+++ Meinung +++
Ein herrliches Bild offenbart sich Filmfans dieser Tage: Wenn der abendliche Spaziergang an einem Kino vorbeiführt, dann entdeckt man endlich wieder Menschenschlangen, die sich vom Foyer bis weit über den Gehweg erstrecken. Der Publikumsandrang muss sogar teilweise von Kinogänger*innen reguliert werden, weil das Personal vollkommen überfordert ist. Es sind Momente wie diese, die glücklich machen. Die Hoffnung geben. Die die Kraft besitzen, Corona für einen kurzen Augenblick vergessen zu lassen.
Natürlich wollen all diese Menschen in einen ganz bestimmten Film: Denis Villeneuves „Dune“, der ursprünglich vor ziemlich genau einem Jahr in den Kinos starten sollte. Das lange Warten hat nun ein Ende gefunden – doch für mich mündete die Wartezeit in einer Enttäuschung, mit der ich so nicht gerechnet hatte: Auch wenn sich meine Erwartungen sogar noch in einem gesunden Rahmen bewegten, ist „Dune“ für mich der erste wirklich große Reinfall des Jahres...
Kaltes Blockbuster-Kino
Das lag nicht an den gewaltigen Bildern von Kameramann Greig Fraser oder an Hans Zimmers Score, der wieder vor sich hin wummert, wie es Kompositionen von Hans Zimmer eben nun mal inzwischen so tun. Das Problem für mich war, dass Regisseur und Co-Drehbuchautor Denis Villeneuve einen Großteil der Handlung damit verbringt, Exposition zu vermitteln, es aber zu keiner Zeit wirklich schaffte, mich in die Welt des Films einzuführen.
Schuld daran sind zum einen die Figuren. Obgleich der Cast mit Timothee Chalamet, Oscar Isaac, Rebecca Ferguson, Josh Brolin, Zendaya, Javier Bardem, Dave Bautista, Stellan Skarsgaard und Jason Momoa wirklich exzellent ist, blieben mir die Motivationen und Emotionen ihrer Charaktere durchgehend seltsam fern. Ich habe eine spektakuläre Oberfläche geboten bekommen, doch dahinter konnte ich nur Leere entdecken. Dementsprechend kalt und träge wirkte „Dune“ auf mich.
Immer wieder wird über die Vorlage von Frank Herbert gesagt, dass sich das Buch ein Stück weit dagegen wehrt, gelesen zu werden. Ich würde dasselbe über Denis Villeneuves Verfilmung sagen, nur dass die triste, statische Art und Weise, wie er seine Akteure in Szene setzt, für mich kein Stilmittel war. Dass Timothee Chalamet und Co. grandiose Schauspieler und Schauspielerinnen sind, steht außer Frage, aber Villeneuve hat kein Interesse daran, ihnen das abzuverlangen, das nötig wäre, um in das Innere ihrer Figuren zu blicken.
Das ist vor allem deswegen irritierend, weil „Dune“ gewissermaßen auch als Coming-Of-Age-Film funktioniert, in dem der von Chalamet verkörperte Paul in die Rolle eines weißen Erlösers rutscht, die ihm selbst gar nicht mal so recht ist. Unter der Regie von Denis Villeneuve aber werden die inneren Konflikte dieser Figur nicht deutlich, was jegliche emotionale Bindung für mich unmöglich gemacht hat.
Wenn man so möchte, ist Denis Villeneuve, den ich aufgrund von Filmen wie „Enemy“ und „Blade Runner 2049“ ansonsten sehr schätze, hier zu der Art von Regisseur geworden, den manche in Christopher Nolan sehen: ein fantasieloser Technokrat, dessen heiliger Ernst ihm bei der Inszenierung zusehends im Weg steht und der es deswegen nicht schafft, zur Essenz von „Dune“ vorzudringen. Für mich war das Geschehen hier einfach nicht greifbar, was neben den blassen, eindimensionalen Figuren auch an einem uninteressant dargestellten Universum lag.
Große Schauwerte, wenig Inhalt
Die Geschichte von „Dune“ ist ursprünglich ungemein reizvoll – nicht zuletzt wegen der zahlreichen Bezüge, die immer noch sehr aktuelle Brisanz besitzen. In der faszinierenden Zukunftsvision von Frank Herberts Roman „Der Wüstenplanet“ steckt nämlich nicht nur eine klassische Rachegeschichte, sondern auch eine hochgradig komplexe Auseinandersetzung mit der Frage, wie Politik und Religion sich einander gegenseitig zu eigen machen und in ihren jeweiligen Ausformungen totalitäre Herrschaftsformen befeuern.
In Denis Villeneuves „Dune“-Vision ist die Tiefe der Vorlage jedoch nicht auszumachen, weil sich der Film durch den gigantischen Produktionsaufwand selbst klein hält.
Natürlich muss man hier erwähnen, dass „Dune“ nicht für sein allein steht und womöglich erst mit der (hoffentlich kommenden) Fortsetzung zu einem vollständigen Werk wird. Ich habe mich während und nach der Sichtung nur immer wieder gefragt, wie dieses kalte, leere Spektakel mir denn nun eigentlich Lust auf den Nachfolger machen möchte. Es kann also eigentlich nur besser, mitreißender werden, wenn wir „Dune 2“ bekommen (sollten).
Nicht alles an "Dune" ist misslungen
Ich möchte an dieser Stelle aber nicht den Eindruck erwecken, dass ich „Dune“ ausschließlich schwach gefunden hätte. Mag der Film auch einzig und allein aus brachialen Oberflächenreizen bestehen – auf einer großen Leinwand mit einem unverschämt laut aufgedrehten Soundsystem verfehlt die brodelnde Audiovisualität des Films ihre Wirkung natürlich nicht. Auch darf Denis Villeneuve seine inszenatorischen Fähigkeiten in einzelnen Momenten voll ausleben (Stichwort: Dudelsack!) und für Gänsehaut sorgen.
Außerdem bin ich „Dune“ für die eingangs beschriebenen Beobachtungen dankbar: Die Menschen haben wieder Lust aufs Kino. Sie strömen in die Säle und wollen sich verzaubern lassen. Und glaubt man dem allgemeinen Tenor, dann ist Denis Villeneuve auch genau das gelungen. Mag das Sci-Fi-Epos auch nicht mein Kino-Wunder des Jahres 2021 geworden sein, es ist schön zu wissen, dass es überhaupt wieder möglich ist, Zeuge eines solchen Wunders zu werden. Allein deswegen hat „Dune“ eine Daseinsberechtigung.
Wer sich zudem anhören möchte, wie es ist, wenn man voller Begeisterung aus „Dune“ herauskommt, der sollte unbedingt in unseren Leinwandliebe-Podcast zum Film reinhören, bei dem Moderator Sebastian, FILMSTARTS-Redakteur Julius und Esther von unserer Schwesterseite Moviepilot gar nicht mehr aus dem Schwärmen herauskommen: