Eine hochtalentierte Indie-Regisseurin (Karyn Kusama), zwei Oscarpreisträgerinnen (Charlize Theron, Frances McDormand), ein attraktiver Nebendarstellercast (Pete Postlethwaite, Jonny Lee Miller), eine kultige MTV-Zeichentrickserien-Vorlage? Wie konnte es eigentlich passieren, dass „Æon Flux“ als finanzieller und künstlerischer Flop, als komplett vermurkstes Projekt, in die Filmgeschichte einging?
Das produzierende Studio Paramount stellte Karyn Kusama (ab 14. März 2019 mit dem sehenswerten „Destroyer“ im Kino), die fünf Jahre zuvor mit dem Indie-Drama „Girlfight“ für Aufsehen sorgte, ein immerhin ordentliches Budget von 55 Millionen Dollar zur Verfügung. Doch von Anfang an war der Wurm drin in dieser Produktion: Kusama wollte ihre 2415 spielende Zukunftsgeschichte über eine Welt, in der nach einer 2011 ausgebrochenen Seuche nur noch fünf Millionen Menschen leben, die in der abgeriegelten Stadt Bregna um ihr Überleben kämpfen, in der brasilianischen Hauptstadt Brasilia drehen. Daraus wurde nichts, weil weder Infrastruktur noch technische Expertise vor Ort das Niveau für eine große Filmproduktion aufwiesen. Kusama faszinierte die Architektur der Stadt, die perfekt für die postapokalyptische Welt von „Æon Flux“ gepasst hätte. Statt Brasilia gab es schließlich Berlin, Potsdam, Schloss Sanssouci und die Bundesgartenschau als Kulisse.
Regisseurin Kusama vom Studio im Stich gelassen
Denn „Æon Flux“ wurde im Studio Babelsberg sowie der Berliner und Potsdamer Umgebung gedreht, aber daran ist der Film letztendlich nicht gescheitert. Das Unheil nahm seinen Lauf, als Paramount, die an der Spitze der sechs beteiligten Produktionsfirmen standen und den Film auch in Nordamerika in die Kinos brachten, Regisseurin Karyn Kusama nach dem Dreh feuerten und ihr den Schnitt entzogen. Nach einigen Wechseln in der Führungsspitze herrschte große Uneinigkeit über das Projekt „Æon Flux“, worunter schließlich die Regisseurin zu leiden hatte. Sie fühlte sich verraten und verkauft. „Ich war so naiv. Ich dachte, ein Konzern wie ein Filmstudio würde sich auch geschäftsorientiert verhalten und seine eigenen Interessen schützen, immer noch das Beste geben, was man kann, um so viele Menschen wie möglich in ihre Filme zu locken. Aber dann habe ich irgendwann kapiert, dass es ihnen nicht ums Geschäft geht, sondern um Egos und Dominanz“, sagte Kusama gegenüber The Daily Beast.
Das Studio schnitt eine nur 71-minütige Version, die aber bei einem Testpublikum sehr schlecht ankam. Kusama wurde zurückgeholt und montierte die Kinofassung von 92 Minuten. Zu ihrer ursprünglichen Vision, es fehlen ganze Handlungsstränge, durfte sie nicht zurückkehren – nur zu diesem halbgaren Kompromiss.
Paramount glaubte nicht an "Æon Flux"
Der reichte nicht, um Publikum und Presse zu überzeugen. In Nordamerika zeigte Paramount „Æon Flux“ der Presse nicht wie üblich vorab, weil man offenbar sehr negative Rezensionen und schlechte PR fürchtete – zu Recht. „Æon Flux“ hatte auf Metacritic einen Score von 36 von 100 Punkten, bei Rottentomatoes beurteilten 9 Prozent der Kritiker den Film als „fresh“ (Durschnittswertung: 3,4 von 10). An der Kinokasse schmierte „Æon Flux“ ebenfalls ab, spielte weltweit nur 52 Millionen Dollar ein (26 Millionen in Nordamerika). In Deutschland lösten trotz Heimvorteils mit dem Dreh in Berlin und Potsdam nur 130.000 Kinozuschauer ein Ticket – ein Reinfall auf allen Ebenen.
Ist der Film wirklich so schlecht? Wir finden, nicht. In unserer Kritik schrieben wir: „‚Æon Flux‘ ist nicht die angekündigte Katastrophe, aber ganz bestimmt ein Film der verschenkten Möglichkeiten. Ein versierteres Drehbuchteam hätte aus der Vorlage mehr herausholen und dem Sci-Fi-Reißer ein besseres Gleichgewicht verleihen können. Es fehlt einfach ein origineller Eindruck.“