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    Bobby - Sie alle hatten einen Traum
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Bobby - Sie alle hatten einen Traum
    Von Daniela Leistikow

    Was bringt Menschen dazu, an etwas zu glauben - an eine Idee, ein Projekt oder eine Person? Diese Frage ist unvermeidlich, wenn man sich Emilio Estevez’ erste Regiearbeit nach rund zehn Jahren Pause ansieht. Wie hat es Estevez geschafft, so viele Stars für seinen dramatischen Episodenfilm „Bobby“ zu begeistern? Die Antwort führt uns zu dem, was „Bobby“ faszinierend macht und gleichzeitig schwächt - der Mythos von Robert „Bobby“ F. Kennedy.

    Es ist der 4. Juni 1968: Senator Robert F. Kennedy, der Bruder des fünf Jahre zuvor ermordeten Präsidenten John F. Kennedy, ist auf dem besten Weg, der nächste Präsident der USA zu werden. Soeben hat er die Vorwahl der Demokraten im Bundesstaat Kalifornien gewonnen, seine Umfragewerte sind sensationell und von den Menschen wird er fast genauso verehrt, wie JFK. Es scheint, als könnte nichts „Bobby“ davon abhalten, die Wahl zu gewinnen und Amerika aus der Krise zu führen. Am Abend wird Kennedy in Los Angeles im Hotel Ambassador eine Dankesrede halten. In diesem Hotel kreuzen sich die Wege von 22 Menschen - vom illegal immigrierten Küchenpersonal bis zum prominenten Hotelgast sind alle Gesellschaftsschichten vertreten. Ihr Leben soll sich in der kommenden Nacht für immer verändern. Es ist die Nacht, in der Robert F. Kennedy ermordet wurde...

    Emilio Estevez hat sich mit „Bobby“ einer großen Aufgabe gestellt. Die Sorgen, Nöte, Ängste und Schicksale von 22 Charakteren zu einem nachvollziehbaren Ganzen zu vereinen, ist eine Aufgabe, die nur wahre Meister der Regie bewältigen können. Leider ist Estevez kein Robert Altman. Deswegen ist „Bobby“ kein so guter Film, wie man es angesichts des faszinierenden Themas und der hervorragenden Besetzung erwarten könnte. Trotzdem ist die Vision, die Estevez hatte, grundsätzlich etwas Bewundernswertes.

    Die Geschichten der einzelnen Charaktere in „Bobby“ werden lediglich davon zusammengehalten, zufällig zur gleichen Zeit am gleichen Ort zu sein. Damit bringt Estevez zwar ein umfassendes und bis in die Details realistisches Porträt von Lebensgefühl und politischen Problemen der späten 60er Jahre zustande, aber keinen zu jedem Zeitpunkt nachvollziehbar strukturierten Film. Eine hervorragende Idee war es, Robert F. Kennedy durch Montage in den Film einzusetzen – Kennedy wird in Original-Filmausschnitten gezeigt, was „Bobby“ etwas Halbdokumentarisches gibt. Mit dieser Authentizität können sich viele der Storys in „Bobby“ nicht messen. Manche Geschichten plätschern vor sich hin und enden dann im Nichts. Bei anderen wird allzu penetrant auf die Bedeutung der Episode gepocht.

    Da wäre zum Beispiel eine junge Frau (Lindsay Lohan, Freaky Friday), die einwilligt, einen jungen Mann (Elijah Wood, Alles ist erleuchtet, Herr der Ringe - Trilogie, Hooligans) zu heiraten, damit er nicht in den Vietnamkrieg muss. Dass sie ihn nur flüchtig kennt, macht ihr Ja-Wort zur Heldentat. Es wird noch politischer: Die mexikanisch-amerikanischen Küchenhilfen (Freddy Rodriguez, „Six Feet Under“, und Jacob Vargas, Jarhead) streiten mit Edward, einem weisen afro-amerikanischen Koch (Laurence Fishburne, Mission: Impossible 3, Matrix- Trilogie), über soziale Gerechtigkeit. Warum letzterer mit dem rassistischen Personalchef Timmons (Christian Slater, True Romance) Gefälligkeiten austauscht, ist ersteren ein Rätsel. Ein afro-amerikanisches Mitglied von Kennedys Wahlkampfteam (Nick Cannon, Darf ich bitten) verkörpert die Sorgen und Nöte der schwarzen Bevölkerung Amerikas.

