Augen zu und durch. Das ist offenbar die Devise, mit der Disney aktuell Filme herausbringt, die das Mäusestudio beim 70-Milliarden-Dollar-Kauf von Konkurrent Fox automatisch mit übernommen hat, obwohl sich das Vertrauen in die Projekte doch arg in Grenzen zu halten scheint. Dafür, dass das bereits vor drei Jahren abgedrehte Horror-Spin-off „X-Men: New Mutants“ von „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“-Regisseur Josh Boone offenbar ebenfalls in diese Kategorie fällt, gibt es allerdings gute Gründe.
- Von der ersten Fassung waren die Fox-Verantwortlichen damals so wenig begeistert, dass sie trotz der angesagten Jungstars Maisie Williams und Anya Taylor-Joy angeblich noch mal ganz von vorne anfangen wollten (immer wieder geplante Nachdrehs fanden letztlich jedoch nie statt, mehrfach verschoben wurde der Film auch schon vor Corona aber trotzdem).
- Das „X-Men“-Sequel „Dark Phoenix“ hat Disney im vergangenen Jahr einen der größten finanziellen Flops seiner Geschichte eingebracht. Im Gegensatz zum studioeigenen Goldesel MCU ist das hinzugekommene „X-Men“-Universum also ein finanzielles Risiko.
Zwar mit Stotterstart – aber immerhin geht es los:
Für die nordamerikanischen Kinos ist das allerdings ein Segen. Denn während Disney seinen sicheren Megahit „Mulan“ vorsichtshalber zum Streaming-Service Disney+ verschoben hat, ist „New Mutants“ nun am vergangenen Freitag angelaufen, obwohl noch längst nicht alle US-Staaten ihre Kinos schon wieder geöffnet haben (vor allem die zwei größten Märkte New York und Los Angeles fehlen noch).
„X-Men: New Mutants“ lief dabei in etwas mehr als 2.400 Kinos an – und spielte am ersten Wochenende circa sieben Millionen Dollar ein! Das ist sicher nicht die Welt, aber es ist ein erster Schritt – bevor dann am kommenden Freitag endlich Christopher Nolans „Tenet“ in den Vereinigten Staaten anläuft!
Auch Cathleen Taff, die die globale Veröffentlichungsstrategie des Konzerns verantwortet, zeigte sich laut Variety erfreut: „Es ist ein ermutigendes Resultat. Wir haben nicht erwartet, dass alle sofort wieder in die Kinos strömen. Aber es zeigt ganz klar, dass es ein Appetit auf Kino gibt.“
So wäre "New Mutants" ohne Corona gelaufen
David A. Gross, der die Hollywood-Consultingfirma FranchiseRe leitet, hat laut Variety errechnet, dass „New Mutants“ wohl so um die 14 Millionen Dollar eingespielt hätte, wenn bereits wieder alle 6.000 Kinos des Landes geöffnet hätten.
Sprich: Wer jetzt einen Film rausbringt, muss auf etwa die Hälfte der Einnahmen verzichten – wobei es eben sehr gut sein kann, dass sich das wieder ein Stück weiter konsolidiert, weil a) die Filme aktuell länger als gewöhnlich in den Kinos laufen und b) die anderen Staaten ja irgendwann trotzdem noch dazukommen und dann das Einspielergebnis womöglich noch einmal befeuern.
Ganz anders sieht die Rechnung hingegen beim Sequel „Bill & Ted 3“ mit Keanu Reeves aus, das am Freitag fast 30 Jahre nach dem zweiten Teil „Bill & Ted’s verrückte Reise in die Zukunft“ in etwas mehr als 1.000 Kinos angelaufen ist:
Am Ende kamen dabei zwar nur Einnahmen von ziemlich genau einer Million Dollar zusammen – aber „Bill & Ted 3“ ist eben auch zur selben Zeit als VoD erschienen und es lässt sich nicht sagen, wie viele Zuschauer nur deshalb auf einen Kinobesuch verzichtet haben, weil sie sich den Film auch schon als Stream ins heimische Wohnzimmer holen können.