1980 gelang dem italienischen Philosophen und Autor Umberto Eco gleich mit seinem ersten Roman „Der Name der Rose“ ein Weltbestseller. Jean-Jacques Annaud verfilmte den Stoff 1986 und machte daraus ebenfalls einen Welterfolg. Allein in Deutschland erreichte „Der Name der Rose“ mit Sean Connery, Christian Slater und Michael Lonsdale sechs Millionen Kinozuschauer. Nun wird der Stoff als achtteilige Serie neu aufgelegt. Wir hatten im Frühjahr 2018 die Gelegenheit, im kleinen Kreis mit zwei weiteren Journalisten am Set von „Der Name der Rose“ in Rom hautnah beim Dreh dabei zu sein. Während uns Mitarbeiter der italienisch-deutschen Produktion laufend mit Hintergründen versorgten, standen wir die meiste Zeit des Tages im öligen Nebel, der an diesem Drehtag allgegenwärtig war.
Darum geht’s in „Der Name der Rose“
Im Italien des Jahres 1327 stoßen William von Baskerville (John Turturro) und sein Novize Adson von Melk (Damian Hardung) in einem abgeschiedenen Kloster in den Alpen auf eine rätselhafte Mordserie. Während die beiden versuchen, die grausamen Verbrechen aufzuklären, legen sie sich auch mit dem gnadenlosen Inquisitor Bernardo Gui (Rupert Everett) an, der es auf Kritiker der katholischen Kirche abgesehen hat und so bald auch Anstoß an Baskervilles Ermittlungen findet.
Schnee bei 15 Grad und Sonne
Es ist der 15. März 2018. Während man im kalten Deutschland noch bei drei, vier Grad friert, sieht es anderthalb Flugstunden weiter südlich bei frühlingshaften 15 Grad schon besser aus. Und dennoch sorgte das Wetter in den vergangenen Wochen für einige Kapriolen am Set von „Der Name der Rose“, wo heute 180 Menschen bei der Arbeit sind. Zum ersten Mal seit acht Jahren schneite es in der Region Rom wieder, weshalb plötzlich der echte Schnee den technisch erzeugten bei den Dreharbeiten zerstörte und für Verzögerungen sorgte, erzählt uns die ausführende Produzentin Patrizia Massa („Duplicity“). 40 Prozent des Drehs findet auf Außenschauplätzen statt, der Rest im Studio. Auf dem Cinecitta-Gelände sind neben dem großen, zentralen Abtei-Set auch kleinere Bauten hochgezogen worden.
Wir schauen uns in der sehr authentisch wirkenden und mit viel Liebe zum Details gestalteten Papiermühle um und besuchen die Schlachterei, wo der zweite Mord passiert – und ja, den legendären Badezuber haben wir auch gesehen. Wir schauen uns die privaten Kammern der Hauptfiguren William von Baskerville und Adson von Melk an, den großen Essenssaal der Mönche und schließlich das pompös mit Fresken ausgestattete Papstzimmer, wo der Boden von Set-Handwerkern gerade frisch gestrichen wird. Im Skriptorium, das im Originalfilm in Flammen aufgeht, ist vieles echt und einiges fake. Da gibt es große verstaubte Bücherkisten ebenso zu entdecken wie Bücherattrappen in manchen Regalen.
Düstere Atmosphäre im Ölnebel
Die Szenen, die wir an diesem Tag beobachten, spielen allesamt auf dem riesigen Innenhof der Abtei – der auch in der Serie ein zentraler Schauplatz sein wird. Die Wände der Gebäude sind aus Fiberglas und Pappe, aber man sieht den Unterschied nur, wenn man das Material anfasst oder ganz nah davor steht. Dieses gigantische Außenset ist auf dem Gelände der Cinecitta Studios errichtet. Man fühlt sich direkt ins Mittelalter zurückversetzt, Schauspieler schlendern in ihren antiken Kostümen über das Set, Mönche und Bauern, einfache Arbeiter, zur Mittagszeit wird es skurril, wenn die kostümierten Herren mit großen Pizzaschachteln unter dem Arm zum Mittag schlurfen.
Über dem gesamten Abtei-Gelände, dessen architektonische Krönung der berühmte sechsstöckige Turm ist, liegt eine dünne Schicht Kunstschnee. Aus einem riesigen Schlauch strömt dann dieser etwas seltsam riechende Nebel. Einige Set-Mitarbeiter haben sich einfache Atemschutzmasken besorgt, aber wir denken uns, dass man das schon ein paar Stunden aushalten kann. Denn der optische Effekt ist riesig. Auch ohne die Begrenzung des Fernsehbildschirms entsteht hier schon eine düstere Atmosphäre.
Zwischendurch sagen immer wieder Schauspieler und Akteure hinter der Kamera „Hallo“, stellen sich vor und sind wieder weg zur Arbeit. So treffen wir „Club der roten Bänder“-Star Damian Hardung kurz beim Essen, als er mit einem verschmitzten Lächeln um die Ecke kommt, Regisseur Giacomo Battiato schüttelt uns die Hand. Wenn gedreht wird, ruft er laut „Here we go. Action“. Da ist jeder Filmemacher ein bisschen eigen. Die Hauptdarsteller John Turturro („Transformers“), Michael Emerson („Lost“) und Rupert Everett („Die Hochzeit meiner besten Freundin“) haben frei und werden erst in einigen Tagen wieder am Set erwartet. Schade!
