Der Mann ist eine Legende, hat das „Fluch der Karibik“-Franchise aus dem Boden gestampft, „Bad Boys“, „The Rock“, „Das Vermächtnis der Tempelritter“ und vieles mehr gemacht. Am Set des futuristischen Action-Thrillers „Gemini Man“ in Glennville, Georgia (in der Nähe von Savannah) spricht Produzenten-Ikone Jerry Bruckheimer über die Anfänge des schon seit den 90er Jahren kursierenden Projekts und die Zusammenarbeit mit Oscapreisträger Ang Lee („Brokeback Mountain“, „Life Of Pie“).
In „Gemini Man“ versteht der ehemaligen Regierungskiller Henry Brogan (Will Smith) die Welt nicht mehr. Er wird gejagt – von seinem geklonten, jüngeren Ich Junior (ein digital am Computer generierter Will Smith). Und obwohl die Agentin Danny (Mary Elizabeth Winstead) ihn eigentlich überwachen sollte, schlägt sie sich auf seine Seite und hilft Henry bei der Flucht.
FILMSTARTS: Wir sprechen bestimmt noch über die Technologie. Aber die Story von „Gemini Man“ begleitet dich jetzt schon ungefähr 15 Jahre?!
Jerry Bruckheimer: Das trifft es ziemlich genau.
Ruft in Richtung Set-Publizist Michael Singer: „Michael, wie lange sind wir schon dabei?“ „Seit 2006“, antwortet der.
FILMSTARTS: Hat sich die Story über die Jahre verändert oder die Herangehensweise ans Erzählen –gerade in Bezug darauf, was die Technologie von 120 Bildern pro Sekunde (fps = frames per second) leisten kann?
Jerry Bruckheimer: Nein, nein. Die Geschichte ist immer noch dieselbe. Mit der kam [„Game Of Thrones“-Autor] David Benioff damals an. Die haben wir dann zwar mit weiteren Autoren angepasst, aber das Grundkonstrukt ist gleich. Darauf beziehen wir uns immer.
FILMSTARTS: Bist du oft am Set von „Gemini Man“?
Jerry Bruckheimer: Ja, ab und zu. Ich bin nicht die ganze Zeit über hier. Es ist sehr schön hier [lacht] – bis auf die Insekten.
"Die Technologie ist jetzt da"
FILMSTARTS: Da gibt es dieses verrücke Video von Will Smith mit den Plagegeistern… Viele Projekte verenden in der Produktionshölle. Was hat hier den Ausschlag gegeben, dass „Gemini Man“ jetzt doch noch in Produktion ging? In Hollywood kursierte die Idee sogar schon seit den 90ern…
Jerry Bruckheimer: Wenn man sich ansieht, was in den vergangenen fünf, sechs Jahren produziert wurde, bemerkt man, dass die Technologie jetzt vorhanden ist. Ich habe einige der „Planet der Affen“-Sachen gesehen. Das ist grandios.
FILMSTARTS: War es deine Idee, Ang Lee als Regisseur zu verpflichten?
Jerry Bruckheimer: Nein, das kam über [die Produktionsfirma] Skydance Media. Die hatten ein Treffen mit ihm. Wir haben Skydance den Film gepitcht und die haben Ang Lee an Bord geholt. Er fand es sehr interessant.
FILMSTARTS: Zwölf Jahre ist eine lange Zeit, um auf ein Drehbuch zu setzen. Warum glaubt ihr immer noch daran?
Jerry Bruckheimer: Weil es eine wirklich fantastische Idee ist, wenn du von deinem jüngeren Ich gejagt wirst. Die jugendliche Energie gegen das Alte. Natur gegen Natur. Das ist sehr interessant.
FILMSTARTS: Wie lief denn der Casting-Prozess ab?
Jerry Bruckheimer: Wir haben schon mit Will Smith zusammengearbeitet und waren immer glücklich, er sprang auf die Idee an. Und mit Ang Lee an Bord ist das alles sehr viel einfacher. Er ist so ein brillanter Regisseur. Das war also sehr einfach.
“Eine ganze neue Erfahrung für das Publikum“
FILMSTARTS: Welche Reaktionen wollt ihr vom Publikum haben?
Jerry Bruckheimer: Ich möchte die Menschen immer unterhalten. Das wird ein sehr unterhaltsamer Film. Man kann einen tieferen Sinn darin finden, aber das ist jedem selbst überlassen. Es ist ein großartiges Abenteuer mit zwei fantastischen Figuren. Wir haben einen Weltklasse-Regisseur und Weltklasse-Filmstars, das ist eine großartige Kombination – und natürlich einen tollen Nebendarsteller-Cast.
FILMSTARTS: Kannst du noch etwas mehr zum Konflikt des Films erzählen, warum Junior Jagd auf Henry macht?
Jerry Bruckheimer: Ich denke, es geht darum, dass Junior erzählt wird, dass aus Henry ein Schurke geworden ist und er deshalb umgebracht werden muss. Henry hat aber keine Ahnung, warum er überhaupt gejagt wird.
FILMSTARTS: Dinge wie 120 Bilder pro Sekunde (fps), Native 3D und 4k-Auflösung sind offensichtlich sehr teure Technologien, die aber viele Kinos gar nicht abspielen können. Wie wägst du diese Punkte gegeneinander ab?
