„Black Widow“ ist keinesfalls ein misslungener Eintrag in das Marvel Cinematic Universe. Fans feiern vor allem Neuzugang Florence Pugh regelrecht euphorisch und hatten viel Spaß mit den Familien-Querelen der russischen Patchwork-Familie, die extra für eine Undercover-Mission in den USA zusammengestellt wurde. Auch wir vergaben in unserer FILMSTARTS-Kritik zu „Black Widow“ starke 4 von 5 Sterne. Allerdings kommt ein Aspekt im MCU-Abenteuer dann doch ein wenig kurz: Es fehlt ein großer Abschiedsmoment der Avengers-Agentin, der sie wirklich würdig aus dem Franchise verabschiedet.
Die letzte Szene von „Black Widow“ (vor der Post-Credit-Szene), wirkt fast schon banal: Natasha (Scarlett Johansson) trifft erneut auf ihren mysteriösen Kumpel Mason (O. T. Fagbenle), der ihr einen Quinjet, also einen dieser Jets, den die Avengers gerne nutzen, quasi aus dem Hut zaubert. Das ist ein netter Gag, der geschickt eine vorherige Unterhaltung der beiden aufgreift, eine Brücke zu den Ereignissen in „Avengers: Infinity War“ und ein runder Abschluss der Beziehung zwischen Natasha und Mason, aber als letzte Szene für Black Widow im MCU dann doch überraschend unemotional.
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Schon kurz nach Kinostart verriet O. T. Fagbenle dem Hollywood Reporter, dass diese Szene erst bei Nachdrehs als Reaktion auf Anmerkungen des Testpublikums entstand und das eigentliche Ende des Marvel-Blockbusters zunächst ganz anders ablief.
Doch jetzt ist die ursprüngliche Endszene von „Black Widow“ aufgetaucht, die ihr euch hier ansehen könnt:
Das ist das ursprüngliche Ende von "Black Widow"
Wir sehen in dem rund einmütigen Ausschnitt, wie Natasha mit dem Motorrad durch ihre alte Heimatstadt in Ohio fährt, also dort, wo sie gemeinsam mit ihrer Fake-Familie ein jahrelanges Scheinleben führte. Damit wird auch die Klammer zum Beginn des Films geschlossen, wo sie dort noch als Kind mit dem Fahrrad unterwegs war.
Kurz darauf wird unsere Aufmerksamkeit auf eine Gruppe Kinder gelenkt, die Avengers spielen, also sich mit Pfeil und Bogen (Hawkeye), Blechschild (Captain America) oder selbstgebastelten Flügeln (Falcon) als ihre großen Helden verkleiden. Natasha hält an und ein Mädchen nähert sich. Sie tauschen kurz einen Blick aus, dann streckt das Kind seine Faust in Richtung der Heldin (eine Bewegung, die Black Widow oft nutzt, um elektrisierende Geschosse von ihrem Handgelenk abzufeuern). Natasha erwidert die Geste und zeigt sich letztlich mit einem Lächeln auf den Lippen.
Darum ist das alte Ende besser als das neue
+++ Meinung +++
Das Ende in der finalen Version von „Black Widow“ bezieht sich kaum auf die Figur Natasha Romanoff in ihrer MCU-Gesamtheit. Die Szene ist einerseits ein netter, kleiner Moment zwischen der Heldin und einer relativ belanglosen Figur, die wir vor „Black Widow“ nie gesehen haben, über die wir kaum etwas wissen und die quasi nur als Deus ex machina dient, also immer dann, wenn der Avenger mal Hilfe braucht, ohne wirkliche Erklärung die passende Lösung parat hat. Doch das Ende von „Black Widow“ funktioniert vor allem als Bindeglied zu „Infinity War“, da sich Natasha hier aufmacht, um ihre Freunde nach den Ereignissen von „Civil War“ aus dem Gefängnis zu befreien.
Das ist einerseits gut so, andererseits funktioniert ein Bindeglied eben nicht besonders gut als Abschied. Die ursprüngliche Szene erfüllt diese Funktion deutlich besser. Denn hier wird deutlich, dass eben nicht nur die Alpha-Avengers wie Captain America oder Iron Man von Kindern angehimmelt werden. Die gelöschte Szene zeigt, dass auch Black Widow vor allem vielen jungen Mädchen als Vorbild dient und ihre Heldentaten selbst nach ihrem Tod im Gedächtnis bleiben werden.
Dass die Szene dann auch noch an dem Ort stattfindet, wo sie einst mit ihrer Undercover-Familie lebte, zeigt, dass sie ihre Vergangenheit mittlerweile aufgearbeitet hat und selbst dort wieder befreit lächeln kann. All das hat einfach viel mehr emotionales Potential, als der bloße Austausch eines High-Tech-Jets, um Natasha von Punkt A nach Punkt B bzw. von „Black Widow“ zu „Infinty War“ bringen.
Theorie: Hat "Black Widow" die Rückkehr eines Marvel-Kultbösewichts vorbereitet?Ich will nicht behaupten, dass mich diese gelöschte Szene jetzt, Wochen nach meiner Sichtung des Films, noch emotional besonders gepackt hätte. Aber ich bin mir sicher, dass dieser Moment im Kino eine deutlich stärkerer Wirkung erzielt hätte, als das Ende, das wir letztlich bekommen haben.
Die Szene mit Mason hat zwar auch ihren Zweck, nur dient sie eher als Lückenfüller im MCU und nicht der Figur Natasha Romanoff. Die Verantwortlichen um Marvel-Boss Kevin Feige und Regisseurin Cate Shortland hätten ihrer lange Zeit so vernachlässigten Heldin lieber den ursprünglichen Abschiedsmoment gegönnt, anstatt ein vernachlässigbares Detail innerhalb der MCU-Kontinuität zu erklären.