+++ Meinung +++
Bevor Christopher McQuarrie mit „Mission: Impossible - Rogue Nation“ das Zepter der Ethan-Hunt-Saga übernahm, inszenierte er Tom Cruise – quasi zum Aufwärmen – schon einmal als unaufhaltsamen Actionhelden, der jeder noch so großen Herausforderung gewachsen ist: „Jack Reacher“ eröffnete das Kinojahr 2013 höchst kurzweilig und ließ bereits durchblicken, wozu das Duo McQuarrie/Cruise in der Lage ist. Der Film kam gut an, zog 2016 auch noch eine Fortsetzung nach sich. Sechs Jahre später wurde mit „Reacher“ nun quasi der Reset-Knopf gedrückt. Aber kann das gut gehen?
Denn auch wenn Buchfans direkt von der neuen, besser zur Vorlage passenden Besetzung begeistert waren, verbindet das Gros der Filmfans mit Jack Reacher immerhin nach wie vor mit dem bestbezahlten Stuntman Hollywoods...
Wer nun darauf hoffte, dass „der Neue“ in die Fußstapfen von Tom Cruise tritt, dürfte von der Amazon-Serie jedenfalls enttäuscht sein. Denn Alan Ritchson hinterlässt weitaus größere Fußabdrücke als sein Vorgänger – und das nicht nur buchstäblich, sondern vor allem im übertragenen Sinn. Alan Ritchson ist weniger Cruise-Ersatz, sondern als muskelbepackter Hüne vielmehr die erste vorlagengetreue Verkörperung der populären Romanfigur, die in mittlerweile 26 Büchern für Gerechtigkeit kämpft.
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Optisch eine menschgewordene Actionfigur, vereint er Muskelkraft, Coolness und Hirnschmalz und wird damit zum ultimativen Helden, der mit seiner lockeren Art obendrein auch noch die Sympathien seines Publikums im Handumdrehen gewinnt. Klar, wenn er einen Ausweg aus jeder noch so misslichen Lage findet, bedienen sich die Serienmacher um Nick Santoro („Prison Break“) natürlich allerhand Klischees. Umso beeindruckender ist dabei jedoch die Gratwanderung, die hier gelingt: Denn man kauft Ritchson den unkaputtbaren, geradezu übermenschlichen Reacher jederzeit ab.
Die Rückkehr der 80er
Ganz egal, ob er nun fast schon beiläufig reihenweise Widersacher ausschaltet, jeden Raum und alle, die sich darin befinden, bereits analysiert hat, bevor er mit beiden Beinen durch die Tür ist oder ob er seinen Gegenübern trockene Sprüche um die Ohren haut, um sie wissen zu lassen, dass er sie kein bisschen ernst nimmt: Man nimmt Ritchson die Nummer des unaufhaltsamen Kriegers im Namen der Gerechtigkeit einfach ab.
Und das ist keineswegs selbstverständlich, immerhin erinnert die Story um eine Kleinstadt in Nöten, die von einem Helden auf der Durchreise auf den rechten Pfad zurückgeführt wird, an klassische 80er-Jahre-Unterhaltung. Und es ist gar nicht so leicht, den Geist der vergangenen Tage – respektive jener Ära der testosterongeladenen und restlos überstilisierten Helden – einzufangen, neu aufleben zu lassen. Das beweisen aktuell ja zahlreiche einstige Action-Ikonen, die ihren Glanzzeiten hoffnungslos hinterherlaufen.
Bruce Willis schreibt Geschichte – und bekommt für 8 (!!!) Gurken seine eigene Kategorie bei den Goldenen HimbeerenEs reicht heutzutage einfach nicht mehr, erfolgreiche Konzepte von einst lauwarm aufzuwärmen. Damit kann man vielleicht schnell ein paar Dollar finden, Genre-Fans begeistern wird man damit aber niemanden mehr. Während die Medienlandschaft immer omnipräsenter wird, uns mit einem regelrechten Entertainment-Dauerfeuer zuballert und es längst mehr zu sehen gibt, als man je sehen könnte, muss das Publikum eben entscheiden, wo es reinschaut und wo nicht. Umso erfreulicher ist es, dass offenbar viele Action-Fans „Reacher“ eine Chance geben. Denn hier hat man sich wirklich Mühe gegeben, aus Altbekanntem Neues zu schaffen.
„Reacher“ bedient sich altbewährter Genre-Konventionen, vermengt diese aber derart stimmig mit dem Zeitgeist von heute, dass ein einmaliger Mix aus traditionellen und modernen Elementen entsteht. Als Fan klassischer Action-Helden à la Arnold Schwarzenegger und Sylvester Stallone freut es mich jedenfalls ungemein zu sehen, dass das gute, alte 80er-Action-Kino wohl doch noch nicht tot ist – und stattdessen durch „Reacher“ womöglich aus dem Tiefschlaf erwacht.
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Während etwa die „Expendables“-Filme für mich nur ein liebloser Versuch sind, die Retro-Welle zu reiten, ein einfallsloses Schaulaufen von Genre-Größen, die in miserablem CGI und altbackenen Sprüchen baden und dabei vor allem daran erinnern, dass sie einfach nicht mehr dieselben sind wie früher, wirkt „Reacher“ wie ein waschechtes 80er-Vehikel – hammerhart, charmant und voller Ecken und Kanten, die man als Genre-Fan einfach lieben muss.
Noch mehr "Reacher", noch mehr 80er?
„Reacher“ hat mich von Grund auf begeistert – und ich kann kaum in Worte fassen, wie sehr ich mich freue, dass die Old-School-Action-Serie offenbar nicht nur bei mir eine Punktlandung hinlegte. Die Kritiken fallen größtenteils überragend aus und auch die Abrufzahlen scheinen zu stimmen. Ansonsten hätte Amazon Prime Video wohl nicht schon wenige Tage nach Serienstart eine zweite Staffel angekündigt.
Amazon Prime Video macht 2. Staffel von "Reacher": Diese 2 (!) Figuren kehren wohl zurückDie Serie habe einen „phänomenalen Start“ hingelegt, so Amazon-Studio-Chefin Jennifer Salke – und ich bin mir sicher, dass die positive Mundpropaganda „Reacher“ auch noch in den kommenden Tagen und Wochen Rekordzahlen bescheren dürfte. Ein Erfolg, der bald vielleicht schon weit mehr als weitere „Reacher“-Staffeln nach sich ziehen könnte. Wenn man sich ansieht, was für einen Trend etwa „John Wick“ auslöste, kann ich mir durchaus vorstellen, dass „Reacher“ nur der Anfang eines großen 80er-Action-Revivals ist. Trends kommen schließlich immer wieder. Es wäre jedenfalls nicht das erste Mal, dass ein Erfolgsformat als Blaupause für allerhand potenzielle Nachfolger dient...
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