Chris Taylor ist der Autor des erstklassigen Hinter-den-Kulissen-Buchs „Wie Star Wars das Universum eroberte“ und hat Zahlen zusammengetragen, die eindeutig gegen Boba Fett sprechen: Der Kopfgeldjäger mit dem Eimer-Helm und dem Raketenrucksack ist in der originalen „Star Wars“-Filmtrilogie für nicht mal 150 Sekunden zu sehen, seine gesamte Performance würde also in ein einziges TikTok-Video passen. Boba spricht ganze 28 Wörter, davon nur eines – und zwar „Arrggghhh“ – in „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“, kurz bevor er in einem rekordverdächtig peinlichen Abgang in ein Sandmonster gestoßen wird.
Andere Zahlen belegen dagegen, dass Boba Fett zu den beliebtesten und für viele Menschen interessantesten Figuren der „Star Wars“-Saga gehört: Sein Name etwa wurde in den zwei Jahren zwischen Dezember 2019 und Dezember 2021 noch häufiger bei Google gesucht als die Namen der Hauptfiguren Luke und Han.
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Der Kopfgeldjäger musste dabei nie viel tun, um zu faszinieren. Ende der Neunziger gehörte Boba-Fett-Spielzeug in die Top-5 der meistverkauften „Star Wars“-Toys. Und bevor „Das Imperium schlägt zurück“ 1980 in die Kinos kam, bevor er also überhaupt auf der Leinwand zu sehen war, war Boba Fett schon die meisterwartete Action-Figur.
Bobas Backstory ist egal
Viele „Star Wars“-Fans lieben Boba Fett. Mit der Story kann das wenig zu tun haben. Der charmante Jeremy Bulloch etwa hatte überhaupt keine Ahnung, wer dieser Typ ist, den er am Set von „Star Wars 5“ und „Star Wars 6“ spielte. Und die Fans, die zuvor auf Bobas ersten Leinwandauftritt hinfieberten, nachdem sie ihn 1978 kurz in einer Zeichentricksequenz der TV-Show „Star Wars Holiday Special“ gesehen hatten, konnten es erst recht nicht wissen.
Zwar bekam Boba dann im Laufe der Jahre eine umfangreiche Hintergrundgeschichte, ähnlich wie jeder noch so kleine „Star Wars“-Droide, der irgendwann mal für den Bruchteil einer Sekunde durchs Bild huscht. Diese Hintergrundgeschichte besagt, dass Boba Fett der im Kindesalter adoptierte Klon des Kopfgeldjägers Jango Fett (Temuera Morrison) ist, der im Film „Angriff der Klonkrieger“ (2002) den Tod seines Ziehvaters mit ansehen muss, später selbst zum gefürchteten Outlaw wird und – siehe die neue Disney+-Serie „Das Buch von Boba Fett – die Nachfolge des Paten Jabba antritt. Natürlich musste er sich dafür aber erst einmal aus dem Schlund des grausamen Sandmonsters Sarlacc herauskämpfen.
Doch diese knappe Zusammenfassung der kanonischen, bisher bekannten Lebensgeschichte von Boba Fett ist komplett unwesentlich, wenn es darum geht, seine Attraktivität zu erklären. Der schweigsame, mysteriöse Outlaw fasziniert Kraft seiner Präsenz.
Dieser Kerl ist einfach saucool
Auch wenn so manche „Star Wars“-Figur im Laufe ihrer über die Jahre gewachsenen Biographie an Komplexität gewonnen hat, starteten viele der bis heute beliebtesten Charaktere als perfekt besetzte oder kostümierte Schablonen: der böse Darth Vader, der naive Luke Skywalker, der schelmische Han Solo. Über Boba Fett wissen wir anfangs auch nur, dass er als Kopfgeldjäger für einen Verbrecherboss arbeitet, aber wir können uns denken, dass er viele Kämpfe durch das T-Visier seines abgenutzten Helms gesehen hat. Das reicht. Und wie cool ist bitte dieser Raketenrucksack?
1996 gründete sich ein eigener Fan-Club zu Boba Fett und man darf vermuten, dass viele Mitglieder als Kinder mit den Actionfiguren des Schurken gespielt hatten. Es liegt in der DNA von „Star Wars“, Kinder und das Kindliche in den Zuschauer*innen anzusprechen. George Lucas schmiss hier alles zusammen, was ihn selbst als Kind und Jugendlicher interessierte, das waren neben Mythen eben auch die trashigen Film-Serials von Flash Gordon.
Die ikonischsten der „Star Wars“-Figuren befeuern zum einen kindliche Fantasien über wilde Weltraumkämpfer und Schurken, und sind zum anderen auf Anhieb zu erkennen. Figuren wie Boba Fett haben markante Silhouetten, sie sind an ihren Umrissen eindeutig zu identifizieren und bieten die nötige Projektionsfläche für allerhand gedankliche Abenteuer im Kinderzimmer.
"Das Buch von Boba Fett"
In „Das Buch von Boba Fett“ muss Boba eine eigene, sieben Folgen lange Story tragen und wird damit von einer Projektionsfläche zum Charakter, ähnlich wie Din Djarin (Pedro Pascal) aus „The Mandalorian“, der ja mit seiner mandalorianischen Rüstung und dem Helm eine starke Ähnlichkeit zu Boba Fett hat (und Din Djarin hätte es ohne Boba Fett nie gegeben).
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Anschließend wird sich das popkulturelle Bild der Figur verändert haben. Es mag ja sein, dass „Star Wars“-Fans die beachtliche Biographie des Kopfgeldjägers längst aus den vielen alten Büchern und Comics kennen. Und auch im seit 2014 gültigen „Star Wars“-Kanon ist er etabliert. Doch mit „Das Buch von Boba Fett“ wird nun das Mainstream-Publikum erfahren, dass Boba mehr sein kann als ein nur Typ im coolen Outlaw-Outfit. Ist es aber eine gute Idee, diesen Typen überhaupt kennenzulernen? Das werden wir sehen…
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