„Keine Zeit zu sterben“ war für Cary Joji Fukunaga kein leichter Bond-Film. Nicht nur musste der US-Amerikaner mit schwedischen und japanischen Wurzeln den großen Abschied von Daniel Craig als James Bond inszenieren und dabei alle vorherigen Craig-Filme abschließen. Auch wurde der Jahrzehnte lange Sexismus der Reihe nach #MeToo so scharf kritisiert wie nie zuvor. Wir haben mit dem Bond-Regisseur per Video-Call über die Herausforderungen gesprochen, die traditionsreiche Filmreihe für die heutige Zeit neu zu erfinden.
FILMSTARTS: Das Bond-Franchise hat eine lange Geschichte, die leider auch sehr deutlich von sexistischen Rollenbildern geprägt ist. Frauen sind in diesem Filmen oft nur Beiwerk und dafür da, damit sie James Bond ins Bett kriegen kann. Wie bist du damit umgegangen, um 007 zeitgemäß ins Jahr 2021 zu bringen?
Cary Fukunaga: Der letzte Bond-Film von Daniel Craig kam vor der #MeToo-Bewegung raus und ich erinnere mich, sehr intensive Gespräche mit der Produzentin Barbara Broccoli und dem Produzenten Michael G. Wilson gehabt zu haben, wie man damit umgeht. Und die beiden hatten eine wirklich schlaue Antwort: Bond verändert sich immer mit der Zeit.
Frauen wie Judi Dench als M oder eine Moneypenny sind bereits individuelle Charaktere, die wichtig für die Handlung sind, und nicht einfach nur eine Requisite für Bond. Insbesondere in „Keine Zeit zu sterben“ führen wir neue weibliche Figuren ein, die komplex und vielschichtig sind. Sie sind echte Personen und haben einen Einfluss auf Bond und die Handlung, so wie sie es auch in jeder anderen Realität wären, in der es Frauen gibt.
James Bond 007 - Keine Zeit zu sterbenFILMSTARTS: Das moderne Blockbuster-Kino ist voll von Superheld*innen und selbst ein Franchise wie „Fast & Furious“, das mal bodenständig begann, wird immer größer, unrealistischer und verrückter. Im Vergleich dazu scheint James Bond ja fast schon etwas öde. Wie bist du an die Action-Sequenzen herangegangen, um mit dem aktuellen Blockbuster-Bombast mitzuhalten?
Cary Fukunaga: Ich habe mich noch nie für diese Marvel-Filme interessiert und „Fast & Furious“ ist eine großartige Filmreihe für Universal. Die Tatsache, dass sie jetzt Autos im Weltraum haben, ist eine tolle neue Entwicklung. (lacht) Aber, was ich an Bond liebe, ist, wie er in der Realität verankert ist. Die Stunts werden tatsächlich ausgeführt und nicht mittels meisterhafter visueller Effekte.
Das braucht Handwerkskunst und Einfallsreichtum. Man muss in einer Welt agieren, in der die Gesetze der Schwerkraft gelten und auch die individuelle Stärke und das Alter der Figuren mit einbezogen werden. Wir spielten viel mit der Idee, dass Bond nun 15 Jahre älter ist als in „Casino Royale“. Wie das dessen Art zu kämpfen verändert und die Art, wie er sich nach dem Kampf fühlt. Das ist einfach geerdeter. Wenn einem die Realität zu langweilig ist, hat man immer die Option auf andere Filme, aber ich mache lieber einen, der real aussieht.
FILMSTARTS: Du hast mit Daniel Craig an seinem letzten Bond-Film gearbeitet. Wie hast du ihn am Set erlebt und wie hat er diese harten Actionsequenzen absolviert?
Cary Fukunaga: Ich habe nun viel mehr Respekt dafür, was es bedeutet, solche Kampfszenen durchzuführen. Was viele Leute vergessen, wenn sie Actionsequenzen schauen: Eine Szene, die im Film nur eine Minute dauert, muss vielleicht fünfzehn, zwanzig oder dreißig Mal gefilmt werden. Man verlangt von diesen Schauspielern und Schauspielerinnen, aber auch den Stuntleuten, dass sie auf dem Niveau von Profisportlern performen. Das ist extrem anstrengend.
Allein seinen Körper in die nötige Form für eine solche Szene zu bringen, ist ein sehr schmerzvoller Prozess. Es war wirklich großartig zu sehen, wie Daniel [Craig] die Disziplin aufbrachte, um das zu erreichen. Er trainierte jeden Morgen und jeden Nachmittag.
Noch vor "Keine Zeit zu sterben": Ab sofort alle James-Bond-Filme im Abo streamenFILMSTARTS: Seit der Film fertiggestellt wurde, sind etwa eineinhalb Jahre vergangen. In der Zwischenzeit ist viel passiert. Die Corona-Pandemie hat die Welt verändert und dafür gesorgt, dass „Keine Zeit zu sterben“ erst jetzt in die Kinos kommt. Gibt es irgendetwas, was du bei diesem Film anders gemacht hättest, wenn du gewusst hättest, wie sich die Welt bis zum Kinostart entwickelt?
Cary Fukunaga: Wahrscheinlich nicht. Als die Produktion beendet war, habe ich innerhalb von zehn Tagen einen Assembly Cut fertiggestellt [also eine erste Schnittfassung, in der einfach das abgedrehte Material ohne Soundeffekte, Filmmusik und visuelle Effekte aneinandergereiht wird]. Ich fand ihn stark genug, um ihn den Produzent*innen zu zeigen, was man in einem so frühen Stadium eher selten macht.
Barbara [Broccoli] war sehr berührt davon und von da an haben wir das alles nur noch verfeinert. Ehrlich gesagt: Selbst wenn ich nachträglich noch etwas am Film hätte machen können, hätte ich es wahrscheinlich nicht getan, weil ich komplett zufrieden und stolz bin, auf das, was wir geschaffen haben.
„James Bond: Keine Zeit zu sterben“ läuft seit dem 30. September 2021 in den deutschen Kinos.