Jerry Bruckheimer: Wenn der Film ins Kino kommt, wird er wohl nicht überall in 120 fps gezeigt werden können, aber in 60 fps bei der Mehrheit. Das ist einfach ein spektakulärer Look. Es ist wie ein Theaterstück anzuschauen. Da ist so viel Lebendigkeit und Tiefe in den Bildern, man denkt, dass man in einem Theater sitzt und die Schauspieler wirklich da sind. Das ist eine ganz neue Erfahrung für das Publikum.
Jerry Bruckheimer setzt auf die Jugend
FILMSTARTS: Denkst du, dass „Gemini Man“ mit High Frame Rate, also mit eben jenen 120 Bildern pro Sekunde, neue Maßstäbe setzen wird?
Jerry Bruckheimer: Das ist sehr interessant. Ich bin ein alter Typ, aber die Jugend sieht Medien oft in 120 fps auf dem iPad oder in der Virtual Reality oder beim Gaming. Daran sind die jungen Leute gewöhnt. Ich nicht! Wenn ich ins Kino gehe, bin ich das nicht gewöhnt, ein jüngeres Publikum schon. Ich hoffe, dass sie sagen: „Das ist wirklich großartig.“ Diese Klarheit, wie auf meinem Computer! Das wird faszinierend. Ich kann es gar nicht abwarten, bis ihr es sehen könnt.
FILMSTARTS: Ihr bringt den Film im Oktober ins Kino – eine erfolgreiche Zeit für Sci-Fi-Filme wie „Gravity“, „Der Marsianer“ und „Blade Runner 2049“. Wie passt „Gemini Man“ in diese Reihe von klassischen Sci-Fi-Filmen rein?
Jerry Bruckheimer: Wir machen einen Film, der dich denken lassen soll, dass es kein Science-Fiction ist. Wir wissen, dass Klonen real ist. Das passiert gerade. Leute haben sich ihre Hunde klonen lassen. Ich bin sicher, dass irgendwo verborgen in der Welt jemand Menschen klonen wird. Es ist meiner Meinung nach eher ein Blick in die Zukunft als Science-Fiction.
FILMSTARTS: Curtis Hanson und Tony Scott hatten sich schon früher an dem Projekt versucht. Hast du einen Einblick in die Versionen dieser Regisseure und wie sie sich von Ang Lees Vision unterscheiden?
Jerry Bruckheimer: Ang ist ein sehr intelligenter, figurengetriebener Filmemacher. Diese Intelligenz sieht man in seinen Filmen. Die anderen beiden genannten Regisseure sind auch sehr clever, sie haben aber einen anderen Blick auf Filme. Angs Ansatz ist intellektueller, selbst wenn es um ein großes Abenteuer geht.
“Manche großartigen Projekte gibt man nicht auf“
FILMSTARTS: „Gemini Man“ gilt als eine der besten großen unverfilmten Geschichten der vergangenen Dekade. Erhöht das den Druck?
Jerry Bruckheimer: Nein, der Druck liegt auf jedem Film, den du machst. Der ist jedes Mal enorm. Du nimmst das Geld anderer Leute, gibst es aus und willst, dass sie ihr Geld zurückbekommen und am besten noch Profit dabei machen. Das ist unsere Arbeit. Wir wollen Filme machen, die das Publikum zufriedenstellen und die Studios am Laufen halten. Das ist sehr wichtig. Wenn wir das nicht machen würden, würdet ihr alle heute woanders sein und mit jemand anderem reden. Das ist das Showgeschäft. Darin steckt auch das Wort „Geschäft“.
FILMSTARTS: Empfindest du nicht auch Befriedigung, wenn ihr den Film jetzt tatsächlich realisieren könnt?
Jerry Bruckheimer: Manche großartigen Projekte gibt man einfach nicht auf. Und „Gemini Man“ ist eines davon. Manchmal öffnen sich plötzlich Türen, wie hier. Dann muss man durchgehen.
FILMSTARTS: Sprichst du am Set eigentlich viel mit Ang Lee oder wie ist dein Kontakt während des Drehs zum Regisseur?
Jerry Bruckheimer: Wir sprechen von Angesicht zu Angesicht, wir telefonieren, wir schreiben uns E-Mails. Aber normalerweise sprechen wir persönlich miteinander.
FILMSTARTS: Es wird weitere Dreharbeiten in Cartagena und Budapest geben. Warum habt ihr diese Orte ausgewählt?
Jerry Bruckheimer: Cartagena hat Ang besucht und sich sofort in die Stadt verliebt, die Architektur, die Farben, die Menschen, das Gefühl dort. Budapest ist auch großartig und hat dazu noch Steuervorteile zu bieten. Wir drehen dort Innenaufnahmen. Insgesamt bekommt der Film so einen völlig unterschiedlichen Look. Er wird nach dieser kleinen Stadt [Glennville] hier in Georgia aussehen, nach Cartagena, Kolumbien, nach Budapest, Ungarn. So haben wir drei verschiedene Looks.
„Gemini Man“ läuft am 3. Oktober 2019 in den deutschen Kinos an.