Dreh auf den Innenhof der Abtei
Ökonomie: Manche der Bauten sind nur in halber Höhe errichtet, wenn für den Bildausschnitt der Aufnahmen nicht mehr nötig ist, im Hintergrund stehen einige Green-Screen-Leinwände herum, die den Raum füllen werden, ohne dass das Publikum hier den Unterschied zwischen Wirklichkeit und digitaler Kreation bemerken wird. Dahinter sind sogar Wohnblocks zu erkennen. Die erste Szene (aus der sechsten Episode), die wir beobachten, zeigt eine päpstliche Delegation, die über den nebelverhangenen Innenhof der Abteil wandert. Später am Tag schauen wir zu, wie Mönch Salvatore (Stefan Fresi) vor der Bibliothek agiert, aus der in der nächsten Einstellung zwei Mönche, unter anderem der Deutsche Richard Sammel („Inglourious Basterds“), aus der Bücherei in den Hof gelaufen kommen. Gedreht wird übrigens im Leinwandformat, mit einer Panalight-Kamera in 4K. „Das kann man im Kino zeigen“, sagt Produzent Nicola Serra („Leopardi“).
Nachdem die 300 Arbeiter starke Produktionsabteilung mit vier Konstruktionsmanagern bereits im November 2017 mit den ersten Set-Bauten begonnen hat, startete der Dreh von „Der Name der Rose“ Mitte Januar 2018. Das erklärt uns Produktionsdesigner-Veteran Francesco Frigeri („Die Passion Christi“). Im vollgestopften Büro der Produktionsdesigner hängen überall Zeichnungen, Fachbücher und Auszüge des Drehbuchs liegen herum. Kreatives Chaos.
Gedreht wurde in Italien, hauptsächlich in den legendären Cinecitta Studios in Rom, wo Werke wie „Für eine Handvoll Dollar“, „Ben Hur“, „La Dolce Vita“ oder „Gangs Of New York“ entstanden sind. Also genau der richtige Ort, um wieder Geschichte zu schreiben. Denn „Der Name der Rose“ ist das derzeit heißeste Projekt der italienischen Film- und Serien-Branche. Nicola Serra: „Bei uns in Italien ist der Druck groß, weil das Buch von Umberto Eco hier so beliebt ist.“ Er sieht „Der Name der Rose“ als eine faszinierende Mischung aus Thriller, Crime-Story, mathematischen Elementen und Religion, als „internationale Produktion mit europäischem Flair“. Gedreht wird in Englisch, die unterschiedlichen Sprachen werden über Dialekte ausgedrückt. Neben den Cinecitta Studios wird auch in Perugia gedreht, das Florenz doubelt, weil dort zu viele Touristen den Dreh erschweren würden.
Internationale Besetzung
Die Schauspieler kommen aus aller Herren Länder – hauptsächlich aus Italien, Großbritannien und den USA. Aus deutscher Sicht sind neben Hauptdarsteller Damian Hardung als Jungnovize Adson von Melk unter anderem auch noch Richard Sammel („Inglourious Basterds“) und Sebastian Koch („Werk ohne Autor“) in kleineren Rollen dabei. Insgesamt gibt es rund 20 größere Sprechrollen. Wir treffen Sammel, der gerade mal drei Stunden wieder hier ist, zum Small Talk, während wir kollektiv im Ölnebel stehen. Er habe „das perfekte Mönchgesicht“, spielt den Malachias. Für Sammel geht es in „Der Name der Rose“ nicht nur um die Inquisition, sondern um „aktuelle Themen“ und „zeitlose Elemente in der Geschichte“. „Um die Bestie Mensch, der zum Besten, aber auch zum Schlechtesten fähig ist.“ Das Prinzip Hoffnung müsse aufrechterhalten werden, so Sammel.
Dass es mit Jean-Jacques Annauds „Der Name der Rose“ bereits einen sehr bekannten Film gibt, stört Produzent Serra übrigens nicht: „Der Film ist wichtig, aber wir gehen in eine andere Richtung. Die Serie erzählt viel, viel mehr.“ Der Kampf zweier Weltanschauungen steht im Mittelpunkt. Inszeniert werden alle acht Episoden von Veteran Giacomo Battiato („Karol: Papst und Mensch“). Die Drehbücher stammen von Emmy-Preisträger Nigel Williams („Elizabeth I“) und den italienischen Filmemachern Andrea Porporati („La Piovra“) und Giacomo Battiato.
Nach einem ausgefüllten Tag an einem aufregenden Set mit vielen auffallend netten Leuten, die sich viel Zeit und Geduld nahmen, uns alles zu erklären, endet der Drehbesuch nicht nur mit der Abreise zurück nach Deutschland, sondern vor allem dem Gefühl, dass hier etwas Großartiges entstehen kann, was gegenüber dem herausragenden Film noch einen Mehrwert bieten sollte.
„Der Name der Rose“ ist ab dem 24. Mai 2019 auf Sky zu sehen. Jeden Freitag wird jeweils eine neue Folge ausgestrahlt. Über Sky Ticket, Sky Go und Sky On Demand stehen direkt alle Folgen zum Start auf Abruf bereit. Ab dem 15. Juni (digital) bzw. 18. Juni (DVD & Blu-ray) ist „Der Name der Rose“ auch auf dem Heimkinomarkt erhältlich.