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    Der Italiener
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Der Italiener
    Von Christoph Petersen

    In einer Szene aus Nanni Morettis satirischer Tragikomödie „Der Italiener“ beschwert sich eine junge Regisseurin darüber, dass zwar dauernd Filme über den amerikanischen Präsidenten gemacht werden, sich aber niemand traut, einen über Italiens Premierminister Silvio Berlusconi zu drehen. Natürlich ist diese anklagende Feststellung ein wenig übertrieben, hat sich doch zum Beispiel der deutsche Regisseur Jan Hendrik Stahlberg erst vergangenes Jahr an der nicht immer treffsicheren Anti-Berlusconi-Satire Bye Bye Berlusconi versucht, aber bei längerem Nachdenken wird die filmische Überrepräsentation des US-Präsidenten doch immer deutlicher. Quer durch alle Genres wurde der mächtigste Mann der Welt im Kino verwurschtelt, von einer harmlosen Komödie wie „Dave“ bis hin zu einer unverhohlenen Sci-Fi-Huldigung in Independence Day, von Oliver Stones kritischer Biographie Nixon bis zu seiner eigenen Sitcom „Hier kommt Bush!“ reicht die beeindruckende Bandbreite der Präsidenten-Filmographie. Dabei ist die von mafiösen Strukturen durchzogene Historie von Italiens mächtigstem Giftzwerg keinen Deut weniger interessant. Weil diese Verstrickungen aber mittlerweile hinlänglich offengelegt sind, sie nur offensichtlich kaum einen Italiener interessieren, scheint es eigentlich unmöglich, das einheimische Publikum mit einer einfachen Berlusconi-Biographie in die Lichtspielhäuser zu locken. Das hat auch „Goldene Palme“-Preisträger Moretti, der die bedeutende Auszeichnung für sein einfühlsames Drama „Das Zimmer meines Sohnes“ entgegennehmen durfte, erkannt, und bedient sich deshalb eines geschickten Kunstgriffes. „Der Italiener“ erzählt vordergründig die tragikomische Geschichte eines niedergegangenen B-Movie-Produzenten, die bitterböse Berlusconi-Anklage schleust Moretti erst durch die Hintertür einer Film-im-Film-Handlung mit ein. Das Ergebnis ist nicht nur ein großartiger Film, „Der Italiener“ hat in seiner Heimat so zugleich auch noch zwei Wochen vor der letzten Wahl, die Berlusconi dann ja bekanntermaßen verloren hat, an den Kinokassen richtig abgesahnt.

    Filmproduzent Bruno Bonomo (Silvio Orlando), der sich früher recht erfolgreich mit trashigen B-Movie-Streifen wie „Die Killermokassins“ oder „Herkules gegen Freud“ durchschlug, hat mittlerweile seit Jahren keine Produktion mehr finanziert bekommen. Der Bankrott steht unmittelbar bevor und auch privat sieht es für Bruno nicht gerade rosig aus, hat sich seine Frau Paola (Margherita Buy) doch schon vor sechs Monaten von ihm getrennt. Als auch noch sein letztes Projekt, der groß angelegte Kostümfilm „Die Rückkehr des Christoph Kolumbus“, den Bach runtergeht, ist Bruno endgültig alles egal: Obwohl er nur wenige Seiten überflogen hat, eigentlich gar nicht genau weiß, wovon es handelt, entschließt er sich, ein Drehbuch namens „Il Caimano“ zu verfilmen – und zwar nur, weil es gerade zufällig auf seinem Schreibtisch liegt. Gemeinsam mit der jungen Regisseurin Teresa (Jasmine Trinca) stürzt er sich in die Arbeit. Doch irgendwie scheinen Geldgeber und Schauspieler aus irgendeinem Grund Angst vor dem Film zu haben. Irgendwann geht so auch Bruno auf, dass es sich bei der Geschichte des Kaimans eigentlich um die Biographie von Premierminister Berlusconi handelt, er nicht dabei ist, einen drittklassigen Agenten-Actioner, sondern einen wichtigen politschen Film zu produzieren. Eigentlich hatte ja auch er bei der letzten Wahl Berlusconi seine Stimme gegeben, aber egal, jetzt zieht Bruno die Sache zum Wohle aller Italiener bis zum bitteren Ende durch...

