Nach dem herausragenden „Wo die wilden Menschen jagen“ hat Taika Waititi eine weitere Coming-Of-Age-Komödie gedreht, die so aussieht, als könnte sie auch von Wes Anderson („Moonrise Kingdom“) stammen. Mit dabei sind Stars wie Scarlett Johansson („Marriage Story“) oder Sam Rockwell („Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“). Aber die Aufmerksamkeit zieht das Projekt weniger wegen seiner namhaften Besetzung, sondern wegen seiner provokanten Thematik auf sich: Schließlich ist „Jojo Rabbit“ eine zu gleichen Teilen süße und satirische Nazi-Komödie. Bei einer internen Vorab-Vorführung soll sich ein Disney-Manager deshalb auch schon beschwert haben, dass der Film den Markenkern des Mäusestudios beschädigen könnte („Jojo Rabbit“ wurde zwar von Fox produziert, aber das Konkurrenzstudio wurde ja inzwischen von Disney aufgekauft).
Nun hat „Jojo Rabbit“ auf dem Filmfestival in Toronto seine Weltpremiere gefeiert – und die anwesenden Filmkritiker überraschenderweise nicht in zwei, sondern gleich in drei Lager gespalten.
Hitler als Witzfigur
Die ersten zwei vertretenen Ansichten sind die, die man eigentlich auch vorab erwartet hat. Da schreibt etwa Leah Greenblatt, die dem Film in Entertainment Weekly eine glühend positive Kritik verpasst hat, dass Waititi „in seiner Erzählung einen solchen merkwürdigen, süßen Humor findet, dass die Schwere der Thematik erhalten bleibt, selbst wenn sich der Tonfall später [in versöhnlichere Gefilde] verschiebt“. Auf der anderen Seite schreibt Keith Uhlrich in seinem Totalverriss unter der Überschrift „Marvel Presents Mein Kampf“ für Slant Magazine, Waiti würde den „Zwillings-Schrecken aus Unterdrückung und Indoktrination mit nichts anderem als billiger Sentimentalität und platten Witzen“ begegnen. Darf man jetzt also einen Film mit Hitler als Comedy-Sidekick machen? Oder darf man es zumindest nur, wenn die Gags dann auch wirklich clever sind?
Und dann gibt es eben noch das dritte Lager. Und das argumentiert noch mal in eine ganz andere Richtung. So schreibt Benjamin Lee für den Guardian, dass „Waititi nur denkt, dass sein Film schockierend und mutig, der Humor aber in Wahrheit frustrierend ängstlich sei“. „Jojo Rabbit“ sei vielmehr nur ein „leichter Stoß in die Rippen, wo er es eigentlich einen harten Schlag gebraucht hätte“. Und das meinen auch andere: Waititi tue so, als ob er Grenzen überschreiten würde, gehe aber in Wirklichkeit auf Nummer sicher, wo sich ein Charlie Chaplin mit „Der große Diktator“ schon vor 80 Jahren sehr viel weiter vorgewagt habe.
Aktuell steht „Jojo Rabbit“ bei der Kritikensammelseite RottenTomatoes bei 68 Prozent positiver Wertungen. Bei Metacritic hat er hingegen sogar nur einen Durchschnittswert von 47 von 100 Punkten. Auf jeden Fall eine Enttäuschung für das zuvor so hochgehandelte Werk – wobei man mit solchen Durchschnittswerten gerade bei Filmen, die ihr Publikum spalten, eh immer vorsichtig sein sollte. Auch ein Film, der nur ganz hohe und ganz niedrige Wertungen einfährt, hat schließlich am Schluss einen mittleren Durchschnittswert, obwohl niemand den Film tatsächlich als „durchschnittlich“ einschätzt.
„Jojo Rabbit“ startet am 23. Januar 2020 in den deutschen Kinos.