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    Animals In Love
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Animals In Love
    Von Björn Helbig

    Tier- und Naturfilme sind seit einigen Jahren nicht mehr nur auf das TV-Programm beschränkt, sondern laufen auch im Kino richtig gut. Die Reise der Pinguine, Deep Blue oder zuletzt Unsere Erde sind nur einige erfolgreiche Beispiele. Vor allem seit die Diskussion um den Klimawandel und die damit verbundene Abnahme der biologischen Vielfalt die öffentliche Wahrnehmung stark für ökologische Themen sensibilisiert hat, ist das Interesse an solchen Formaten gewachsen. Doch nicht jedem Zuschauer gefällt die Grundstimmung der Dokumentationen, in denen es meist entweder um das Fressen und Gefressenwerden oder den menschverschuldeten ökologischen Kollaps geht. Für diejenigen, die sich zu dieser Gruppe zählen, dürfte Laurent Charbonniers Film „Animals In Love“ genau das Richtige sein, beschäftigt sich die Tierdoku doch ausschließlich mit der schönsten Nebensache der Welt.

    Über 170 Tierarten hat Charbonnier für seine Doku „Animals In Love“ vor die Kamera bekommen. Immerhin 80 davon tauchten auch tatsächlich im Film auf. Das Projekt verschlang 500 Tage Drehzeit, in denen 80 Stunden Bildmaterial entstanden. Die Aufnahmen vom Liebesleben im Tierreich wurden in mehr als 16 Ländern bei Temperaturen von –30 °C bis +50 °C gemacht. Das klingt schon eindrucksvoll. Doch Charbonnier ist ja auch beileibe kein Unbekannter in der Tierfilmszene. Bereits als Kind und als junger Erwachsener sammelte er Erfahrungen mit dem Naturfilm. Er drehte in dieser Zeit über 40 Dokumentationen. 1998 bekam er die Chance, die Tierszenen für den französischen Film „Ein Sommer auf dem Lande“ aufzunehmen. Im Anschluss war er für Nomaden der Lüfte und Der letzte Trapper als Kameramann tätig. Charbonniers immense Erfahrung schlägt sich auch in seinem neuen Film nieder, dem die Liebe zur Materie in jeder Minute anzusehen ist.

    In den Phasen des Films – Balz, Paarung, Geburt – ist der Titel Programm, wenngleich das Wort „Liebe“ für die tierischen Angelegenheiten in diesem Zusammenhang etwas irreführend sein mag und mit Vorsicht zu genießen ist – denn über längerfristige Bindungen erfährt man in dieser Dokumentation nichts. Nachdem im ersten Akt verschiedene Tierarten ihre Verführungskünste unter Beweis gestellt haben, geht es im folgenden richtig zur Sache: Von den schüchternen Annähungsversuchen eines Löwen an das Objekt seiner Begierde über eine wilde Känguru-Orgie bis hin zu sonderbaren Paarungsriten aus dem Vogelreich bekommt der Zuschauer eine Menge geboten. Und natürlich gibt es noch viel mehr zu sehen: Giraffen, Gnus, Zebras, Elefanten, Gazellen, Wale, Hirsche, Frösche und viele Tierarten mehr werden vorstellig und gewähren Einblicke in ihr Liebesleben. Das alles wirkt zwar manchmal etwas beliebig aneinander gereiht, doch die seltenen Einblicke in das Intimleben der Tiere entschädigen für gelegentliche Längen des Films. Die wahrscheinlich eindrucksvollsten Aufnahmen stammen aus dem vielfältigen Reich der Vögel, deren teils äußerst skurriles Paarungsverhalten garantiert jeden Zuschauer überraschen wird. In einem letzten Akt, der im Vergleich zu den ausführlichen Balz- und Paarungsszenen etwas kurz geraten wirkt, wird der Zuschauer dann Zeuge, wie - frisch aus dem Ei gepellt oder noch wacklig auf vier Hufen - das neue Leben zum ersten Mal das Licht der Welt erblickt.

    Viele Tierdokumentationen setzen ihren Schwerpunkt auf die Informationsvermittlung. Im Gegensatz dazu legt „Animals In Love“ seinen Fokus fast ausschließlich auf die Schauwerte. Hier erreicht der tierische Liebesreigen zwar niemals die visuelle Brillanz von Alastair Fothergills Unsere Erde, doch kann er dafür zumindest mit einigen nie gesehenen Bildern aufwarten. Einige Szenen drehte Charbonnier direkt vor seinem Haus in Frankreich, für andere bereiste er mit seinem Team die ganze Welt. Mit Kommentaren hält sich der Film weitgehend zurück (in der Originalfassung noch mehr als in der deutschen Version). Stattdessen lässt er seine Bilder lieber für sich sprechen. Wer sich über das Paarungsverhalten im Tierreich in erster Linie informieren will, wird in diesem Film deswegen kaum auf seine Kosten kommen. „Animals In Love“ richtet sich an den geneigten Zuschauer, der willens ist, sich 86 Minuten allein von Naturbildern und ihrem Klang unterhalten zu lassen. Wobei angemerkt werden muss: Ein bisschen voyeuristisch ist es natürlich schon, den Tieren bei solch intimen Momenten beizuwohnen. Nicht gerade bei Vögeln, doch bei den menschenähnlichen Affen und ihrer missionarischen Akrobatik hoch oben in den Baumwipfeln fühlt man sich wie bei einem unerlaubten Blick durchs Schlüsselloch in das Schlafzimmer der Natur erwischt.

    Muss man Filme wie „Animals In Love“ eigentlich wirklich im Kino sehen? Wahrscheinlich nicht. Oft genießt man die von vielen als entspannend wahrgenommene Wirkung von Tierdokumentationen an einem verregneten Sonntagnachmittag lieber auf dem heimischen Sofa. Ein Grund, der manch einen vielleicht doch zum Kinobesuch bewegen könnte, ist jedoch die Filmmusik. Diese stammt in diesem Fall nämlich von niemand geringerem als Philip Glass, zu dessen wohl berühmtesten Arbeiten der minimalistisch-treibende Soundtrack von „Koyaanisqatsi“ gehört. Filmen wie Die Truman Show, The Fog Of War oder zuletzt Cassandras Traum drückte er dank seines unverkennbaren Stils seinen Stempel auf. Was den Wiedererkennungswert von „Animals In Love“ angeht, spielt Glass’ Score eine wahrscheinlich ebenso bedeutende Rolle wie die unverbrauchte Thematik des Films.

    Fazit: „Animals In Love“ nimmt unter den jüngsten Tier- und Naturdokumentationen zwar keinen Spitzenplatz ein, kann sich trotz einiger Längen aber vor allem thematisch und musikalisch sein Revier abstecken.

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