    In erster Linie ist „Der Italiener“ eine Tragikomödie – und zwar eine verdammt gute. Wie in seinen früheren Filmen fährt Moretti auch hier wieder seine altbekannte, aber nichtsdestotrotz immer hervorragend funktionierende Mischung aus genauer Beobachtung, tiefem Verständnis und feinem Humor auf, um sein Publikum auf allerhöchstem Niveau zu unterhalten. Dabei erweist sich vor allem sein Hauptdarsteller Silvio Orlando, der mit Moretti schon bei dessen „Wasserball und Kommunismus“, „April“ und zuletzt „Das Zimmer meines Sohnes“ zusammengearbeitet hat, als absolut perfekte Besetzung. Seine Darstellung des gescheiterten Mannes weist genau jenes Verhältnis von leisem Humor und bewegender Tragik auf, mit dem seit Charlie Chaplin und Buster Keaton die ganz Großen der Komikerzunft für Furore sorgten – schlichtweg grandios. Und auch die Frauen an seiner Seite können restlos überzeugen. Margherita Buy („Der schönste Tag in meinem Leben“) meistert die ebenso schwierige wie wichtige Aufgabe, Paola mit soviel Charme zu porträtieren, dass das Publikum ihr bei der Trennung von Sympathieträger Bruno nicht den Schwarzen Peter zuschiebt. Und Jasmine Trinca (Handbuch der Liebe) sorgt als unerfahrene Regisseurin und lesbische Mutter Teresa für die nötige jugendliche Frische.

    Auch wenn sich „Der Italiener“ nicht als frontale Berlusconi-Attacke präsentiert, spielen die kritischen Politanteile doch eine extrem große Rolle. Ursprünglich hatte Moretti gar ein reines Anti-Berlusconi-Projekt geplant, sich dann aber schließlich doch dazu entschlossen, die satirischen Elemente in einem anderen Film zu verpacken. Als erster genialer Einfall erweist sich dabei, wie „Il Caimano“ Brunos früheren Filmen gegenübergestellt wird: Auf der einen Seite die aberwitzigen Storylines der Trashfilme der 70er-Jahre, auf der anderen eine sachliche Berlusconi-Biographie – und doch wirkt schlussendlich alles gleichermaßen absurd. Im weiteren Verlauf tauchen dann immer mehr Film-im-Film-Szenen auf, in denen Stationen aus Berlusconis Karriere angerissen werden. Dabei muss Moretti gar nicht mal soviele satirische Zutaten beisteuern, auch beim puren Nacherzählen einzelner Begebenheiten kommt dem Zuschauer die Galle hoch – vor allem dann, wenn Berlusconi einen deutschen Politiker zur perfekten Besetzung als SS-Aufpasser in einem KZ-Film erklärt und diese Frechheit auch nach mehrmaliger Aufforderung nicht zurückzunehmen bereit ist. Erst die allerletzte Sequenz von „Der Italiener“ entpuppt sich als fiktive Satire – Berlusconi wird wegen seiner Mauscheleien im Gegensatz zur Realität von einem ordentlichen Gericht verurteilt, woraufhin er offen zu einer Art Bürgerkrieg aufruft. In diesen Momenten, in denen man Berlusconis mimiklose Fratze betrachtet, während im Hintergrund die Molotow-Cocktails fliegen, bekommt der Film noch einmal eine unheimlich beklemmende Qualität.

    Fazit: Nanni Moretti gelingt es mit „Der Italiener“ meisterlich, die tragikomische Geschichte eines gebrochenen Produzenten mit einer ambitioniert-satirischen Berlusconi-Schelte zu kombinieren. Was auf den ersten Blick unsinnig erscheint, entpuppt sich auf den zweiten als seltener Geniestreich.

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