+++ Meinung +++
Als mich die Neuigkeit erreichte, dass ein neuer „Superman“-Film in der Entwicklung ist, schrieb ich den folgenden, bissigen Kommentar in den Chat mit befreundeten Film-Nerds:
„Hollywood ist durchs Streaming im größten Wandel, seit das Fernsehen als Konkurrenz fürs Kino erfunden wurde, die Zukunft aller Studios mit Ausnahme von Disney ist ungewiss, aber zum Glück haben sich bei Warner ja die Besten der Besten zusammengesetzt und ihre Lösung ist … TROMMELWIRBEL … ein neuer ‚Superman‘-Film.“
Ich schrieb diesen Kommentar, als ich noch nicht mitbekommen hatte, dass Warner nicht einfach nur den nächsten „Superman“-Film plant, sondern dass Drehbuchautor Ta-Nehisi Coates und Produzent J.J. Abrams eine andere Version der wohl bekanntesten aller Superheldengeschichten erzählen wollen.
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Ein anderer Superman
Nein, Kal-El vom Planeten Krypton wird nicht schon wieder auf der Erde stranden, um dann schon wieder auf einer Farm aufzuwachsen und schon wieder gegen Lex Luthor kämpfen.
Zumindest sieht es nicht danach aus. Ta-Nehisi Coates möchte eine – in eigenen Worten – „sinnvolle“ Erweiterung der Superman-Geschichte liefern und Superman soll diesmal Schwarz sein. Nun wäre es vorstellbar, einfach nur einen Kal-El mit schwarzer Hautfarbe zu zeigen, der ungefähr dieselben Erlebnisse hat wie der weiße Kal-El.
Doch leider zieht die Hautfarbe in unserer Welt ja eine radikal andere Erfahrung nach sich, je nachdem, ob sie hell oder dunkel ist. Die Geschichte eines Schwarzen Superman dürfte sich also alleine schon deswegen von der Geschichte eines weißen Superman unterscheiden, da der eine zur einer Gruppe gehört, die rassistisch diskriminiert wird, und der andere nicht.
Es sieht danach aus, dass das Studio Warner den bekanntesten aller Superhelden aus einer neuen Perspektive zeigen wird (in den Comics gibt es dazu Vorbilder, z.B. Calvin Ellis, ein von Obama inspirierter Superman, der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika ist). Und im Unterschied zu den Filmen des Konkurrenten Marvel wird dieser Perspektivwechsel nun dadurch begünstigt, dass man sich vom Model des Cinematic Universe verabschiedet hat.
Tschüss, DCEU
Formal mag das mit „Man Of Steel“ (2013) gestartete DC Extended Universe (DCEU) nach wie vor existieren, faktisch wurde es mit „Justice League“ (2017) beerdigt – jedenfalls wurden in „Aquaman“, „Shazam!“, „Birds of Prey“ oder „Wonder Woman 1984“ keine ernsthaften Versuche unternommen, mir als Zuschauer das Gefühl zu geben, dass diese Filme alle in derselben Welt spielen (bei „Shazam!“ wurde für ein Superman-Cameo dann der Kopf des Helden vom Bildrand abgeschnitten, weil Henry Cavill nicht verfügbar war).
Warner startete das DC Extended Universe in allergrößter Hektik, nachdem absehbar war, dass der Konkurrent Disney/Marvel mit seinem Shared Universe eine Goldgrube ausgehoben hatte. Dabei erdrückte man Stars und Filmemacher*innen mit der Vorgabe, jetzt bitte aber ganz schnell auch einen eigenen „Avengers“ zu haben, und bekam stattdessen „Batman V Superman“ sowie „Justice League“, in denen es um alles Mögliche ging und um nichts so wirklich.
Inzwischen aber hat Warner gemerkt, dass es auch ohne Querverbindungen zwischen den Filmen und ohne große Team-Ups geht:
„Joker“ wurde zum Super-Hit, obwohl Regisseur Todd Phillips darin eine losgelöste, für sich stehende Origin Story erzählt. Ich halte den Film für misslungen, aber ich freue mich trotzdem, dass Filme dieser Art bei Warner/DC möglich sind – bei Disney/Marvel sind sie es nämlich nicht.
Emilia Clarke statt Amber Heard in "Aquaman 2"? Gerüchte sind offenbar falschDas Shared Universe der Sorte Marvel könnte mehr und mehr zum Korsett werden. Zwar werden auch die Marvel-Filme zunehmend diverser und die kommenden Serien auf Disney+ erst recht, doch alle Filmemacher*innen müssen ihre kreative Energie stets auch dafür einsetzen, ihre Einträge inhaltlich mit den anderen zu verbinden (und sich tonal nicht allzu sehr von der etablierten Marvel-Formel zu entfernen, bei der Action und Humor – mit Ausnahme von „Deadpool 3“ – stets jugendfrei sein müssen).
Produzent Kevin Feige mag das Marvel-Multiversum eröffnen, also das Nebeneinander unterschiedlicher Helden-Inkarnationen, doch die Multiversum-Filme „Spider-Man 3: No Way Home“ mit (voraussichtlich) drei Spinnen-Männern sowie „Doctor Strange In The Multiverse Of Madness“ sehen für mich derzeit eher wie stark kontrollierte Experimente aus, wie klar umrissene, zeitlich begrenzte Abweichungen von der Norm, in denen mehrere alte Helden-Versionen einmalig zusammentreffen, bevor es in der großen Gesamtgeschichte weitergeht.
Bei DC hingegen soll es künftig normal sein, unterschiedliche Joker sowie unterschiedliche Bat- und Supermänner zu zeigen und ihre Reihen weiterzuentwickeln. Die DC-Filmreihe wuchert munter in alle möglichen Richtungen – ohne größeren Plan, dafür aber freier.