Bei der Cannes-Europapremiere von „Solo: A Star Wars Story“ war ihr Kleid auf dem Roten Teppich der Hingucker – aber nicht, weil es besonders knapp oder grell gewesen wäre, sondern wegen der Motive. Thandie Newton ließ Bilder der Actionfiguren aller bekannter schwarzer „Star Wars“-Charaktere in ihr Vivienne-Westwood-Kleid nähen. Damit blieb einiges an Fläche frei, denn aufs Kleid mussten nur passen: Billy Dee Williams Lando Calrissian, Samuel L. Jacksons Mace Windu, Hugh Quarshies Captain Panaka, John Boyegas Finn und Forest Whitakers Saw Gerrera. Die „Star Wars“-Galaxis ist verdammt groß – aber halt auch sehr weiß. Im Interview forderte Newton mehr schwarze Darsteller und Darstellerinnen (!) für den Sternenkrieg (und den Rest der Unterhaltungsindustrie). Sie brauchte dazu nur einen kurzen Anstoß und hörte danach kaum zu reden auf…
FILMSTARTS: Das Kleid mit den schwarzen „Star Wars“-Figuren drauf, das du auf dem Roten Teppich in Cannes getragen hast, war fantastisch.
Thandie Newton: Danke! Mein Sohn ist nun vier Jahre alt und ich habe 13 und 17 Jahre alte Töchter, also habe ich schon sehr lange mit Spielzeugfiguren zu tun. Ich bin an der Küste Englands aufgewachsen und wir waren eine von sehr wenigen Familien gemischter Herkunft. Es gab, abgesehen von meiner Mutter natürlich, sehr wenig Diversität um mich herum und ich sah im Fernsehen kaum jemanden, der so aussah wie ich. Heute sind in meinem Haus überall Menschen mit schwarzer Hautfarbe zu sehen: auf Fotos, schönen Porträts, Gemälden. Ich reise viel und bringe Kunst aus unterschiedlichen Teilen Afrikas mit nach Hause. Auch die Figuren in den Bilderbüchern meiner Kinder sind schwarz und die Spielfiguren schwarz oder asiatisch.
Solo: A Star Wars StoryDu glaubst gar nicht, wie wenig Diversität es in Kinderbüchern gibt. Ich nehme mir also einen Stift und male die Figuren in den Büchern schwarz an, um ihnen zu zeigen, wie die Welt wirklich aussieht. Ich lebe in London, das ist ein sehr multikultureller Ort. Aber wenn du nach den Kinderbüchern gehst, würdest du das nicht denken.
Ich habe diese Sammlung mit schwarzen Figuren aus „Star Wars“ und denke mir: „Das sind alle?“ Ich kann sie in einer Hand halten. Es sind fünf Männer. Und ich bin die erste „Star Wars“-Frau mit dunkler Hautfarbe. Denn Lupita Nyong'o, die Maz Kanata spielt, ist eine CGI-Figur. Sie war brillant, aber wir haben 2018! Das ist verrückt. Es gibt so viele unterschiedliche Menschen auf der Welt, doch das spiegelt sich nicht in der Unterhaltungsindustrie – die aber überall auf der Welt gesehen wird.
Als ich mich auf die Cannes-Premiere vorbereitete, dachte ich mir: Nichts wurde aus dem Fakt gemacht, dass ich die erste schwarze Frau in „Star Wars“ bin. Nichts. Das war nicht Teil der Werbung. Niemand hat es jemals erwähnt. Das ist okay. Ich werde eben als Thandie Newton gesehen, nicht als schwarze Schauspielerin. Mit dem Kleid wollte ich aber zeigen, dass Schwarze in „Star Wars“ eben noch nicht normal sind.
Eine schwarze Frau spielt die Sklavin
Übrigens: Die Darstellerin Femi Taylor, die in meinem ersten Film „Flirting“ meine Mutter spielte, war Jabbas Sklaventänzerin in „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“. Sie wurde für diesen Film grün angemalt. Klar: Wenn du jemanden für eine freakige Kreatur brauchst, verpflichte eine schwarze Person. Schau dir ihre Facebook-Seite an: Ihr stolzester Moment ist es, die grüne Sklaventänzerin von Jabba zu spielen. In all diesen Jahren seit „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ ging es von Femi Taylor zu mir. Und das macht mich wirklich stolz. Ich hätte das übrigens nicht mitbekommen, wenn nicht ein Geek auf Twitter diese Verbindung gezogen hätte.
FILMSTARTS: Warum hat man dich für „Solo“ verpflichtet?
Thandie Newton: Einer der Gründe dafür war, dass sich Phil Lord und Chris Miller Monate vor dem Casting die Spezialeffekte für den Zugüberfall ansahen, wo meine Figur Val eine wichtige Rolle spielt. Das Effekte-Team hatte in der Szene eine weiße Frau mit langen, schwarzen Haaren verwendet. Die Regisseure fragten: Warum geht ihr davon aus, dass sie weiß ist? Wir möchten, dass sie schwarz ist. Leute nehmen einfach Dinge an. Sie sind nicht böse, sondern schlicht an bestimmte Dinge gewöhnt.
Als Künstler und Journalisten müssen wir alles in Frage stellen. Wir leben in einer neuen Welt, wir sind ein globales Dorf, wir müssen herausfinden, wie wir miteinander in Verbindung treten können. Ich sage nicht, dass meine Verpflichtung in „Star Wars“ die Probleme der Welt lösen wird, aber jeder von uns tut seinen Teil und ich liebe den Fakt, dass Lord und Miller das getan haben.
Danke, Allison Shearmur
Zu danken ist auch Kathleen Kennedy und J.J. Abrams, der „Star Wars“ zurückgeholt hat und verantwortlich für die Verpflichtung von John Boyega ist - und unserer Produzentin Allison Shearmur, die kurz nach dem Ende der Dreharbeiten starb. Ich liebe sie, sie setzte sich wirklich für Fortschritt ein. Dazu eine Anekdote: Als ich in der Maske Bilder von meiner Figur sah, war es die weiße Frau mit den langen schwarzen Haaren. Ich dachte, okay, diese Frisur wollen sie für mich - aber Allison Shearmur sagte: Nein, wir wollen, dass du die Haare so trägst, wie es für dich natürlich ist.
Ich entschied mich für die Afro-Frisur, die meine Mutter in den Sechzigern getragen hat. Sie war Teil der Unabhängigkeitsbewegung in Simbabwe und Val ist im Film Teil der Rebellen, der Gegenkultur.
FILMSTARTS: Zum Abschluss noch was Unpolitisches: Magst du eigentlich Action-Szenen?
Thandie Newton: Oh ja. Das habe ich lange nicht mehr gemacht. In „Mission: Impossible 2“ hing ich auch an ein paar Seilen, aber da war ich eher die Prinzessin in Not, die gerettet werden musste. In „Solo“ bin ich frei, fähig, jemand, der weiß, wie er überlebt. Alle diese Figuren tun, was sie müssen, um zu überleben, ob sie zocken, oder wie L3 gegen die Unterdrückung von Droiden vorgehen. Ich liebe L3.
Was ich an den Actionszenen so mochte: Es ging nicht darum, anzugeben, sondern als Figuren das zu tun, was zum Überleben notwendig ist.
„Solo: A Star Wars Story“ läuft seit dem 24. Mai 2018 in den deutschen Kinos.