    Aber nicht alle Sorgen sind politischer Natur: Die abgehalfterte Sängerin und Alkoholikerin Virginia Fallon (Demi Moore, Drei Engel für Charlie) tyrannisiert ihren zum Schosshund degradierten Mann (Emilio Estevez, „Men At Work“) mit ihren Eskapaden. Auch Martin Sheen (Departed: Unter Feinden) und Helen Hunt (Besser geht´s nicht, Was Frauen wollen) stecken mitten in einer Ehekrise, bevor „Bobby“ ermordet wird. Der ehemalige Türsteher des Hotels Ambassador John Casey (Anthony Hopkins, Das Schweigen der Lämmer, Das Spiel der Macht) schwelgt nostalgisch in Erinnerungen, während Hotelmanager Paul (William H. Macy, Thank You For Smoking, Magnolia) im hier und jetzt so seine Probleme hat: Er betrügt seine Frau Miriam (Sharon Stone, Basic Instinct, Alpha Dog), die als Friseurin im Ambassador arbeitet, mit der jungen Telefonistin Angela (Heather Graham, Boogie Nights). Und das sind noch längst nicht alle Geschichten, die in „Bobby“ erzählt werden.

    So weit, so verwirrend: Selbst bei größter Anstrengung und äußerster Konzentration kann man sich die oft nur beiläufig erwähnten Namen der Charaktere nicht merken. Eine wirkliche Identifikation mit den Figuren ist schwierig und vielleicht auch gar nicht gewollt. Viele der Schauspieler wirken eher wie Gaststars in einer Talkshow, die für drei Fragen in drei Minuten auf der Bildfläche erscheinen, um der Show die angestrebte Einschaltquote zu bringen. Anthony Hopkins bleibt so blass wie sein Haar. Und Demi Moore ist eher Drag-Queen als Diva. Die meisten Charaktere sind nur so kurz im Mittelpunkt des Geschehens, dass man den Darstellern den Mangel an echter Tiefe im Spiel nicht in jedem Fall zum Vorwurf mache kann. Der Fehler liegt hier eindeutig in der filmischen Umsetzung und im Drehbuch. Überraschender Weise bringen Slater, Lohan und Wood die schauspielerisch besten Leistungen.

    „Bobby“ ist ein Film der Momente. Wenn Robert F. Kennedy auf der Bildfläche erscheint oder der Filmsong „Never Gonna Break My Faith“ (Bryan Adams erhielt für den Song, gesungen von Mary J. Blige und Aretha Franklin, eine Golden-Globe-Nominierung) zu hören ist, spürt man so etwas wie einen auffrischenden Wind im Filmgeschehen. Doch wenn diese Momente der Wind unter den Flügeln des Films sind, muss man zugeben, er kann zu keinem Zeitpunkt wirklich abheben. Das Drama hat eine starke Botschaft. Aber es ist keine neue Botschaft. Es ist Bobby Kennedys Botschaft. Alles, was bis zum Showdown erzählt wird, ist nur Vorbereitung für den tragischen Moment, um den herum „Bobby“ konstruiert wurde. Der Moment, in dem man sich dessen bewusst wird, ist der Moment, in dem „Bobby“ an Faszination verliert. Der Erfolg des Films hängt zu einem großen Teil davon ab, ob man Robert F. Kennedy mit derselben Inbrunst verehrt, wie Estevez das zu tun scheint. Am Ende hat man das Gefühl, Robert F. Kennedy sei ein Heiliger gewesen. Ob man nun glaubt, dass Kennedy der Mann war, für den seine Unterstützer ihn hielten oder nicht: „Bobby“ hinterlässt den Eindruck, dass etwas unwiederbringlich zum Schweigen gebracht wurde, als Bobby Kennedy starb.

    Wenn man den Auszug aus Robert F. Kennedys Rede im Trailer zu „Bobby“ hört, seine ruhige Stimme, fernab von aller Demagogie, kann man für einen kurzen Moment die Vision dieses Films sehen. Den Film, den Estevez machen wollte und den all die hervorragenden Schauspieler sich beim Lesen des Drehbuchs vorgestellt haben. Den Film, an den die Menschen geglaubt haben, wie an Robert F. Kennedy selbst. Den Film, den man jetzt lieber sehen würde. Nichts desto trotz muss man Estevez’ Vision als etwas Großes und Gutes anerkennen. Und wenn „Bobby“ schon nicht lange im Denken des Zuschauers hängen bleibt, so setzt er doch ein Denkmal: für Robert F. Kennedy, den Mythos nicht den Mann.

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