Achtung: Text enthält SPOILER zum Film
Mit seiner Serienmörder-Ballade „Der Goldene Handschuh“ verfilmt Fatih Akin den gleichnamigen, preisgekrönten Bestseller von Heinz Strunk. Im Zentrum steht der alkoholsüchtige Arbeiter und Nachtwächter Fritz „Fiete“ Honka (gespielt von Jonas Dassler), der als Ripper von St. Pauli in die Kriminalgeschichte einging. Zwischen 1970 und 1975 tötete Honka im Hamburger Stadtteil Altona vier Frauen auf bestialische Weise. Anschließend zerstückelte er sie mit einer Fuchssäge und verscharrte die Leichenteile in seiner Wohnung. In der berüchtigten Abschuss-Kneipe Zum Goldenen Handschuh auf dem Hamburger Berg in St. Pauli kehrte Honka nicht nur regelmäßig ein, sondern holte sich seine Opfer auch von dort nach Hause.
Die wichtigsten Fakten stimmen
Regisseur Akin hält sich weitestgehend an die bekannten Fakten, die er so getreu wie möglich auf der Leinwand abbildet. Vergleicht man Bilder aus dem Kinofilm mit historischen Fotos von Honkas Wohnung (siehe Bildergalerie oben), wird noch deutlicher, wie sehr sich Akin um eine detailgetreue Rekonstruktion bemüht hat. Auch Honkas Wirken im Goldenen Handschuh ist verbürgt, wie der damalige Besitzer Jörn Nürnberg in der Dokumentation „Der Frauenmörder von St. Pauli – Fritz Honka“ berichtet. Honka habe sich in einer Nische der Kneipe eingerichtet und mit dem Ausgeben von Schnaps versucht, verzweifelte, zumeist ältere Frauen anzubaggern, so Nürnberg. Das Milieu stimmt also, die meisten Nebenfiguren in „Der Goldene Handschuh“ sind aber fiktional, da beruft sich Akin auf die literarische Vorlage von Heinz Strunk, der die Geschichte mit seinem trocken-ätzenden Humor herrlich schrullig ausgestaltet und den Sidekicks Namen wie „Soldaten-Norbert“, „Nasen-Ernie“ oder „Anus“ verpasst hat.
"Der Goldene Handschuh": Was wurde eigentlich aus dem St.-Pauli-Ripper Fritz Honka?Auch das Feuer, das in dem Mietshaus in der Hamburger Zeißstraße 74 am Ende von „Der Goldene Handschuh“ ausbricht und dazu führt, dass die Feuerwehr das mörderische Treiben aufdeckt, entspricht den Tatsachen – bis hin zur der Szene, in der sich Honka Zutritt zum abgesperrten Tatort verschafft. Da wurden nur Details aus dramaturgischen Gründen geändert. So löste in Wirklichkeit ein norwegischer Matrose in der Etage unter Honkas Wohnung den Brand aus, weil er mit brennender Zigarette eingeschlafen war. Im Film ist es eine griechische Familie, die beim Kochen übertrieben hatte. Die Erklärung Honkas für den Leichengeruch, der aus seiner Wohnung drang und über den sich Nachbarn schon beschwert hatten, ist jedoch eins zu eins übernommen worden. Honka behauptete, dass der Gestank den exotischen Kochkünsten seiner ausländischen Mitmieter zuzuschreiben sei.
Beim Dialekt hält sich Akin ebenfalls an die Realität, denn Honka stammt aus Leipzig, was Darsteller Jonas Dassler („Das schweigende Klassenzimmer“) auch verbal transportiert. Dass es hier von einigen Sachsen bezüglich der Authentizität des Dialekts auf der Leinwand schon Kritik gab, ändert nichts an der Herangehensweise, hier bei den Fakten zu bleiben. Ebenso wird Honkas Unfall im Jahr 1956 Rechnung getragen, der ihn mit deformierter Nase hinterließ.
Das waren Fritz Honkas Opfer
- Gertraud Bräuer (42), Friseurin und Gelegenheitsprostituierte. Vermutlich im Dezember 1970 getötet. Kopf, Brüste, Hände und Beine wurden abgetrennt und am 2. November 1971 auf einem nahen Firmen-Schrottplatz entdeckt.
- Anna Beuschel (54), Hausfrau und Prostituierte. Ermordet 1974. Honka lernte sie im Goldenen Handschuh kennen, erdrosselte die Frau in seiner Wohnung und verstümmelte die Leiche, die er anschließend im Dachboden verstaute.
- Frieda Roblick (57), Prostituierte. Ermordet im Dezember 1974. Honka tötete sie, nachdem Roblick ihn bestohlen hatte.
- Ruth Schult (52), Prostituierte. Ermordet 1975. Sie stammt auch aus der Stammkundschaft des Goldenen Handschuh, zog bei Honka ein und bekam eines Tages einen Kornflasche über den Kopf geschlagen. Anschließend strangulierte Honka sie, trennte Beine, Brüste, Ohren, Nase und Zunge ab.
Fazit: Alles in allem hält sich Fatih Akin akribisch an Ausstattungsdetails und bleibt auch weitgehend den Fakten der Mordserie treu, während die konkrete Auserzählung von Honkas Privatleben mehr Raum für Fiktion lässt, weil schließlich niemand außer den unmittelbar Beteiligten dabei war. „Der Goldene Handschuh“ läuft seit dem 21. Februar 2019 in den deutschen Kinos.
Fritz Honkas verwahrloste Wohnung
Fritz Honkas Wohnung gleicht einem Trümmerhaufen
Chaos pur in Fritz Honkas Wohnung
Die offiziellen Polizeifotos von Fritz Honka
Zeitungsausschnitt von 1975 nach dem Brand in der Zeißstraße 74 im Mietshaus, das Fritz Honka bewohnte