“I told you I would eat you up!“
Regisseur Paul Thomas Anderson konnte sich 2007 mit seinem Meisterwerk „There Will Be Blood“ nicht nur in der Filmwelt etablieren, sondern bewies, dass er einer der besten in der Branche ist. Seine Filme sind stark, haben einen eigenen Charakter und sind oftmals nicht gleich beim ersten Sehen zu deuten.
„There Will Be Blood“ basiert lose auf dem Buch „Oil“ aus dem Jahre 1927 (Autor: Upton Sinclair) und wurde für unzählige Preise nominiert, darunter acht Oscars. Gewinnen konnte der Film zumindest zwei Academy Awards, einmal für die beste Kamera und einmal Daniel Day-Lewis als bester Hauptdarsteller. Hätte der Film nicht gegen seinen Konkurrenten „No Country for Old Men“ antreten müssen, wären sicherlich mehr Trophäen für das Charakterdrama heraus gesprungen, aber der Film der Coen-Brüder war eben auch genial. Dennoch… „There Will Be Blood“ hat sich bis heute als ein modernes Meisterwerk etabliert und das völlig zurecht. Das Drama ist so vielschichtig, so mehrdeutig, dass man immer wieder neue Dinge entdeckt und hinein interpretieren kann. Und als wäre das nicht genug, ist der Film auch auf allen anderen Ebenen absolut meisterhaft.
Die Geschichte beginnt 1898: Nach einem Unfall bei der Suche nach Silber, wechselt Daniel Plainview ins Ölgeschäft. Im Laufe der Jahre wird er ein gerissener Geschäftsmann und adoptiert einen kleinen Jungen, namens H. W., dessen Vater beim Ölbohren tragisch zu Tode kommt. 1911 bekommt Daniel dann die Info, dass in einem kleinen Örtchen in Kalifornien Öl zu finden sei. Zusammen mit seinem Sohn und einer Horde an Arbeitern beginnt die Jagd nach dem schwarzen Gold. Während die Arbeiten von Problemen und Unfällen heimgesucht werden, feindet sich Daniel vor allem mit dem örtlichen Prediger Eli an, der mit seiner Kirche ein Dorn im Auge des ungläubigen Ölmannes ist…
„There Will Be Blood“ behandelt so viele spannende Themen. Da wäre einmal der Kampf zwischen Religion und Kapitalismus, den Anderson hier auf eine ganz andere Eben holt. Für mich wirkt der Konflikt nicht selten wie ein Krieg zwischen Himmel und Hölle. Während Eli eine verzerrte Form Gottes darstellt, ist Daniel eine ebenso fragwürdige Interpretation des Teufels, der die meiste Zeit unter der Erde zugange ist und in einer Szene sogar eine Art Höllenfeuer aus dem Boden beschwört. Dabei kritisiert der Film Religion und die Kirche in besonderem Maße, was ich liebe.
Vor allem aber ist der Film von Anderson eine faszinierende und beeindruckende Charakterstudie! Der Mensch Daniel Plainview ist unfassbar komplex und man könnte ihn leicht als „bösen“ Menschen abstempeln. Und ja, er tut unfassbare Dinge im Laufe der Geschichte, aber so einfach ist es natürlich nicht. Immer wieder scheinen Momente der Liebe und Ehrlichkeit durch. Seine Figur ist kein eindimensionaler Antagonist, sondern ein Mensch, den ich persönlich in vielen Bereichen verstehen kann. Gerade seine Beziehung zum Sohn H. W., was Human Worker (menschliche Arbeitskraft) bedeutet, ist faszinierend und zeigt, wie vielschichtig dieser Film ist.
Natürlich ist dies dem brillanten Cast zu verdanken: Daniel Day-Lewis als Daniel Plainview (ein Daniel, der einen Daniel spielt) gibt hier eine seiner besten Leistungen, was bei diesem fantastischen Schauspieler schon sehr viel bedeutet. Ich bin zwar kein Fan des kontroversen Method Actings, welches Day-Lewis selbst betreibt, aber das Ergebnis spricht für sich. Ich bin der Meinung eine solche Performance ist auch ohne die umstrittene Schauspiel-Methode zu erreichen, aber man muss auch die Leistung anerkennen. Der Oscar für ihn ist absolut verdient und besonders das differenzierte Spiel mit Stimme und Körper machen seine Performance so hypnotisieren und atemberaubend. Aber auch Paul Dano ist stark. Er spielt hier kurioserweise zwei Figuren, die beiden Brüder Eli und Paul (ein Paul, der einen Paul spielt). Ursprünglich wr ein anderer Darsteller für Eli vorgesehen, aber dadurch dass Dano beide spielt und Paul nach seiner Szene praktisch verschwindet, hat seine Präsenz als Eli etwas Unheimliches und Übernatürliches, egal ob beabsichtigt oder nicht von Anderson. Und Dano ist beeindruckend und kann sich gegen Day-Lewis sogar immer wieder behaupten. Das Finale zwischen den beiden ist auf den ersten Blick zwar etwas zu aufgeblasen, aber gleichzeitig ergibt es auch Sinn, da sich hier die beiden Figuren entladen. Besonders Day-Lewis transformiert sich in eine Art Monster, was ich sehr spannend finde.
Auch der restliche Cast ist stark, bis in die kleinste Nebenrolle, selbst die Kinderdarsteller sind gut!
Ein großes Lob verdient in der Hinsicht aber auch das Drehbuch von Anderson selbst. Seine Dialoge sind großartig, poetisch und gleichzeitig natürlich. Dadurch entwickelt der Film im Laufe der 158 Minuten eine unfassbare Spannung und ich wurde selbst beim zweiten Sehen immer mehr in diesen dunklen Strudel hineingerissen!
Technisch ist „There Will Be Blood“ ebenfalls ein Meisterwerk: Die Kameraarbeit von Robert Elswit, der bis dahin alle PTA-Filme begleitete, fängt das Geschehen atemberaubend ein. Besonders die Momente der Action sind hypnotisierend, aber auch einige Landschaftsaufnahmen zeugen von einer unfassbaren Bildkraft. Dieser Oscar ist absolut verdient!
Obendrein komponierte Johnny Greenwood, der ab diesem Film alle weiteren PTA-Filme vertonte, einen großartigen und unheimlichen Score, der kurioserweise keine Nominierung erhielt…
Fazit: „There Will Be Blood“ ist ohne Zweifel ein Meisterwerk der Neuzeit. Eine beeindruckende Charakterstudie, die mit ihren vielschichtigen Themen in die Abgründe eines Menschen schaut. Großartige Darsteller, meisterhafte Bilder und einzigartige Musik erschaffen ein mitreißendes Erlebnis, welches mich auch noch in 20 Jahren begeistern und berühren wird!