Im Dezember 2020 gehörten wir zu den ersten Filmseiten und -magazinen weltweit, die „Wonder Woman 1984“ sehen konnten. Und nicht nur das: Unser Interview mit Patty Jenkins und Gal Gadot war das erste überhaupt, dass zu „Wonder Woman 1984“ stattfand. Nachdem der Film vor und während Corona bereits mehrmals verschoben worden war, merkten wir der Regisseurin und ihrer Hauptdarstellerin direkt an, dass sie froh sind, endlich darüber reden zu können.
Das zeigen nicht nur die sehr ausführlichen Antworten der beiden. Das Interview beginnt auch anders als gewöhnlich nicht mit einer Frage, stattdessen eröffnen Patty und Gal das Gespräch von sich aus. Denn offenbar wollen sie sich von der Seele reden, was sie so lange für sich behalten mussten:
Endlich über "Wonder Woman 1984" reden
Patty Jenkins: Ich konnte „Wonder Woman 1984“ ein Jahr lang niemandem zeigen und danach mit ihnen darüber reden. Es ist verrückt. Ich habe die ganze Zeit auf einem Film gesessen, den niemand gesehen hat außer uns, die wir ihn gemacht haben. Heute ist also der erste Tag, an dem wir mit jemandem darüber reden und ihr seid die ersten. Ich freue mich schon sehr darauf.
Gal Gadot: Du hast recht, Patty. Das ist das erste Mal, dass wir irgendein Feedback zum Film bekommen. Das ist lustig, ich hab schon ein paar Sachen aufgenommen, aber ich hatte mit niemandem was zu tun. Und jetzt haben sich mich hier auf diesen Stuhl gesetzt und ich merke: Oh mein Gott, ich habe ganz vergessen, dass ich mit Leuten rede, die den Film gesehen haben. Und ich habe mich nicht darauf vorbereitet.
Patty Jenkins: Das ist so seltsam, wir haben so lange Zeit jeden Tag an diesem Film gearbeitet und dann habe ich ihn am Tag vor Beginn der Quarantäne abgeschlossen. Ich hatte also einen Übergang von sieben Tage die Woche daran arbeiten zu nichts als Kochen und Putzen in meinem Haus. Es war so, als wäre es nie passiert. Abwasch machen und Staubsaugen und ich habe mich gefragt: Was ist eigentlich aus diesem Film geworden, den ich gemacht habe?
FILMSTARTS: Welche Herausforderungen gab es beim Übergang vom ersten Film zu „Wonder Woman 1984“?
Patty Jenkins: Sowohl Gal und ich sind sehr bodenständige Arbeiterinnen. Ich sage immer, dass ich mich immer mehr als Crewmitglied sehe, das ich zehn Jahre lang war, als als große Hollywood-Regisseurin. In der Zeit zwischen den Filmen war so viel los, der Erfolg von „Wonder Woman“ war so groß. Aber dann komme ich wieder zurück nach Großbritannien und kann mich wieder in die Arbeit vertiefen. Man weiß, wann man am Set sein muss, man ist mal gestresst. Aber es ist so entspannend wieder zurück zur Arbeit zu gehen und wieder eine normale Person am Set zu sein, wir kennen uns alle und sind Freunde.
Für mich war der größte Unterschied zwischen „Wonder Woman“ und „Wonder Woman 1984“, dass der erste Film härter war, weil ich versucht habe einen neuen Ton für einen DC-Film zu etablieren und das Studio davon nicht hundertprozentig überzeugt war. Es war also die ganze Zeit über ein kleiner Kampf, dafür zu sorgen, dass ich diesen Ton auch wirklich umsetzen kann und die Kontrolle über den Film behalte. Beim zweiten Film war es in dieser Hinsicht viel einfacher, weil das Studio jetzt verstanden hatte, was wir tun, uns sehr unterstützt und uns Freiheit gegeben hat. Aber gleichzeitig war es auch schwieriger, weil Gal und ich uns mehr vorgenommen hatten.
