Im Gegensatz zu vielen seiner Schauspielkollegen hat Gary Oldman nicht nur eine Theater-Ausbildung genossen, sondern ist danach auch über viele Jahre tatsächlich auf der Bühne aufgetreten. So kam der Engländer erst spät zum Film, konnte dafür jedoch sofort Erfolge verzeichnen: Von der ersten Rolle in „Sid & Nancy“ (1986) über „JFK - Tatort Dallas“ bis hin zum Kultstreifen „Leon - Der Profi“ – Oldman brauchte keine Vorlaufzeit, um sich in Hollywood zu etablieren. Dass er dabei hauptsächlich auf Bösewichte abonniert ist, hängt maßgeblich mit seiner einzigartig-dämonischen Aura und seinem expressiven Spiel zusammen, das deutlich von seinen Jahren am Theater geprägt ist. Ganz klar: Ohne Gary Oldman wäre das Filmbusiness um eine faszinierende Gestalt ärmer.
Anfänge am Theater
Gary Oldman, geboren am 21. März 1958 in New Cross, London, kommt aus schwierigen familiären Verhältnissen. Der Vater war alkoholabhängig und kaum für die Familie da. Bereits mit sechzehn Jahren verließ Oldman die Schule. Dennoch durfte er 1976 mittels eines Stipendiums ein Studium am Rose Bruford Drama College beginnen. Nach seinem Abschluss arbeitete er jahrelang am renommierten Londoner Royal Court Theatre und wurde in dieser Zeit mehrfach mit Preisen ausgezeichnet. In den 80ern sammelte Oldman erste Erfahrungen im Filmgeschäft, allerdings zunächst nur im Rahmen von TV-Produktionen. Dazu gehörten beispielsweise die Serien „Dramarama“ und „Morgan‘s Boy“, in denen er 1984 mitwirkte. Bereits zwei Jahre später jedoch erhielt er die Rolle des Sex-Pistols-Bassisten Sid im Punk-Drama „Sid & Nancy“. In der Folge war der Schauspieler zunächst in kleineren Produktionen zu sehen, etwa im Biopic „Das stürmische Leben des Joe Orton“ oder dem am Oedipus-Muster orientierten Drama „Track 29 - Ein gefährliches Spiel“. Auch im Thriller „Der Frauenmörder“ und dem Drama „Chattahoochee“ erhielt Oldman 1988 bzw. 1989 jeweils Hauptrollen in Indie-Filmen. Prestigeträchtig war seine folgende Rolle als Rosenkranz im absurden Drama „Rosenkranz und Güldenstern“, schließlich führte der angesehene postmoderne Dramatiker Tom Stoppard Regie.
Hits in rascher Folge
Im Anschluss folgte ein Highlight in Gary Oldmans noch junger Karriere: Er übernahm den Part des irischen Gangsters Jackie Flannery im großartigen Thriller „Im Vorhof der Hölle“ von 1990, der auch Sean Penn bekannter machte. Nur ein Jahr später überzeugte er als Lee Harvey Oswald in Oliver Stones ausufernder Geschichtsanalyse „JFK – Tatort Dallas“. In Francis Ford Coppolas Gothic-Horror „Bram Stoker´s Dracula“ von 1992 spielte er in der Rolle des dunklen Graf Vlad sein ganzes infernalisches Potential aus und feierte so einen weiteren künstlerischen Erfolg. Im Anschluss folgten drei Gangster-Balladen, die Oldman erneut in der Paraderolle des Bösewichts bzw. Antihelden zur Hochform auflaufen ließen: Zunächst die Independent-Produktionen „True Romance“ und „Romeo Is Bleeding“, danach sein bis dato größter Erfolg, „Léon – Der Profi“, in dem er als hundsgemeiner DEA-Agent Norman Stansfield auftrat. „Ludwig van B. - Meine unsterbliche Geliebte“ brachte ihn in der Rolle des großen Komponisten den klassischen Künsten und somit seinen Theater-Ursprüngen wieder näher, bevor er mit „Lebenslang in Alcatraz“ als brutaler Gefängnisaufseher erneut in einem actionbetonten Film mitspielte.
