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    "Der Unsichtbare": Warum das umstrittene Ende toll ist

    Für mich ist „Der Unsichtbare“ ein hochspannender, effektiv inszenierter Horror-Thriller, dessen Wandlungen ich mag – und zwar vom Anfang bis zum umstrittenen Ende.

    2020 Universal Pictures. All Rights Reserved.

    +++ Meinung mit großen SPOILERN +++

    In der FILMSTARTS-Kritik und auch in unserem Podcast Leinwandliebe ist man sich weitestgehend darüber einig, dass die erste Hälfte von „Der Unsichtbare“ deutlich besser sei als die zweite: Der Horror-Schocker von „Saw“-Autor Leigh Whannell beginne als schauriger Killer-Film und wandle sich dann leider zum halbgaren Actioner. Nicht nur bei uns wird insbesondere das Finale kritisiert:

    Cecilia (Elisabeth Moss) trifft sich am Ende von „Der Unsichtbare“ mit ihrem Ex Adrian (Oliver Jackson-Cohen) zum schicken Entschuldigungs-Dinner, nachdem sie von ihm in der Beziehung missbraucht und nach ihrer Flucht verfolgt sowie weiter terrorisiert wurde, wobei Tech-Genie Adrian (zumindest sehr wahrscheinlich) in einem Anzug steckte, der ihn unsichtbar machte.

    Kurz nachdem Cecilia vom Esstisch aufgestanden und auf die Toilette verschwunden ist, tötet sie Adrian. Allerdings sieht es so aus, als würde der sich selbst killen, da es nun Cecilia ist, die den unsichtbaren Anzug trägt, während sie ein Messer an Adrians Kehle führt.

    Unlogisch und endgültig?

    Dieses Finale sei unlogisch, weil Cecilia sich vorher gar nicht lang genug mit dem Anzug habe vertraut machen können und offenbar in Rekordzeit reingeschlüpft sei, heißt es. Adrian wiederum wird den ganzen Film über als hochintelligenter Mann dargestellt, der das Verhalten seiner Mitmenschen präzise berechnen kann, nur um schließlich nicht zu antizipieren, wie seine Ex ihn austricksen wird. Eine andere Kritik: Dieses Ende sei zu endgültig, weil der mutmaßliche Killer stirbt, anstatt in bester Slasher-Genre-Tradition irgendwie doch zu überleben, damit er in Teil 2 wieder auf die Jagd gehen kann.

    Logik wird gemeinhin überbewertet und endgültig ist gut!

    Die Kritik an angeblich unlogischen Verhaltensweisen von Film- oder Serienprotagonisten ist üblich, sie ist oft nachvollziehbar – und häufig langweilig. Sie lenkt ab von den viel interessanteren Themen, die in Horrorfilmen verhandelt werden können. Vielleicht ist es unlogisch, wie Cecilia ihren Peiniger besiegt. Ganz sicher aber ist es ein Akt der Emanzipation, der deswegen so wirkungsvoll ist, weil er den Regeln des Genres zunächst folgt und sie schließlich bricht.

    Bis zum Schluss ist Adrian ein menschliches Monster, das klüger handelt als sein Umfeld. Deswegen und auch aufgrund seiner körperlichen Überlegenheit, die sich in den Kämpfen zeigt, erscheint Adrian unbesiegbar. Zu Beginn der Dinner-Szene sieht es so aus, als werde Adrian nie für seine Verbrechen belangt, weil stattdessen sein Bruder dafür verantwortlich gemacht wird (auch der Zuschauer kann sich nicht ganz sicher sein, dass wirklich die meiste Zeit über Adrian im Anzug steckte, obgleich ich daran keinen Zweifel habe).

    Cecilia aber überlistet und tötet Adrian mit dessen eigener Methode. Sie ist es, die nun von Regisseur Leigh Whannell als Film-Monster inszeniert wird: Bis dahin wurde ich als Zuschauer stets durch Adrians Attacken überrascht, nun jedoch schockt mich der Angriff der unsichtbaren Cecilia. Emanzipation heißt hier vor allem, dass jetzt Cecilia dem Genre-Muster des superklugen, in seinen Morden überraschenden Killers entsprechend agiert. Warum sollte immer nur der Böse clever und fies sein dürfen?

    Der ursprüngliche Killer stirbt – und zwar eindeutig. Er schreckt nicht wie die „Scream“-Mörder noch mal hoch, er regt sich nicht wie „Halloween“-Mörder Michael Myers, nachdem er endgültig besiegt schien. Der superschlaue, maximalperfide Adrian ist hinüber. „Bis eben noch war das dein Film, Adrian“, scheint uns das ehemalige Opfer Cecilia nach getaner Arbeit durch ihr süffisantes Lächeln zu sagen, „aber damit hat sich's jetzt.“

    Leinwandliebe-Podcast zu "Der Unsichtbare"

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    Webedia / Sebastian Gerdshikow
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