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    Keine Sorge, mir geht's gut
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Keine Sorge, mir geht's gut
    Von Björn Helbig

    Wenn jemand sagt: „Keine Sorge, mir geht’s gut“, dürften bei vielen die Alarmglocken klingeln. Denn viel zu oft ist dann das Gegenteil der Fall und gar nicht alles gut. So auch beim neuen Film des französischen Filmemachers Philippe Lioret, einer Mischung aus Thriller und Familiendrama, in dem ein junges Mädchen versucht, das Verschwinden ihres Zwillingsbruders aufzuklären. Mit mehr als einer Million Zuschauer zählte der Film zu den Erfolgen des französischen Kinojahres 2006.

    Als die 19-jährige Lili (Mélanie Laurent) aus dem Sommerurlaub zurückkommt, ist ihr Zwillingsbruder Loic verschwunden. Die Eltern, die sich betont normal verhalten, berichten Lili, dass ihr Bruder nach einem heftigen Streit mit ihrem Vater Paul (Kad Merad) das Haus verlassen habe. Doch Lili merkt schnell, dass etwas nicht stimmt. Loic würde sie nie ohne ein Wort, ohne Abschiedsbrief verlassen. Genauso wenig würde er beharrlich schweigen, obwohl Lili ihm doch so oft auf die Mailbox spricht, bis diese voll ist. Doch ihre Eltern bleiben bei der Geschichte von dem Streit und Lili leidet immer mehr unter der für sie unerklärlichen Abwesenheit ihres Bruders.

    Das ist aber erst der Anfang. Die unerklärliche Abwesenheit ihres geliebten Bruders, die hilflos-überforderte Mutter (Isabelle Renauld) und der seltsam unbeteiligt wirkende Vater sind zuviel für Lili. Sie stürzt in eine schwere Depression, verweigert das Essen und wird bald darauf sogar in die psychiatrische Abteilung des Krankenhauses eingewiesen. Doch auch dort bleibt Lili hart und verweigert jede Nahrung. Ihr Zustand ist kritisch. Doch dann, endlich – Lili bekommt Post von ihrem Bruder. Eine einfache Postkarte mit der Nachricht, dass es ihm gut gehe, er es zu Hause nicht mehr ausgehalten habe und mit seiner Gitarre von Stadt zu Stadt reise, mal hier ein paar Tage, mal dort.

    Die Ausgangssituation des Films ist einfach wie raffiniert und bietet eine Menge Spannungspotenzial. Da verschwindet eine geliebte Person einfach so mir nichts dir nichts, und die Umwelt scheint von diesem Verschwinden keine Notiz zu nehmen. Ein klein wenig erinnert diese Ausgangssituation an Die Vergessenen, doch während Joseph Rubens Film den Sphären entschwebt, behält „Keine Sorge, mir geht’s gut“ die Bodenhaftung. Regisseur Philippe Lioret („Die Frau des Leuchtturmwärters“) und der Autor der Romanvorlage Oliver Adam, der neben Lioret mit für das Drehbuch verantwortlich war, schaffen gut die Hälfte des Films das kleine Kunststück, die Geschichte in der Schwebe zwischen Teenagerfilm, Thriller und Familiendrama zu halten und gleichzeitig für ein gehöriges Maß hintergründiger Spannung zu sorgen. Mit Erscheinen der Briefe, die dafür sorgen, dass sich Lilis bis dahin kritischer Zustand stabilisiert, fällt die Spannungskurve allerdings ab. Ab dem Zeitpunkt, als sich Lili mit dem Leben ohne ihren Bruder zu arrangieren scheint, fehlt dem Zuschauer etwas der Fokus. Dass der Film in der zweiten Hälfte den Kopf einigermaßen über Wasser halten kann und nicht in Mittelmäßigkeit versinkt, verhindert die Leistung von Mélanie Laurent, die manch einer vielleicht als Freundin des Gangsters Minskov in Der wilde Schlag meines Herzens wiedererkennt. Sie macht Lili zu einer Figur, die den ganzen Film trägt: stark und schwach, getrieben, verzweifelt, sehnsüchtig.

    Vor der Pressevorführung des Films sowie in Großschrift auf der ersten Seite des Presseheftes wird die Presse darum gebeten, nicht die Auflösung der Geschichte zu verraten, da der Film seine Wirkung maßgeblich seinem Geheimnis verdanke. Darauf soll hier natürlich Rücksicht genommen werden. Auch wenn „Keine Sorge, mir geht’s gut“ zum Glück nicht maßgeblich vom Überraschungseffekt seiner Auflösung abhängig ist. Die Pointe ist nämlich recht früh zu erahnen und nicht wirklich überzeugend. Nachdem die Katze aus dem Sack ist, dürften manche Zuschauer Probleme damit haben, die Motivation einiger Figuren nachvollziehen zu können. Dass der Film trotz der Vorhersehbarkeit des finalen Twists ein Blickfang ist, liegt in erster Line an den starken Darstellerleistungen. Diese, sowie einige überraschende Handlungsverläufe, die nicht direkt etwas mit der Auflösung zu tun haben, sind es, die den Film oft (wenn auch leider nicht über die gesamte Zeit) fesselnd machen. Großes Kompliment noch mal an Mélanie Laurent. Ihr ist es zu verdanken, dass man mehr und mehr in die Geschichte gezogen wird und dass man ihre Sehnsucht nach ihrem Bruder fast körperlich miterlebt.

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