„The Northman“ (ab dem 21. April 2022 nur im Kino) basiert auf einer berühmten Wikinger-Sage, die einige Jahrhunderte später u.a. auch William Shakespeare als Vorlage „Hamlet“ gedient hat: Nachdem er als Junge mitansehen musste, wie sein Onkel Fjölnir (Claes Bang) seinen Vater Aurvandil (Ethan Hawke) getötet und seine Mutter Gudrún (Nicole Kidman) verschleppt hat, schwört der Wikingerprinz Amleth grausame Rache.
Viele Jahre später ist der Junge zum muskelbepackten Krieger (Alexander Skarsgård) herangewachsen – da ergibt sich für Amleth plötzlich die Chance, seine lange geschmiedeten Rachepläne mit Hilfe der versklavten Seherin Olga (Anya Taylor-Joy) endlich in die Tat umzusetzen…
Aber wer nun glaubt, dass sich die Authentizität von „The Northman“ bereits mit dem Rückgriff auf eine klassische Sage erschöpft, der kennt Robert Eggers schlecht: Schließlich gibt es aktuell wohl keinen zweiten Hollywood-Regisseur, der derart detailversessen zu Werke geht wie der 38-Jährige. Das wissen Kinofans spätestens seit seinem gefeierten Regiedebüt „The Witch“, in dem er das puritanische Neuengland um das Jahr 1630 wiederauferstehen ließ – und zwar mit einer historischen Präzision, wie es vor ihm noch kein anderer versucht hatte.
Fast schon legendär ist die Geschichte, dass die Fenster der Holzhütten nur ein paar Zentimeter zu groß angefertigt werden mussten, damit überhaupt genug Licht zum Filmen in die Innenräume fiel. Ein buchstäblich winzig kleiner Kompromiss, der beim Schauen des Films absolut niemandem auffallen wird, der Robert Eggers aber auch sieben Jahre später immer noch spürbar wurmt…
Selbst ein Hollywoodstar bekommt nur ein Paar Sandalen
„The Northman“ ist nun zwar seine erste Blockbuster-Produktion, aber auch deshalb macht Robert Eggers keinerlei Abstriche, wenn es um die historische Akkuratesse geht – ganz im Gegenteil:
Nicht nur musste Hauptdarsteller Alexander Skarsgård die ganzen, oft sehr matschigen Dreharbeiten mit einem einzigen Paar Ledersandalen durchstehen, die dann nur immer wieder notdürftig zusammengenäht wurden (echte Wikinger konnten sich eben auch nicht mehr als ein Paar leisten). Er setzte auch dann konsequent auf Authentizität, wenn es das Kinopublikum gar nicht unbedingt sehen kann: So kamen selbst bei Booten, die nur aus der Ferne irgendwo als kleiner Punkt auf dem Meer zu sehen sind, museumstaugliche Nachbauten zum Einsatz.
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Sowieso ist das mit der detailgetreuen Ausstattung gar nicht so leicht, wie man es sich vielleicht vorstellt: Von dort, wo „The Northman“ spielt, gibt es gerade einmal fünf Helmfunde, die auch aus der korrekten Epoche stammen. Nur wäre es genauso falsch, allen Wikingern dieselben fünf Helme aufzusetzen. Doch statt da einfach ein wenig der Kreativität freien Lauf zu lassen, hat Robert Eggers weiter recherchiert – und aus historischen Funden, die so nah wie möglich an Handlungsort und -zeit liegen, weitere mögliche Helmdesigns abgeleitet.
Hundertprozentige historische Genauigkeit ist natürlich ein Ding der Unmöglichkeit. Aber „The Northman“ tastet sich so nah ran, wie man es sich überhaupt vorstellen kann…
Die Wikinger und wie sie die Welt sahen
Im Vergleich zu „The Northman“, in dem Alexander Skarsgård über weite Strecken mit Matsch vollgeschmiert ist, muten die Wikinger in vielen anderen Produktionen wie frisch hergerichtete Männermodels an. Das Rauben und Brandschatzen ist ein schmutziges Geschäft – und Robert Eggers stülpt den zum Teil grausamen Überfällen auf größtenteils schutzlose Dörfer keine heutige Moral über.
Die Authentizität hört eben nicht bei den Sets und den Kostümen auf – stattdessen versucht Eggers in „The Northman“ auch der damaligen Sicht der Wikinger auf die Welt so nah wie möglich zu kommen. Da kann dann manch eine Schlacht auch ganz schön gnadenlos und schmutzig sein.
Wenn ihr wie viele durch den anhalten Popkultur-Hype der vergangenen Jahre auf die Wikinger aufmerksam geworden seid, ist das sicherlich eine gute Vorbereitung auf den Kinobesuch von „The Northman“. Aber überrascht sein werden ihr trotzdem – denn ganz egal, wie viele Videospiele ihr schon gezockt und wie viele TV-Serien ihr schon gebingt habt, so wie in „The Northman“ habt ihr die Nordmänner garantiert noch nie gesehen!
„The Northman“ läuft ab dem 21. April 2022 in den folgenden deutschen Kinos:
The Northman