Im Sommer 2019, sogar noch vor der Venedig-Premiere von „Joker“, verriet Regisseur Todd Phillips, dass sich das Drehbuch des Films vor und während der Dreharbeiten häufig geändert habe und Szenen häufig umgeschrieben worden seien.
Auf einen großen Twist in „Joker“ trifft das zwar nicht zu, denn dieser war bereits vor einiger Zeit durchgesickert. Doch anhand einer zentralen Szene lässt sich die durchaus ungewöhnliche Vorgehensweise von Phillips, Hauptdarsteller Joaquin Phoenix und der übrigen „Joker“-Crew sehr gut nachvollziehen.
Arthurs Ausdrucktanz
Einer der entscheidenden Schritte bei Arthurs Verwandlung in den Joker ist der Mord an den drei Männern in der U-Bahn. Anschließend flieht er in eine versiffte öffentliche Toilette – doch er versteckt dort keineswegs die Mordwaffe und denkt erschreckt darüber nach, was er gerade getan hat. So hätte es laut Drehbuch nämlich eigentlich geschehen sollen.
Wie Phillips in einem Audio-Kommentar gegenüber Screenplayed erklärte, sei wirklich genau das geplant gewesen. Doch dann kam alles anders: „Als Joaquin und ich an dem Tag ans Set gekommen sind, haben wir rumgesessen und uns ist klar geworden, dass das nicht zu Arthur passt: Warum sollte er seine Waffe verstecken wollen?“
Nachdem er und Phoenix eine Stunde lang mit diversen Ideen herumgespielt hätten, sei Phillips dann die Idee gekommen, doch einfach ein Stück Filmmusik abzuspielen, das Komponistin Hildur Guðnadóttir ihm bereits geschickt habe. „Und Joaquin hat einfach angefangen, zu dieser Musik zu tanzen. […] Wir haben uns angesehen und gesagt: ‚Okay, wir haben die Szene.‘“
Wie genau die Szene gedreht wurde, erklärte Chef-Kameramann Lawrence Sher im Behind-The-Screen-Podcast des Hollywood Reporter: Nach der erfolgreichen Probe, die Phillips beschreibt, lief Phoenix auf das Toiletten-Set, wo Kameramann Geoffrey Haley bereits wartete, der ebenso wie Sher allerdings von nichts wusste. Phillips spielte die Filmmusik auf voller Lautstärke ab – und der Rest ist ein ganz besonderes Stück Kino.
Wie unterschiedlich Drehbuch und finale Szene ausfallen, könnt ihr euch in dem unten eingebetten Video-Tweet von Screenplayed sehr gut anschauen. Bemerkenswert: Die erste ununterbrochene Handkamera-Einstellung wurde laut Sher tatsächlich beim ersten Versuch gedreht.
Auch die Überlegung dahinter verdeutlicht Sher gegenüber dem Hollywood Reporter: „Muss Arthurs Entwicklung ausgesprochen oder gesagt oder traditionell gefilmt werden? Oder kann es auch expressiver sein? Und hier ist es eben dieser Metamorphose-Ausdruckstanz, fast wie ein Schmetterling, der seinen Kokon abwirft. Es ist so, als ob er jemand Anderes wird.“
„Joker“ läuft seit dem 10. Oktober 2019 in den deutschen Kinos.
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