Volksschullehrerin Pia (Pia Hierzegger). Weil die sich ganz anders verhält, als die sonstigen Kandidaten, weckt sie sein Interesse. Doch für einen kalten, herzlosen Yuppie ist es nicht ganz einfach sich zu verlieben…
„Slumming“ besteht im Endeffekt aus drei phasenweise selbstständigen, aber auch immerzu im Kontext zueinander stehenden Erzählfäden. Kallmanns Versuch der Rückkehr, Pia und Sebastians „Beziehung“ sowie an beides angekoppelt einem Rettungsversuch für Kallmann. Begleitet wird dies von einer sehr ausführlichen Exposition, in der die Charaktere ungewöhnlich ausgiebig vorgestellt werden und welche gleichzeitig die Richtung vorgibt. „Slumming“ lebt von seinem schwarzen Humor und obwohl der Film phasenweise zu oberflächlich bleibt, ist er die meiste Zeit dadurch sehr unterhaltsam. Die Streiche der beiden Yuppis, die dauerhaften Schimpftiraden von Kallmann (im Intro und Outro übrigens gekonnt zur gleichen Musik, zu der auch RZA in Quentin Tarantinos Kill Bill Vol. 1 seine „Ode To Oren Ishii“ rappt) sind zu Beginn die Hauptgaranten des bösen schwarzen Humors.
Erstaunlich ist, wie es Glawogger schafft, mit den Schicksalen seiner drei Protagonisten (Alex wird immer mehr in die Rolle eines eher bedeutungslosen Mitläufers gedrängt) zu fesseln, obwohl keine von diesen das Zeug zu einer klassischen Sympathiefigur hat. Sebastian ist trotz des (leider zu schnell und oberflächlich daher kommenden) Charakterwandels am Ende einfach ein „Arsch“. Kallmann beleidigt, meist grundlos, einfach jeden und die idealistische Pia ist über weite Strecken so naiv und erwachsen zugleich, dass man die Hände über dem Kopf zusammen schlägt. Und trotzdem wirken die Figurenbeziehungen untereinander und alle wachsen einem auch irgendwie ans Herz. Das liegt vor allem an den brillant aufspielenden August Diehl (23, Tattoo) und Paulus Manker (Basta. Rotwein oder Totsein), ohne deren Mitwirken „Slumming“ sicher die Hälfte seiner Kraft verlieren würde.
Da beide aber mit an Bord sind, muss man sich diese Sorgen allerdings nicht machen, sondern kann ihr Spiel und damit den gesamten Film genießen. Denn obwohl „Slumming“ dramaturgisch bisweilen etwas sperrig ist, was auch daher rührt, dass der Spielfilm teilweise wie ein Dokumentarfilm wirkt, ist er sehr unterhaltsam und ein neuerlicher Beweis dafür, dass man das österreichische Kino nicht unterschätzen sollte.