Wir haben gesagt: Okay, jetzt haben wir diese tolle Figur - aber was können wir mit ihr machen, um der Welt etwas wirklich Schönes zu geben? Etwas, das sowohl unterhaltsam ist, aber auch für Bilder sorgt, die man schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen hat? Ich war sehr darauf erpicht, so viele Effekte wie möglich vor der Kamera zu realisieren, damit sich „Wonder Woman 1984“ wie ein gewaltiger Film anfühlt, wie es sie in den 80ern gab. Und nicht wie diese neuen Superheldenfilme, die sich kleiner anfühlen, weil es so viel Computereffekte gibt.
Aber das war sehr herausfordernd. Die Dreharbeiten waren sehr komplex, sehr schwer, etwa wie die Mall-Szene. Alle haben gesagt: Noch niemand in der Geschichte des Kinos hat solche Aufnahmen gemacht, bei denen die Darsteller an Drahtseilen durch die Luft fliegen. Man gibt also sein bestes und hofft, dass sich alles zum Guten wendet. Denn ganz nebenbei: Der Film sieht nicht unbedingt großartig aus, bis er auch wirklich fertig ist. Denn man hat diese ganze schwierigen Sachen wie das Fliegen, das Feuerwerk, Cheetah, die doof aussehen, bis sie dann irgendwann gut werden. Es war also ein sehr schwieriger Film zu drehen, aber das zusammen zu tun, hat sich angefühlt wie im Ferienlager.
Gal Gadot: Als sie mich für diese Rolle gecastet haben, kannte ich zwar Wonder Woman, aber ich wusste nicht, auf was ich mich da eingelassen habe und was für einen riesigen Impact es haben würde. Als wir den ersten Film gedreht haben, war ich sehr nervös. Es war das erste Mal, dass ich die Hauptfigur in einem Film spielte. Ich war also sehr aufgeregt, aber ich hatte das Glück, dass ich Patty hatte, die mich da durchgeleitet hat, und das zu einer ganz besonderen Erfahrung gemacht hat.
'Wonder Woman 1984' hat sich so angefühlt, als würde ich nach Hause kommen.
Beim zweiten Mal, bei „Wonder Woman 1984“, hat es sich so angefühlt, als würde ich nach Hause kommen. Ich erinnere mich noch daran, wie ich nach Großbritannien gereist bin. Patty war schon da und wir haben telefoniert und sie meinte: Ich fühle mich wie zu Hause.
Die Dreharbeiten für diese Filme sind so lang und so intensiv, wir drehen die ganze Woche und manchmal auch am Wochenende. Es nimmt dein ganzes Leben ein. Aber wieder zurückzukehren und das mit demselben Team und größtenteils demselben Cast, hat sich so gut angefühlt. Ich war ganz in meinem Element und wusste jetzt auch, woran ich bin. Daher hat es mir sogar Kraft gegeben und ich hatte keine Angst mehr. Ich hatte das Gefühl, dass wir jetzt ein Team sind und dass wir genau wissen, was wir machen und es hat sich total natürlich angefühlt.
Wonder Woman und die 80er
FILMSTARTS: „Wonder Woman 1984“ ist tonal und erzählerisch ganz anders als der erste Film, fühlt sich aber gleichzeitig wie eine sehr organische Fortsetzung an. Inwiefern war es für euch wichtig, beim zweiten Film etwas Neues zu machen?
Patty Jenkins: Das erste was ich gesagt habe, als wir über einen zweiten Film gesprochen haben, war: Wir machen keine Fortsetzung. Das habe ich immer wieder gesagt, aber es wurde von der Presse missinterpretiert. Was ich meinte, war: Es gibt nicht mehr von irgendwas. Und es wird nichts, von dem wir schon wissen, wie es geht. Nach all dem großen Aufwand, den wir beim ersten Film hatten, wollte ich nicht, dass die Leute sich zurücklehnen und sagen: Das brauche ich nicht. Denn es ist ein komplett anderer Film.
