+++ Meinung +++
Es ist mal wieder Zeit, Netflix zu danken. Denn „Meine Freunde sind alle tot“ ist ein Film, den ich ohne den Streaming-Riesen vermutlich nie gesehen hätte. Ich meine, mal ganz ehrlich: Wie oft stoßt ihr so auf polnische Filme? Also, mal abgesehen vom kontrovers diskutierten Netflix-Hit „365 Days“ und Pawel Pawlikowskis Oscar-Anwärtern wie „Ida“ oder „Cold War“? Eben.
Aber auf Netflix bekommen wir seit Jahren regelmäßig Kino aus aller Welt geboten – aus Spanien („Der Schacht“) oder Mexiko („I’m No Longer Here“), aus Taiwan („A Sun“) oder eben aus Polen. Das sind natürlich nicht immer alles Meisterwerke, aber meist zumindest Filme, die sich immerhin recht deutlich vom Hollywood-Einheitsbrei abheben.
Und auch wenn sich Regisseur Jan Belcl im Fall von „Meine Freunde sind alle tot“ doch recht offensichtlich an großen Vorbildern aus der Traumfabrik orientiert, hat er doch seine ganz eigene Handschrift. Vor allem aber nutzt er die von Netflix gegebenen Freiheiten zügellos aus, dass man sich die Frage stellen muss, ob der Film so überhaupt in die hiesigen Kinos gekommen wäre…
Zur Einstimmung gibt's hier schon mal den Trailer im Originalton – aber keine Sorge, den kompletten Film gibt's auf Netflix natürlich in der deutschen Synchronfassung.
Sex und Intrigen, Tod und Verderben
Im Endeffekt braucht man über den Inhalt des Films vorab eigentlich gar nicht zu viel zu verlieren – der Titel nimmt ohnehin schon das Wichtigste vorweg. Die Prämisse lautet: Anastasia (Julia Wieniawa-Narkiewicz) geht auf eine Party, die in einem Massaker endet. Aber wie konnte es nur so weit kommen?
Eines vorneweg: Es wird geflirtet, gevögelt und fremdgegangen, was das Zeug hält. Es erwarten euch Eifersüchteleien und freizügige Sexszenen, in denen es auch mal ziemlich abgefahren werden kann (nur so viel: es wird so mancher Fetisch bedient). Und ihr tut gut daran, am Ball zu bleiben – ansonsten fragt ihr euch ziemlich bald, wer jetzt nun eigentlich wessen Freundin, Mutter oder anderweitig Verbandelte ist. Denn damit beginnen die Probleme überhaupt erst.
„Meine Freunde sind alle tot“ ist ein Party-Feuerwerk aus Sex und Alkohol, dass einen fast „American Pie“ denken ließe – wenn auch nur die Hälfte der Gags zünden würde. Klar, Belcl setzt auf schrullige Figuren, die sich reihenweise ins Chaos stürzen und lässt mit allerhand Extremen durchaus auch Anleihen an Genre-Könner wie Quentin Tarantino, Álex de la Iglesia („Witching & Bitching“) oder auch Joe Carnahan („Smokin' Aces“) erkennen. So richtig Hand und Fuß hat das über weite Strecken aber nicht.
Und trotzdem: Wer die erste Stunde, die jetzt kein Totalausfall, aber auch kein Brüller ist, durchhält, wird mit einem wahrlich furiosen Finale belohnt. Wenn die Stimmung praktisch in jeder Ecke der Party aus den unterschiedlichsten Gründen überzukochen beginnt, folgen absolut wahnwitzige Szenen im Höchsttempo, die einem auch dank fetziger Musikuntermalung kaum Zeit zum Durchatmen lassen.
Da werden Leute auf die unterschiedlichste Weise abgeknallt, Türen in „Shining“-Manier zerhäckselt, hemmungslos in sämtlichen Stellungen gepoppt – und auch mal Körperflüssigkeiten vergossen, die im Kino eher unterrepräsentiert sind. Eine typische Freitagnacht eben, wer kennt das nicht?
„Meine Freunde sind alle tot“ ist genau der richtige Film für einen feucht-fröhlichen Filmabend, wenn ihr eure grauen Zellen zur Abwechslung mal nicht fordern, sondern mit dem ein oder anderen Bierchen wegschwemmen wollt.