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    Keine Lust auf Antihelden: Unser Interview mit den "Jack Ryan"-Machern

    Die Agenten-Thriller-Serie „Jack Ryan“ ist seit kurzem auf Amazon Prime Video verfügbar. Im Interview in London verraten uns die Autoren Carlton Cuse und Graham Roland, wie sie ein sterbendes Franchise wiederbelebt haben.

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    Carlton Cuse und Graham Roland sind alles andere als unerfahren: Während Roland unter anderem zu den Autoren-Teams der Mystery-Serien „Lost“ und „Fringe“ gehörte, ist Cuse als Showrunner von Serien wie „Lost“, „Bates Motel“, „Nash Bridges“ und „The Strain“ ein regelrechter Serien-Veteran. Und dennoch stellte es das Duo vor eine große Herausforderung, Tom Clancys Kult-Agenten „Jack Ryan“ nach fünf Kinofilmen nun mit einer Serie auf die heimischen Bildschirme zu bringen. Ihr Schlüssel zum Erfolg: Eine Mischung aus frischen Ansätzen und der Rückbesinnung auf klassische Elemente.

    FILMSTARTS: Wann hattet ihr die Idee, die Jack-Ryan-Geschichten als Serie neu aufzulegen?

    Carlton Cuse: Das war vor etwa dreieinhalb Jahren. Paramount hatte bis dahin fünf Jack-Ryan-Filme gemacht und der letzte [„Jack Ryan: Shadow Recruit“] war nicht sehr erfolgreich, sodass das Franchise im Sterben lag. Die Film-Abteilung hat die Marke dann an die TV-Abteilung weitergereicht und so ist das Projekt schließlich bei uns gelandet. Als wir angefragt wurden, hatten wir sofort das Gefühl, uns da reinstürzen zu können, ich als großer Fan der Buchvorlagen und Graham als Ex-Marine und Fan der Filme. Die Gelegenheit, das Ganze als Serie umzusetzen, gab uns die Möglichkeit, das Franchise neu zu gestalten und Clancys umfangreichen und komplexen Büchern gerecht zu werden. Wir haben aus diesen die zentralen Elemente genommen und unsere eigene Geschichte drumherum gestrickt.

    Graham Roland: Nicht nur im Spionage-Genre gibt es mittlerweile unzählige Antihelden, ob nun Jack Bauer, Carrie Mathison, Jason Bourne oder zum Teil auch der neue James Bond. Das sind meistens sehr zynische Herangehensweisen, sowohl an die Behörden, für die sie arbeiten, als auch an die Figuren selbst. Und das war für uns nun die Chance, uns wieder auf einen klassischeren Helden zu besinnen, der moralisch und clever ist und die besten Absichten hat. Das hat sich im heutigen Serien-Klima schon fast frisch und revolutionär angefühlt.

    Ein neuer Jack Ryan

    FILMSTARTS: Wie unterscheidet sich eure Jack-Ryan-Interpretation von der Figur in Tom Clancys Vorlagen?

    Carlton Cuse: Das Einzige, was wir direkt aus den Büchern übernommen haben, waren drei Figuren: Jack Ryan, Jim Greer und Kathy Mueller. Aber wir haben sie neu definiert. In unserer Version arbeitet Jack erst seit vier Jahren für die CIA, was kürzer ist als im ersten Tom-Clancy-Roman „Jagd auf Roter Oktober“. Jim Greer ist in dem Buch ein Navy-Admiral mit einem schicken Eckbüro in der CIA. Bei uns ist er ein Typ, der gerade von einer Mission in Pakistan abgezogen wurde und jetzt im Grunde nur eine Stufe über Jack steht. Und Kathy Mueller, in den Büchern Jacks Frau, lernt er hier erst kennen. Es ist also eine Art Prequel. Für uns war es aber vor allem spannend, in dem Moment anzusetzen, als Jack erstmals vom Analysten zum Agenten im Außeneinsatz wird.

    Graham Roland: Clancy-Fans werden auch in unserer Version charakteristische Merkmale der Figur wiedererkennen, vor allem, dass seine Superkraft sein Verstand ist. Aber jede Darstellung ist anders und auch John bringt jetzt etwas ganz Eigenes in die Figur, nicht zuletzt aufgrund des Inputs unseres fantastischen CIA-Beraters, der einen ganz ähnlichen Werdegang wie Jack Ryan hinter sich hat.

    Carlton Cuse: Ironischerweise weil er ein Fan von Clancys Büchern war.

    Graham Roland: Er hat uns viel über die neue, jüngere Kultur der CIA erzählt. Dort gibt es jede Menge Millennials und eine große Alterskluft. Und diese Art von kulturellem Umbruch haben wir ebenfalls versucht einzubauen, sodass unsere Darstellung der CIA anders und hoffentlich exakter ist als in anderen Filmen und Serien.

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    FILMSTARTS: Wie schwierig ist es, die richtige Balance zwischen Unterhaltung und der Darstellung der realen Schrecken des Terrorismus zu finden?