Das ist so wie in den Comics, wo es auch erst eine Storyline und dann eine andere gibt. Es ist natürlich eine Fortsetzung, denn es sind dieselben Figuren und es geht direkt weiter, aber es ist gleichzeitig auch hundertprozentig neu. Das interessante ist: Sogar die bunten Farben auf den Postern haben wir bewusst in große Werbekampagnen gepackt, weil ich Warner zeigen wollte, dass es in „Wonder Woman 1984“ einen neuen Look gibt. Das war auch für meine Crew sehr hilfreich. Neon und Pop statt rauer Krieg und Stahl. Ich wollte beides erreichen, deswegen bin ich sehr glücklich, über das was du gesagt hast.
Im ersten Film wird Diana erst ganz am Schluss zu Wonder Woman.
Ich wollte dem Geist dieser wunderbaren Figur treu bleiben, die wir erschaffen haben. Aber ich will sie in ein komplett neues Abenteuer schicken, das sich ganz anders anfühlt. Und ich wollte es genießen, endlich einen „Wonder Woman“-Film zu drehen. Denn im ersten Film ist sie nicht Wonder Woman bis ganz am Ende.
Ich denke immer selbst darüber nach, ob ich noch einen Film machen will. Ich liebe diese Figur so und am Ende des ersten Films gab es so viele Dinge, die ich unbedingt mit Gal und Wonder Woman machen wollte, die wir aber bisher noch nicht geschafft haben. Die Frage war also, was einen großartigen „Wonder Woman“-Film ausmacht und unter anderem deswegen habe ich das 80er-Jahre-Setting ausgewählt. WW ist so stark mit den 70ern und 80ern verbunden. Sie also in dieser modernen, poppigen Welt zu sehen, war toll.
FILMSTARTS: Die erste Szene in den 80ern fühlt sich sehr wie die „Wonder Woman“-Serie mit Lynda Carter aus den 70ern an...
Patty Jenkins: Genau und ich wollte auch, dass der Film Spaß macht. Wonder Woman, aber vor allem auch Gal hat einfach diese Wärme und diesen Humor. Deswegen war es mir auch wichtig, dass wir viel Spaß haben und dass es etwas davon in den Film schafft.
FILMSTARTS: Warum eigentlich die 80er Jahre?
Patty Jenkins: Zum einem, weil Wonder Woman wie gesagt so eng mit dieser Dekade verbunden ist. Aber zum anderen wollte ich auch zeigen, was Wonder Woman in unserer modernen Welt machen würde. Aber wenn man das wirklich in der modernen Welt macht, gibt es erstens diese ganze anderen Figuren oder sie gibt es nicht, die ganze Timeline ist ja sehr konfus.
Und die zweite Sache ist: Man kann die 80er sehr gut als Metapher für unsere Gegenwart heranziehen. Damals war die westliche Zivilisation auf dem Höhepunkt ihrer Opulenz. Die ganzen Sachen, mit denen wir uns heute herumschlagen, gab es damals schon, aber wir waren uns dessen nicht bewusst. Ich fand es also sehr verlockend, über unsere Fehler zu sprechen und dafür eine andere Ära als Metapher zu verwenden.
Cheetah als Bösewichtin
FILMSTARTS: Patty, du hast bei diesem Film gemeinsam mit Geoff Johns und Dave Callaham das Drehbuch geschrieben. Und wir sehen in „Wonder Woman 1984“ eine weibliche Beziehung, die es nicht so oft gibt, nämlich diese Balance aus Eifersucht und Bewunderung in der Beziehung zwischen Barbara Minerva (Kristen Wiig) und Diana. Wie kam es dazu?
Patty Jenkins: Das ist eine von den vielen Sachen, die mir als Regisseurin untergekommen sind. Ich denke nicht darüber nach. Als Frau erlebt man diese Art von Beziehung so häufig, daher ergibt das einfach Sinn für mich. Ich habe das selbst erlebt, ich kenne solche Frauen, ich habe solche Freundinnen. Das war sehr interessant, als es um Verbesserungsvorschläge bei „Wonder Woman 1984“ ging, hieß es häufig, dass Cheetah furchteinflößender oder so sein muss, und ich meinte: Nein, ihr versteht das nicht. Das ist so, das passiert ständig.
