+++ Meinung +++
Fatih Akins ultrabrutaler Serienmörder-Schocker „Der Goldene Handschuh“, der im Februar auch im Wettbewerb der Berlinale lief, wirbelt mächtig Staub auf. Die Diskussion dreht sich dabei weniger um die ebenfalls umstrittene Qualität des Werks, die vor allem von ausländischen Medien (Metacritic: 28 von 100 Punkten) bemängelt wird, sondern um die extreme Gewaltdarstellung. Im Film werden die Taten des berühmten Serienmörders Fritz „Fiete“ Honka geschildert (gespielt von Jonas Dassler), der zwischen 1970 und 1975 im Hamburg vier Prostituierte bestialisch ermordete, zerstückelte und zumindest drei von ihnen hinter einer Wand in seiner Wohnung deponierte.
"Der Goldene Handschuh": Wie nah ist der Serienmörder-Schocker an der Realität?Fatih Akin ist kein Mann des Kompromisses. Und deshalb zieht er auch in „Der Goldene Handschuh“ voll durch, ohne Rücksicht auf Geschmäcker und kommerzielle Interessen. Gleich in der ersten Szene zersägt der Nachtwächter und Hilfsarbeiter Honka in seiner verwahrlosten Wohnung in Hamburg-Altona sein erstes Opfer. Akins Kameramann Rainer Klausmann („Das Experiment“, „Gegen die Wand“) beobachtet das ekelhafte Treiben aus der Distanz, aus einigen Metern Entfernung, wenn Honka sich an die Arbeit macht. Das ist schon am Rande der Erträglichkeit. Später wird es bei weiteren Zerstückelungsszenen noch grafischer. Und dennoch hat man nie das Gefühl, dass Akin diese Bilder – trotz der extremen Brutalität – voyeuristisch ausstellt. „Der Goldene Handschuh“ ist kein Gewaltporno. Es ist das Sujet, das diese Darstellung erfordert, wenn man dem Kern tatsächlich ehrlich gerecht werden will – und sei es noch so abstoßend.
Heinz Strunks Romanvorlage ist noch brutaler
Die Taten des alkoholkranken und geistig beeinträchtigten Fritz Honka sind in der Realität noch brutaler, als es Akin in seinem Film überhaupt nach dem Richtlinien der FSK zeigen kann. In der gefeierten gleichnamigen Romanvorlage von Heinz Strunk (er hat am Anfang ein Cameo in der Absturz-Kneipe Der Goldene Handschuh, wo Honka seine Opfer aufgabelt) geht es härter zur Sache, weil der Autor die bestialischen Szenen noch explizierter beschreibt. Nur mit dem Unterschied, dass sich die Bilder im Kopf des Lesers entfalten müssen, was naturgemäß weniger verstörend ist, als es tatsächlich auf der Leinwand zu sehen. Im Buch konterkariert Strunk diese brutalen Massaker mit beißend-ätzendem, satirischem Humor. Dieser findet sich im Film zwar auch wieder, allerdings im geringeren Ausmaß. Deswegen ist Akins Film schwerer verdaubar.
"Der Goldene Handschuh": Was wurde eigentlich aus dem St.-Pauli-Ripper Fritz Honka?Dabei ist „Der Goldene Handschuh“ mehr Sozialdrama als Satire. In der BILD-Zeitung sagte Akin: „Ich hoffe, dass mein Film die Leute erschüttert, vor allem die Männer. Frauen sollen den Film am besten gar nicht gucken. Ich glaube, indem ich Männern wirklich zeige, wie traurig, wie gemein und wie hässlich Gewalt gegen Frauen ist, bringe ich sie zum Nachdenken.“
Dass Frauen den Film nicht sehen sollten, ist natürlich Unsinn. Jeden normalen Menschen stößt diese Gewalt ab. Aber erschüttern kann man eben nur, wenn man diese Abscheulichkeit zeigt, wie sie ist. Das schränkt dann vielleicht den Kreis der potenziellen Kinobesucher ein, weil diese extreme Darstellung schlicht nicht jeder ertragen kann, aber gerade wegen dieser radikalen Konsequenz zollen wir Fatin Akin Respekt, selbst wenn der Film aus unserer Sicht nicht perfekt ist.
Der Goldene Handschuh„Der Goldene Handschuh“ läuft seit dem 21. Februar 2019 in den deutschen Kinos und hat nach elf Tagen Spielzeit die Marke von 100.000 Besuchern überschritten.