In dem neuen Buch „Anything You Can Imagine: Peter Jackson & The Making Of Middle-Earth” schildert Filmjournalist Ian Nathan die komplexe Entstehungsgeschichte von „Herr der Ringe“. Ein großes Kapitel darin ist wohl auch der erste Versuch von Peter Jackson, den Romanklassiker für Miramax, die ehemalige Produktionsfirma des nach dem Sex-Skandal entlassenen Harvey Weinstein, zu adaptieren. Viel ist über diese Versuche und die Zwists zwischen Jackson und Weinstein bereits bekannt, wie aber nun der Guardian berichtet, hat Nathan auch ein paar neue Informationen gesammelt.
Bekanntlich wollte Harvey Weinstein, dass Peter Jackson das gesamte Epos als einen einzigen, zweistündigen Film adaptiert. Jackson weigerte sich. Er wollte damals einen Zweiteiler machen. Produzent Ken Kamins berichtet nun Nathan, dass Weinstein deswegen eine klare Drohung an Jackson äußerte: „Entweder du macht es so oder gar nicht. Dann bist du draußen. Quentin steht schon bereit, um Regie zu führen“, seien Weinsteins Worte gewesen. Mit „Quentin“ ist natürlich Quentin Tarantino gemeint, einer der damaligen Spezis von Weinstein, der all seine Filme zu jener Zeit für den einstigen Hollywood-Mogul machte.
War Quentin Tarantino involviert?
Ob Quentin Tarantino wirklich „bereit stand“, ist unbekannt und in den Auszügen beim Guardian wird darauf nicht weiter eingegangen. Wenn man aber die Schilderungen über Harvey Weinstein, seine legendären Wutausbrüche und Drohungen aus anderen Büchern und Berichten heranzieht, ist es eher unwahrscheinlich, dass Weinstein mit Tarantino überhaupt über das Thema gesprochen hat. Weinstein war dafür bekannt, dass er Filmemachern mit seinen berühmtesten Schützlingen drohte. Gerade das „Ersetzen durch Quentin“ soll zu seinen geflügelten Drohungen gehört haben, auch wenn Tarantino selbst davon oft nichts gewusst haben soll.
Zudem berichtet Kamins auch noch, dass Weinstein Jackson auch mit John Madden als Ersatz gedroht hat. Der Regisseur war damals der andere Liebling des Produzenten, weil er ihm 1999 den Oscar-Hit „Shakespeare In Love“ bescherte, dessen sieben Auszeichnungen das Hollywood-Schwergewicht immer wieder als einen seiner größten Triumphe bezeichnete. Auch das spricht dafür, dass Weinstein einfach nur die Namen seiner gerade berühmtesten Schützlinge in den Raum warf, um Jackson zum Einlenken zu zwingen. Außerdem scheint „Herr der Ringe“ so gar nicht zu Quentin Tarantino zu passen. Es ist so auch schon schwer vorstellbar, dass der Filmemacher überhaupt selbst großes Interesse an dem Fantasy-Stoff zeigte.
Von einem Film zur Trilogie
Ohnehin ging Jackson nicht auf die Drohung ein. Wie Nathan in seinem Buch weiter schreibt, erzählte ihm Jackson persönlich, dass die Idee von Weinstein jede Person, die den Klassiker von Tolkien gelesen hat, enttäuscht hätte. Er gab laut dem Buch daher Kamins den Auftrag, Weinstein auszurichten, dass er den Film alleine machen soll. Er und seine Frau und Co-Autorin Fran Walsh würden dann lieber eigene Filme machen statt sich weiter „mit diesem Scheiß herumzuplagen“.
Der Rest ist dann Geschichte und wurde schon oft berichtet. Warner-Tochter New Line trat an Weinstein heran und übernahm die Rechte. Peter Jackson bekam nicht nur größere Freiheiten, sondern gemeinsam mit New Line kam er dann sogar auf die Idee, eine Trilogie aus dem Stoff zu machen, um den Buchvorlagen zu entsprechen. Weinstein sicherte sich beim Rechteverkauf allerdings noch eine Listung als Produzent samt Beteiligung an den Einnahmen. So verdiente er am Ende sogar mächtig viel Geld daran, dass aus „Herr der Ringe“ ein Dreiteiler wurde, denn jeder einzelne Film avancierte zum Kassenhit.
Bereits Ende 2017 sorgte der Streit zwischen Jackson und Weinstein um „Herr der Ringe“ übrigens bereits für neue Schlagzeilen. Damals machte Peter Jackson im Zuge des Skandals um die Vorwürfe zahlreicher sexueller Belästigungen gegen Weinstein öffentlich, dass der einflussreiche Produzent bereits zu dem Zeitpunkt, als das Projekt noch bei ihm entwickelt wurde, auf das Casting Einfluss genommen habe.