    Carlton Cuse: Wir haben stets darüber nachgedacht, wie wir mit der Serie viele Zuschauer ansprechen, ihr aber gleichzeitig auch etwas Tiefe und Gewicht verleihen können. Es war eine unserer wesentlichen Herausforderungen, da den richtigen Mix zu finden. Wir wollten grundsätzlich eine Art unterhaltsamen Sommer-Blockbuster machen. Da wir acht Stunden zur Verfügung hatten, wollten wir das Ganze aber auch mit ein paar überraschenden Elementen anreichern, wie etwa dem komplexen Bösewicht und der Bandbreite an islamischen Figuren. Es sollte zwar kein schwerer, düsterer Spionage-Thriller werden, aber man bekommt durch die Serie hoffentlich trotzdem ein besseres Verständnis für das geopolitische Geschehen hinter dem Terrorismus im Mittleren Osten und die damit verbundene Flüchtlingskrise.

    Graham Roland: An erster Stelle standen für uns die Unterhaltung und eine gute Geschichte, aber wenn wir dabei noch etwas Komplexität und Tiefe reinbringen können, ist das großartig.

    FILMSTARTS: Wie seid ihr auf John Krasinski für die Hauptrolle gekommen?

    Carlton Cuse: Uns war von Anfang an klar, dass es ohne den richtigen Darsteller nicht funktionieren würde. Es musste jemand sein, der sowohl als glaubhafter Action-Held als auch als smarter und zugänglicher Analytiker überzeugt. John hatte gerade den Film „13 Hours“ gemacht, mit dem er sich als Schauspieler ein wenig neu erfunden hat. Nach einer bestimmten Art von Rollen probierte er nun etwas anderes im ernsteren Bereich. Damit gab es bereits eine Art Parallele zwischen ihm und Jack Ryan. Je mehr wir über die Figur nachdachten, desto öfter sind wir also bei John gelandet. Wir dachten zwar, wir könnten ihn niemals bekommen, da er jetzt eigentlich nur noch Filme machen wollte, aber wir haben ihm einfach das Material geschickt und am Ende hat es geklappt.

    Graham Roland: Unser Vorbild, unser Lieblings-Jack-Ryan war immer Harrison Ford. Wir fragten uns also, wer eine gute jüngere Version seiner Interpretation der Figur abgeben könnte. John war dann der Erste, dem wir die Rolle angeboten hatten. Es gab kein Gespräch mit irgendjemand anderem.

    CIA statt Michael Bay

    FILMSTARTS: Wie stark war Produzent Michael Bay in die Serie involviert?

    Carlton Cuse: Überhaupt nicht. Sein Name steht zwar drauf, aber seine Beteiligung beschränkt sich auf eine Zeit, noch bevor wir an Bord kamen. Wir haben ihn in den dreieinhalb Jahren nie getroffen oder irgendwie mit ihm zu tun gehabt.

    Graham Roland: Wir hatten aber das Glück, auf ein paar der militärischen Berater und Stuntleute zurückgreifen zu können, die mit ihm an einigen seiner Filme gearbeitet haben.

    FILMSTARTS: Action spielt in „Jack Ryan“ auch eine große Rolle. Wie realistisch würdet ihr sagen, ist die Serie?

    Carlton Cuse: Gerade in Bezug auf die Charakterentwicklung haben wir uns um Authentizität bemüht. Wir wollten, dass Zuschauer nachempfinden können, wie es ist, als CIA-Agent das erste Mal in den Außeneinsatz geschickt zu werden. Wir haben mit vielen CIA-Mitarbeitern gesprochen, sowohl mit solchen, die nicht mehr dabei sind, als auch mit anderen, die noch immer dort arbeiten. Wir sind auch zur CIA selbst gegangen und hatten dort Zugang zu allerlei Informationen. Es gab jedoch keine Auflagen oder Anmerkungen, die CIA hat mit der Serie selbst dann nichts mehr zu tun gehabt.

    Graham Roland: Das Einzige, worum sie uns baten, war, dass wir nicht zeigen sollten, dass jemand im CIA-Hauptquartier mit einem Handy telefoniert. Es macht sie wahnsinnig, wenn sie so etwas in einem Film oder einer Serie sehen, Handys sind dort nämlich überhaupt nicht erlaubt.

    Carlton Cuse: Dafür gab es in der CIA aber viele andere coole Dinge. So haben sie z.B. einen eigenen Starbucks, bei dem man nur bar bezahlen kann, da die Kreditkarteninformationen ihrer Agenten nicht verbreitet werden sollen. Und es ist auch nicht erlaubt, beim Bestellen seinen Namen anzugeben, wie sonst bei Starbucks üblich. Dabei sollte man meinen, dass man als ausgebildeter CIA-Agent in der Lage ist, sich einen falschen Namen auszudenken...

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    FILMSTARTS: Wie schwer war es, eine Serie umsetzen zu können, in der der Terrorist und seine Familie das emotionale Zentrum sind?

