Spoiler-Warnung: Wir schreiben über die Handlung von „Drei Schritte zu dir“.
Stella Grant (Haley Lu Richardson) und Will Newman (Cole Sprouse) sind ineinander verliebt, dürfen sich aber nicht küssen – denn das könnte sie umbringen. Dieses Problem mag aufs Erste nach der Konstruktion von Drehbuchautoren klingen, existiert aber auch außerhalb der Filmhandlung von „Drei Schritte zu dir“ (im Original: „Five Feet Apart“). Stella und Will leiden an der seltenen Stoffwechselerkrankung Mukoviszidose, die es tatsächlich gibt.
Die Krankheit verläuft von Patient zu Patient unterschiedlich. Die Gemeinsamkeiten bestehen in einer infizierten Lunge, die das Atmen erschwert, in einer geringen Lebenserwartung, umfangreicher, permanenter Behandlung – und dem großen Problem, dass man Abstand halten muss zu Menschen, die Krankheitskeime verbreiten, vor allem anderen Menschen mit Mukoviszidose.
Wir haben diese Informationen von der Internetseite der Organisation Cystic Fibrosis Foundation. „Cystic fibrosis“ ist der im englischen Sprachraum geläufige Begriff für Mukoviszidose. Auch die Macher von „Drei Schritte zu Dir“ haben sich natürlich in Vorbereitung auf den Film über die Krankheit informiert. Aber die Romantik-Geschichte über zwei todkranke Teenager wurde von manchen Mukoviszidose-Patienten im Internet kritisiert.
Boykott-Aufruf
Die 21-jährige Elsie ruft auf ihrem Blog 65pinkroses zum Boykott von „Drei Schritte zu Dir“ auf. Ihre Kritik richtet sich gegen den Regisseur Justin Baldoni. Der sagte in einem Interview, dass der aus „Riverdale“ bekannte Cole Sprouse auch deswegen passend für die Rolle des Mukoviszidose-kranken Will gewesen sei, weil er als am Set permanent von älteren Menschen umgebener Kinderdarsteller gezwungen war, schneller erwachsen zu werden – ähnlich wie Mukoviszidose-Patienten, die sehr viel Zeit im Krankenhaus verbringen müssen, nur mit Ärzten, Schwestern und Krankenpflegern eben.
Für Elsie ist dieser Vergleich „ignorant und beleidigend“. Sie schreibt ihn ihrem Blog-Beitrag: „Wir werden deswegen schnell erwachsen, weil wir krank sind und sterben. Wir werden deswegen schnell erwachsen, weil wir keine andere Wahl haben, als unsere kurzen Leben schneller zu leben als andere. Die meisten von uns werden nur halb so alt wie gesunde Menschen und viele von uns werden viel früher sterben.“
Instrumentalisierung von Kranken?
Elsie fühlt sich außerdem durch die Geschichte des Films instrumentalisiert. Ihre Krankheit werde in „Drei Schritte zu Dir“ zu einem Plotpunkt, wegen dem sich gesunde Menschen besser fühlen sollen. Anlass dieser Kritik ist wiederum eine Äußerung des Regisseurs Justin Baldoni – der hofft, dass die Zuschauer nach dem Film ihre Leben besser zu würdigen wissen. Elsie dazu:
„Tödlich kranke Menschen sind nicht nur deswegen am Leben, damit gesunde Menschen ‚ihre Leben mehr würdigen‘. Ich bin sehr glücklich, wenn meine Probleme die Menschen um mich herum dazu inspirieren, gesündere Lebensentscheidungen zu treffen. Ich bemerke außerdem, dass meine gesunden Freunde und Familienmitglieder gelernt haben, ihre gesunden, fähigen Körper mehr zu schätzen in all der Zeit, in der sie mir in meinem Schmerz geholfen haben.
Aber das ist was anderes, als wenn man unsere komplette Existenz als Plotpunkt für gesunde Menschen nimmt. ‚Drei Schritte zu dir‘ versucht, unsere Leben, Geschichten und Menschlichkeit nur als Vorlage für einen ‚tragischen‘ Plot für gesunde Menschen zu nutzen, damit die weinen, und ich weigere mich, diese Scheinheiligkeit zu akzeptieren.“
Außerdem gehört Elsie zu denen, die eine „Drei Schritte zu Dir“-Werbekampagne auf Instagram kritisieren, in der Influencer über wichtige Menschen in ihrem Leben schrieben, von denen sie räumlich getrennt lebten – und wegen dieser Erfahrung behaupteten, sie könnten Stella und Will verstehen. Elsie: „Eine tödliche Krankheit, eine Behinderung, ist keine Erfahrung, die man auf eine Stufe mit anderen stellen kann. Zu sagen, dass todkrank sein das gleiche ist, wie nicht in der Lage zu sein, seine Mutter jeden Tag zu umarmen, ist schlicht Behindertendiskriminierung.“ Inzwischen sollen alle Posts gelöscht worden sein.