Kunst und Science-Fiction
Weniger erfolgreich war die Hawthorne-Neuinterpretation „Der scharlachrote Buchstabe“ von 1995, in der Gary Oldman Reverend Dimmesdale verkörperte. Besser aufgenommen wurde Julian Schnabels Künstlerbiographie „Basquiat“ ein Jahr später, der unter Beteiligung von Oldman viel Lob von weiten Teilen der Kritik erhielt. Nichtsdestotrotz wandte sich der Darsteller erst einmal wieder von betont künstlerischen Projekten ab und ging im Wortsinne „in die Luft“: Zunächst als äußerst schräger Bösewicht Zorg mit dem Science-Fiction-Spektakel „Das fünfte Element“, dann als böser Kommunist im patriotischen Harrison-Ford-Vehikel „Air Force One“ von 1997 und schließlich bemerkenswert selbstironisch im launigen Sci-Fi-Klamauk „Lost in Space“. Auch seine nächste Filmrolle zeigte ihn als archetypischen Antagonisten, nämlich als Pontius Pilatus im Epos „Die Bibel – Jesus“. Für „Rufmord“ schlüpfte Oldman in die Rolle des Republikaners Sheldon Runyan, in seinem darauffolgenden Filmprojekt, „Hannibal“ von 2001, verlor er als Sado-Masochist Mason Verger buchstäblich das Gesicht. Als märchenhafter Wunscherfüller O.W. Grant war er schließlich 2002 in „Interstate 60“ zu sehen.
Fortsetzungserfolge
Auf die Indie-Komödie „Tiptoes“ folgte sogleich einer jener großen Fortsetzungserfolge, die Gary Oldmans Karriere im neuen Jahrzehnt prägen sollten: In „Harry Potter und der Gefangene von Askaban“ spielte er die maßgeschneiderte Rolle des mysteriösen Sirius Black, den er auch in „Harry Potter und der Feuerkelch“, „Harry Potter und der Orden des Phönix“ sowie „Harry Potter und die Heiligtümer des Todes - Teil 1“ verkörperte. Außerdem wurde er vom Christopher Nolan zur Stammbesetzung seiner Batman-Reihe („Batman Begins“, „The Dark Knight“, “The Dark Knight Rises”) einberufen. Dazwischen übernahm Oldman eine der Hauptrollen im an Sam Peckinpahs “Wer Gewalt sät” angelehnten Thriller „Backwoods“ von 2006. 2009 musste er mit „The Unborn“, einem Horrorstreifen des Nolan-Kollegen David S. Goyer, einen Flop verkraften. Überzeugender fiel die Zemeckis-Verfilmung von „Disneys Eine Weihnachtsgeschichte“ aus, in der Oldman gleich drei Rollen übernahm (Bob Cratchit, Tim Cratchit, Marley's Geist).
Triumph als britischer Spion
Mit der Endzeit-Vision „The Book of Eli“ wagte Gary Oldman 2010 wieder einen Abstecher ins Science-Fiction-Metier, 2011 folgte ein Gastauftritt in der gehässig rezenzierten Märchen-Romanze „Red Riding Hood“. Dieser Fehltritt geriet allerdings schnell in Vergessenheit: Komplett gegen den Strich besetzt feierte Oldman als verschlossen-reservierter Agent George Smiley im hochkarätig besetzten Spionage-Thriller „Dame, König, As, Spion“ einen rauschenden Erfolg. An einer ersten Oscar-Nominierung für den britischen Edelmimen führte für die Academy 2012 kein Weg vorbei. Mit “The Dark Knight Rises” ist er außerdem an einem der potentiell erfolgreichsten Filme des Kinojahres beteiligt – kein Zweifel, 2012 wird ein großes Jahr für Gary Oldman.