Gal Gadot: Mich hat das sehr an den ersten Film erinnert. Die Leute haben uns gefragt: Was ist so besonders an Wonder Woman? Es liegt in unserer DNS. Für mich war sie keine Göttin, sondern jemand mit den Kräften einer Göttin, aber dem Herz eines Menschen. Ich glaube, wir haben über die Beziehung zu Cheetah gar nicht so viel nachgedacht. Ich finde sie als Bösewicht großartig und wir wollten das einer der Bösewichte eine Frau ist.
Aber die Dynamik zwischen den Figuren hat sich einfach ergeben. Wir haben das adaptiert und überhöht. Was wir vorhatten, ist eine Beziehung, eine Dynamik zwischen zwei Menschen zu zeigen. Dass sie beide Frauen sind, spielt dabei keine Rolle. Das passiert einfach zwischen Leuten. Und für mich war es auch sehr interessant zu sehen, dass Diana nicht vor Wünschen und Verlangen gefeit ist. Diana hat nicht das Gefühl, dass sie perfekt ist, sie hat in gewisser Hinsicht auch ihre Fehler.
Die Zukunft von Wonder Woman
FILMSTARTS: Du hast gesagt, dass „Wonder Woman 1984“ der erste richtige „Wonder Woman“-Film ist. Welche Pläne hast du denn für die Zukunft? Es soll ja noch ein Amazonen-Spin-Off und „Wonder Woman 3“ geben. Was hast du noch mit der Figur vor?
Patty Jenkins: Wisst ihr was, ich weiß es noch nicht. Und das liegt daran, wie schnell sich die Welt verändert. Als wir den ersten Film abgeschlossen haben, wusste ich genau, was ich als nächstes sagen wollte und wie die Story aussehen wird. Das hat sich einfach so ergeben.
Ich hatte sehr genaue Pläne für „Wonder Woman 3“, aber dann ist diese ganze Pandemie-Sache passiert. Daher sage ich immer: Lasst uns das auf später verschieben und mal sehen, was das Endresultat von all dem ist, bevor wir den Film machen. Denn erstens weiß ich nicht, für was eine Welt wir den Film dann in ein paar Jahren drehen. Und zweitens weiß ich nicht, wie es mit der Filmindustrie weitergeht. Alles steht auf einmal in Frage. Ich habe eine Storyline für einen großartigen Amazonen-Film, die ich wirklich toll finde, aber wer weiß schon was passiert. Niemand erteilt gerade grünes Licht für einen solchen Film.
Was ich aber sagen kann: Mit Gal und mit der Metapher, die Wonder Woman ist, zu arbeiten, macht so viel Spaß. Sie ist so eine wunderbare Figur, mit der man alles machen könnte. Mir würde es also das Herz brechen, wenn wir nie einen weiteren Film machen. Ich bin in Tränen ausgebrochen, als wir die letzte Einstellung für „Wonder Woman 1984“ gedreht haben, weil ich gedacht habe: Was, wenn ich nie wieder auf diesem Set stehe und Gal in diesem Kostüm um die Ecke kommen sehe? Man weiß ja nie.
„Wonder Woman 1984“ läuft seit dem 17. Juni 2021 endlich auch in den deutschen Kinos. In unserem Kinoprogramm könnt ihr herausfinden, ob und wo der Film in eurer Nähe gezeigt wird.
Zur Wiedereröffnung der Kinos hat der Verband der deutschen Kinobetreiber HDF Kino e.V. die Kampagne #EndlichWiederKino gestartet. Wir schließen uns der Aktion gerne an, indem wir ihr u.a. durch die Einbettung des Logos in unsere Bilder bei News zu aktuellen Kinofilmen eine größtmögliche Sichtbarkeit verschaffen. Wenn ihr dann also endlich wieder in die Kinos dürft, dann postet gerne ein Foto von eurem ersten Besuch mit dem Hashtag #EndlichWiederKino in den sozialen Netzwerken – wir machen auch mit.