Unrealistische Darstellung
Die Kritik von Elsie betrifft die Werbekampagne zu „Drei Schritte zu Dir“ sowie die Äußerungen von Regisseur Justin Baldoni. Kayla Ariana hingegen, die sich beschreibt mit „Cosplayerin, Autorin, Mukoviszidose“, geht in einem Beitrag auf ihrem tumblr-Blog auf die Geschichte von „Drei Schritte zu Dir“ ein (sie bezieht sich auf die Buchversion). „Das ganze Buch ist für junge Teenager romantisiert und bringt der Mukoviszidose-Gemeinschaft die falsche Aufmerksamkeit.“
Was Kayla Ariana am meisten zu stören scheint, ist die angeblich vereinfachte Darstellung der Krankheit. Stellas ebenfalls kranker Kumpel Poe (Moises Arias), der mit ihr im Krankenhaus lebt, stirbt im Film wie im Buch sehr plötzlich am Lungenkollaps. Kayla Ariana: „Als ich das hatte, war ich eine Woche lang krank. Ich habe mir nicht viel dabei gedacht. Bis ich dann eines Tages mehr hustete als üblich und nichts mehr schlucken konnte, ich habe durch das Husten nach Luft geschnappt. Als ich in die Notaufnahme kam, habe ich Blut gehustet und dann erst rausgefunden, dass meine Lunge kollabiert war.“
Mein Leben ist mehr als Mukoviszidose
Mukoviszidose-Patientin Jenn Whinnem schrieb für medium.com über „Drei Schritte zu Dir“. Sie hatte zum Zeitpunkt ihres Artikels nur den Trailer sehen können, weil der Film noch nicht erschienen war – aber wer den Trailer gesehen hat, kennt die Prämisse des Films und nur um diese geht es Whinnem. Dazu schreibt sie: „Meine fatale Krankheit und mein Schmerz sind kein verf****** Plot für eure Fantasien.“
Whinnem betont, dass vielen Patienten zwar eine geringe Lebenserwartung prognostiziert werde, sie ihre Prognose aber geschlagen und außerdem ein Liebesleben gehabt habe: „Ich habe Mukoviszidose und war trotzdem mal mit einem Jungen zusammen, der Mukoviszidose hatte. […] Stellt euch vor: Ich bin 39. Wenn du diese Krankheit hast, sagst du dein Alter mit Stolz, selbst wenn dich deine jugendfixierte Kultur längst aufgegeben hat.“
Whinnem beschreibt weiter, wie sie in der Highschool einen Mitschüler names Dave kennenlernte, mit dem sie zum Abschlussball ging und anschließend knutschte. „Und dann verloren wir den Kontakt, denn abgesehen von unseren Krankenhausaufenthalten hatten wir nichts gemeinsam.“
Im weiteren Text wird deutlich, dass Jenn Whinnem die Krankheit zwar nicht verharmlosen möchte. Sie will sich von ihr aber auch nicht ihr Leben diktieren lassen – und mag die Vorstellung nicht, dass nun „Drei Schritte zu dir“ bestimmt, wie Menschen über Mukoviszidose denken.„Jede Krankheitsgeschichte ist unterschiedlich. Ich als 39-Jährige mit Mukoviszidose hatte außergewöhnlich viel Glück. Ich bin gesund und meine Lungen funktionieren. Und ich lehne ab, welche Geschichte in „Drei Schritte zu dir“ über Mukoviszidose erzählt wird.“
Andere verteidigen den Film
Die Kritik von Elsie, Kayla Ariana und Jenn Whinnem lässt sich so zusammenfassen: „Drei Schritte zu Dir“ vermittle ein einseitiges, vereinfachtes Bild der Krankheit, mit dem auf die dramatischen Auswirkungen abgezielt werde. Andere Mukoviszidose-Patienten hingegen verteidigen den Film. „Sie haben so viel getan, damit die Krankheit akkurat dargestellt wird“, sagte Morgan Grindstaff gegenüber healthline. Grindstaff hatte geringe Erwartungen, weil Mukoviszidose in TV-Serien, die er gesehen hat, bisher seiner Meinung nach immer falsch dargestellt wurde, was die Medikamente und das Krankenhausequipment betrifft.
Die 2018 mit 21 Jahren verstorbene Claire Wineland, deren Organisation Claire's Place Foundation todkranke Menschen sowie deren Familien unterstützt, war Beraterin in der Produktion von „Drei Schritte zu dir“. Ihrer Mutter Melissa Nordquist Yeager gefällt, dass die Emotionen von Stella und Will sowie die Angst der Eltern im Film so gut rüberkämen.
Und Shelby Luebbert, die mit healthline vom Krankenhaus aus sprach, meint: „Zuschauer werden sehen, wie Mukoviszidose verlaufen kann, auch wenn jeder Mensch mit der Krankheit anders ist. Alles, was Aufmerksamkeit für Mukoviszidose bringt, ist gut.“
"Drei Schritte zu Dir": Das Ende erklärt