    Carlton Cuse: Jede gute Geschichte hat einen Protagonisten und einen Antagonisten und unser Antagonist ist zwar ein Bösewicht, aber wir wollten auch zeigen, wie er überhaupt dazu geworden ist und dass die Figuren um ihn herum sowie die anderen Menschen in seiner Kultur nicht so sind wie er. Es gibt immer noch viele Vorurteile. Selbst Freunde von uns haben nach den Dreharbeiten in Marokko gefragt, ob es denn gefährlich war und wir nicht Angst hatten. Es war aber genau das Gegenteil der Fall. Die islamische Kultur hat einen ganz eigenen Gemeinschaftssinn und ist sehr offen und freundlich gegenüber Fremden.

    Graham Roland: Wir wollten von vornherein mehrere positive islamische Figuren zeigen, wovon auch Amazon sehr angetan war.

    Carlton Cuse: Und wir haben aus James Greer einen Moslem gemacht.

    Inspiration und Zukunftspläne

    FILMSTARTS: Wie weit habt ihr im Vorfeld vorausgeplant? Eine zweite Staffel ist ja inzwischen bestätigt.

    Carlton Cuse: Wir haben uns erstmal voll und ganz auf die erste Staffel konzentriert. Als Amazon dann begeistert davon war und direkt eine zweite Season bestellt hat, bevor überhaupt jemand die erste gesehen hat, war das eine riesige Bestätigung für uns. Erst dann haben wir uns an die Arbeit für die nächste Staffel gemacht. Für uns sind die Staffeln jetzt wie verschiedene abgeschlossene Bücher einer Reihe. James Greer und Jack Ryan sind weiter dabei, aber die zweite Staffel wird ein Polit-Thriller in Südamerika über den Niedergang der Demokratie. Eine der neuen Hauptfiguren ist eine deutsche BND-Agentin, es ist eine komplett andere Geschichte. Wir wollen aber nicht zu weit vorausplanen, da man nicht vorhersagen kann, wie die politische Lage in drei Jahren aussieht. Allein in den letzten drei Jahren hat sich die Welt dramatisch verändert. Als wir mit dem Schreiben begonnen haben, war Barack Obama Präsident und wir haben gedacht, dass Hilary Clinton seine Nachfolgerin wird.

    FILMSTARTS: Was könnt ihr uns sonst noch über Staffel zwei erzählen?

    Carlton Cuse: Nichts (lacht). Das war eigentlich schon ziemlich viel. Wenn wir J.J. Abrams wären, hätten wir nicht mal das erzählt.

    Graham Roland: Oder wir hätten irgendwas erfunden.

    Carlton Cuse: Mehr wollen wir erstmal nicht verraten. Aber sie orientiert sich ein wenig an den großen Polit-Thrillern der 70er und 80er Jahre wie „Vermisst“ oder „Die drei Tage des Condor“. Es fühlt sich etwas anders an als die erste Staffel, aber es wird wirklich gut. Wir drehen dafür in London, Kolumbien, New York und Moskau.

    FILMSTARTS: Gab es auch bei der ersten Staffel irgendwelche Filme oder Serien, die euch als Inspiration dienten?

    Carlton Cuse: Wir haben uns das vielfältige Spionage-Genre als Ganzes angeschaut und dann gezielt versucht, etwas Anderes und Einzigartiges zu schaffen, das uns von den bisherigen Geschichten abhebt.

    Graham Roland: Eine Inspiration für mich war auch die Dokumentation „Life In A Day“, in der verschiedene Menschen auf der ganzen Welt den exakt gleichen Tag mit Kameras festhalten. Da habe ich erst so richtig realisiert, dass wir weit mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede haben, egal woher wir kommen. Und „Jack Ryan“ gab uns nun die Möglichkeit, um die Welt zu reisen und etwas Ähnliches zu zeigen.

    FILMSTARTS: Welche Vorteile bringt es mit sich, mit einem Streaming-Dienst wie Amazon zu arbeiten, verglichen mit einem klassischen TV-Sender?

    Graham Roland: Es bietet einem die zwei wichtigsten Dinge, die man sich als Geschichtenerzähler in diesem Medium nur wünschen kann: Geld und Zeit. Ich habe vorher ausschließlich für das klassische Fernsehen gearbeitet und dort hat man beides nur in einem sehr begrenzten Rahmen. Jetzt einen Anbieter zu haben, der sagt „Wir geben euch keinen festen Starttermin. Wir lassen euch Zeit, bis ihr mit der Geschichte zufrieden seid und schauen dann weiter“ war etwas, das ich noch nie erlebt habe. Aus Autorensicht war das eines der besten Geschenke, die man sich vorstellen kann.

    Alle acht Folgen der ersten „Jack Ryan“-Staffel können seit dem 31. August 2018 bei Amazon Prime Video abgerufen werden. Mit der zweiten Staffel ist 2019 zu rechnen.

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